Der verborgene Erbe. Billy Remie

Der verborgene Erbe - Billy Remie


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gemacht, weil ich gut mit den Pferden umgehen kann, die Tiere vertrauen mir. Doch kaum halte ich ein Schwert, werde ich zu einem großen Tollpatsch.«

      »Vertrau auf deine Krieger, deren Rösser du pflegst«, sagte Desiderius zu ihm, »auch ein Stallbursche ist wichtig, auch wenn die Barden leider immer wieder vergessen, sie in ihren Lobesgesängen zu erwähnen. Aber was würde geschehen, gäbe es keinen Burschen wie dich, der sich um meinen Wanderer kümmert, ihn hegt und pflegt, damit er mich sicher durch die Schlacht tragen kann? Wir brauchen dich ebenso wie wir Kämpfer brauchen. Das macht die Stärke einer Armee aus. Das Große und Ganze. Jeder Mann hat seinen Wert, jede Seele ist wichtig für die Allgemeinheit. Das lehrten uns die Airynns. Lass uns ihre Weisheit nicht vergessen.«

      Aghis schöne blauen Augen leuchteten mit jugendlicher Freude zu Desiderius auf, während die Worte ihm den Stolz schenkten, den er für sein Selbstvertrauen gebraucht hatte.

      »Harte und ehrliche Arbeit ist es immer wert, geschätzt zu werden. Leider erhält sie viel zu wenig Anerkennung, wobei sie es ist, die uns alle am Leben hält.«

      »Ich danke Euch«, erwiderte Aghi schüchtern. »Ihr seid zu großzügig. Und Ihr schenkt mir Mut, obwohl die Zeiten düster sind. Ich verstehe, warum die Männer ihr Vertrauen in Euch setzen. Ihr wisst, was Ihr tut.«

      Desiderius blickte gen Boden und hauchte zu sich selbst: »Ich hoffe, sie setzen es nicht in den falschen.«

      »Wie könnten sie, nach allem, was Ihr riskiert habt, nur um wieder herzukommen. Ihr hättet auch fortbleiben und uns unserem Schicksal überlassen können.«

      Desiderius seufzte gequält. »Ich bin wegen unglücklicher Zufälle hier, Aghi. So habe ich nicht wiederkehren wollen. Nicht ohne …« Wexmell …

      Es konnte noch so viel Zeit vergehen, er konnte noch so viele glückliche Stunden mit Cohen verbringen, oder mit Bellzazar lachen, oder mit Eagle streiten, der Alltag mochte sich einstellen, doch der Schmerz, wenn er an Wexmell dachte, würde nie vergehen. Er würde ihn begleiten, wie ihn seine Naben begleiteten. Nur, dass diese Narbe auf seinem Herzen lag und für andere unsichtbar blieb. Aber es war mehr als eine Narbe, die dort zu Hause war, auch Luros und Allahads Verlust ließ ihn fast in Kummer vergehen.

      Er hatte sie geliebt, sie waren seine Familie gewesen. Allesamt.

      Das einzige, das ihn wirklich aufrecht hielt und ihn trotz des Schmerzes glücklich machen konnte, war allein Cohen. Und genau deshalb empfand er eine derart tiefe Liebe für diesen Mann, für die er sich beinahe schämte, weil er manchmal das Gefühl hatte, Wexmell ersetzt zu haben. Wobei das gar nicht möglich schien.

      Trotzdem, die Liebe zu Cohen war ebenso … einmalig. Bedeutend. Tief und unantastbar. Rein. Und deswegen würde er stets Schuld empfinden.

      Aber sein Herz ließ sich davon nicht bremsen, es sehnte sich nach Cohen, und Desiderius würde sich diesen Gefühlen nicht verweigern. Nicht nachdem er erfahren hatte, wie wichtig es war, alles zu genießen, was einem gegeben wurde, ehe es ihm irgendjemand wieder wegenehmen konnte. So war es bei Rahff, der sich ihm entzogen hatte, so war es bei Wexmell, der ihm von ihren Feinden genommen worden war, aber bei Cohen würde es anders sein. Das schwor er sich hoch und heilig. Er würde Cohen niemals wieder gehen lassen, oder zulassen, dass ihn irgendjemand oder irgendetwas verletzte. Nichts würde ihn und Cohen trennen, nicht einmal das Schicksal, dafür würde er sorgen!

      »Aber Ihr habt wiederkommen wollen«, sagte Aghi lächelnd, »und hier seid Ihr. Stark und mutig genug, Euch gegen die Kirche zu stellen. Groß und ebenso prächtig wie mächtig, weshalb Eure Feinde schon beim Klang Eures Namens einen Schrecken bekommen.«

      Schmunzelnd hob Desiderius den Blick. »Mir düngt, du bewunderst mich ein wenig mehr als die anderen.«

      Der Junge lief feuerrot an und senkte den Blick.

      »Nicht, dass ich es nicht genießen würde«, flüsterte Desiderius mit einem spitzbübischen Lächeln.

      Aghi lächelte verlegen zurück. »Es gibt gewisse Gerüchte, die die Runde machen, und einige Dienstmägde zum Weinen, und den ein oder anderen Stallburschen zum Schwärmen brachten.«

      Desiderius lachte leise in sich hinein. »Wenn dem so ist, sollte ich den Ställen wohl öfter mal einen Besuch abstatten. Es scheint, als könnte es sich für mich lohnen.«

      »Lieber nicht.«

      »Warum?«, fragte Desiderius verwundert.

      »Weil ein Streit um Eure Gunst entfachen könnte«, erklärte Aghi frech grinsend.

      »Oh.« Desiderius wackelte mit den Augenbrauen. »Verstehe.«

      Sie lachten miteinander.

      »Hast du nichts zu tun?«, fauchte es von der Seite.

      Plötzlich stand Cohen neben ihnen und blickte mit eisiger Feindseligkeit auf den verwunderten Stallburschen herab. Sein Schatten fiel wie eine Mauer zwischen sie. »Such dir eine andere Schwärmerei, Bursche, das Bett des Blutdrachen beanspruche ich allein.« Letzteres knurrte er wie ein Löwe.

      Desiderius sah stirnrunzelnd zu Cohen auf, während Aghi sprachlos zwischen ihnen hin und her blinzelte. Es genügte, dass Cohen seine Augenbraue noch ein Stück weiter nach oben zog, damit der Junge rasch vom Fass sprang.

      »Ja, Herr!« Er verbeugte sich zum Abschied. »Vergebung, Herr. Ich wollte nicht ... Vergebung.«

      Als er außer Hörweite war, entspannte Cohen sich etwas, und ging an Desiderius vorbei, um sich im Schatten auf den Boden an eine kühle Mauer zu setzen.

      Er sah gut aus, wenn er wütend war. Kaum bedrohlich, ehe wie ein junger Fuchs, den man mit einem Stock ärgerte, und der daraufhin zornig die Nase kräuselte und die Ohren anlegte.

      »Ich ahnte ja nicht, dass du so eifersüchtig bist, Geliebter.« Desiderius nahm seine Arbeit wieder auf.

      Cohen verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast mir ein Versprechen gegeben!«

      »Vertraust du mir so wenig?«

      »Ja.«

      Lachend warf Desiderius ihm einen Blick zu, doch auch sein schiefes Lächeln konnte Cohen kein Schmunzeln entlocken. Eisig blickte das verbliebene rotbraune Auge in Desiderius‘ Gesicht.

      Cohen war schwierig. Nie leicht zu besänftigen. Doch gerade diese Herausforderung reizte Desiderius jeden Tag aufs Neue. Manchmal ärgerte er ihn absichtlich, nur um zu streiten. Äußerte Bemerkungen, die Cohen eifersüchtig machten. Oder zog ihn damit auf, dass er den Göttern huldigte und zum Beten in die Kapelle ging. Er fand immer etwas, womit er Cohen irgendwie zur Weißglut treiben konnte. Wenn Cohen einmal sauer war, benötigte es einiges an Verführungstaktik und hinreißendem Charme, um ihn wieder froh zu stimmen.

      Cohen konnte auch gelegentlich gut austeilen, sollte Desiderius es mal wieder übertreiben. Mehr als einmal war ein Streit in eine Rangelei übergegangen, weil Cohen sich, wenn er nicht mehr weiterwusste, gegen Desiderius warf und ihn niederringen wollte. Stets ließ sich Desiderius auf den weniger ernstgemeinten Kampf ein, lachte und versuchte, Cohen unter sich festzunageln. Cohen wusste, sich zu wehren, schlug ernsthaft zu, wenn Desiderius versuchte, ihn mit Küssen zu verführen, oder mit den Händen unter seine Kleidung zu gelangen.

      Meist gewann Cohen doch wieder die Oberhand, aber wenn es soweit war, hatte Desiderius bereits genug Lust entfacht, um der Rangelei etwas Sinnliches einzuverleiben. So wurde aus ihren Streitigkeiten und Kämpfen häufig ein Inferno entfesselter Lust.

      Hinterher war das gesamte Zimmer verwüstet, und Desiderius lag erschöpft und wie erschlagen, am Ende aller Kräfte auf dem Rücken, unfähig sich zu bewegen, bedeckt von Schweiß, aber selig grinsend.

      »Es war nur eine harmlose Schäkerei«, beschwor Desiderius ihn nun, »benimm dich nicht wie eine betrogene Ehefrau, das steht einem Mann wie dir nicht gut zu Gesicht.«

      Erneut schenkte er Cohen ein freches, schiefes Lächeln. Wieder prallte es wirkungslos an ihm ab.

      »Es war respektlos meiner Person gegenüber«,


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