Das Medaillon von Ofon. Jessica Giffard
schon okay, ich mach doch nur Spaß.«
»Und was machen wir heute?«
»Lass dich überraschen! Ach was soll´s, ich kann nichts für mich behalten. Ich habe mir gedacht, dass wir nach dem Frühstück erst einmal durch die Stadt bummeln. Ich brauche ein paar neue Schuhe. Und dann können wir ins Kino. Es läuft gerade ein schöner Film. Später können wir noch zu mir. Mama kocht heute für uns etwas Leckeres. Was hältst du davon?«
»Gut, wir werden bestimmt viel Spaß haben!«
»Nicht wahr?«
Nachdem wir gefrühstückt hatten, gingen wir in fünf verschiedene Schuhläden, ohne dass etwas dabei gewesen wäre, was ihr gefiel. Schließlich gab sie es auf und wir machten eine kleine Pause. Wir setzten uns in ein Café und tranken eine Tasse Tee.
»Wann läuft der Film?«
»Die Vorführung ist um 14.30 Uhr. Wir haben also noch zehn Minuten. Außerdem brauchen wir uns nicht anzustellen, ich habe die Eintrittskarten heute Morgen schon gekauft.«
Ich bezahlte und wir standen auf. Zum Kino waren es nur fünf Minuten zu Fuß, deshalb ließ ich mein Rad stehen. Als wir ankamen, sah ich, dass die Schlange an der Kasse ganz schön lang war.
Ich war froh, dass Jane die Tickets schon im Vorfeld organisiert hatte. Wir gingen in den Kinosaal und die Vorführung begann. Ich hatte eigentlich keine Lust darauf, aber ich durfte es mir nicht anmerken lassen. Jane wäre sonst sehr traurig. Sie hatte sich so auf den Tag gefreut. Ich wollte ihn ihr nicht verderben, doch meine Gedanken waren die ganze Zeit bei meinem Vater. Mir kam das alles wie ein Traum vor.
Ich fasste in meine Tasche, um zu schauen, ob der Brief noch dort war. Er war noch da. Auf einmal dachte ich, dass es eine sehr gute Idee von Jane war, ins Kino zu gehen. Ich war heute weder besonders gesprächig noch eine angenehme Zuhörerin, somit war ein Film genau das Richtige. Bei einer längeren Unterhaltung hätte Jane meine gedankliche Abwesenheit bemerkt, was eine erneute Lüge meinerseits zur Folge gehabt hätte. Beim Film brauchte ich nur zuzusehen.
Plötzlich spürte ich Janes Hand an meiner Schulter.
»Willst du nicht aufstehen? Der Film ist zu Ende.«
»Ja, aber ich mag es nicht, dass die Leute so drängeln. Ich warte nur, bis alle rausgegangen sind.«
»Sarah, es ist fast niemand mehr im Saal! Lass uns endlich gehen.«
Ich stand auf und wir gingen hinaus. Vor dem Kino waren noch eine ganze Menge Menschen, die sich darüber austauschten, wie der Film war.
Ich wollte nur weg. Im Moment konnte ich keine Menschenansammlungen ertragen, alles war zu viel für mich. Ich hatte nicht die Nerven dafür. Ich wollte endlich zurück, wusste aber nicht, wie ich es Jane erklären sollte. Es würde sehr viel Zeit kosten, wenn wir noch zu ihr zum Essen gehen würden. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Als wir wieder vor dem Café standen, sah ich, dass mein Rad einen Platten hatte und ich war sehr froh darüber, es kam wie gerufen.
»Verdammt! Ich habe einen Platten! Jetzt muss ich zu Fuß nach Hause laufen.«
»Spinnst du? Das ist fast eine Stunde Fußmarsch. Du kannst heute bei uns schlafen und deine Mutter holt dich morgen ab. Dann könnt ihr den Platten flicken lassen.«
»Nein Jane, ich kann doch meine Mutter nicht alleine lassen.«
»Wieso nicht? Sie war doch immer alleine, als du bei mir übernachtet hast oder wir einen Schulausflug gemacht haben. Ruf sie nach dem Essen an, damit sie dich morgen abholt. Oder willst du nicht bei mir übernachten?«
»Ich würde ja gerne, aber nicht heute.«
Ich wusste nicht, was ich Jane sagen konnte, um sie zu überzeugen. Aber irgendwas musste ich mir einfallen lassen, sonst war sie sauer auf mich. Plötzlich hatte ich die Idee. Leider musste ich sie erneut anlügen. Aber mir blieb nichts anderes übrig.
»Jane, wir kennen uns schon so lange und du weißt ganz genau, dass ich gerne bei dir schlafe. Es ist nur so, meine Mom hatte beim Saubermachen die Briefe meines Vaters wiedergefunden. Sie wusste nicht mehr, wo sie sie hingelegt hatte. Als ich sah, wie traurig sie war, hatte ich auf einmal ein schlechtes Gewissen, weil ich sie alleine gelassen hatte.«
»Ok, das verstehe ich. Dann ruf sie doch an, damit sie dich abholt. Du kannst doch die Strecke nicht zu Fuß zurücklegen.«
»Das Wetter ist wunderschön und für mich wird es ein netter Spaziergang.«
»Ok, wie du meinst.«
»Dann hören wir uns heute Abend, ich ruf dich an. Bitte sag deiner Mutter noch einen schönen Gruß und dass es mir leid tut, dass ich nicht zum Essen kommen konnte.«
»Mach ich. Sie wird es verstehen. Sag deiner Mom auch einen schönen Gruß von mir, wir hören uns heute Abend. Ich gehe jetzt auch nachhause, bin vom Stadtbummel noch ganz geschafft.«
Unsere Wege trennten sich. Jane bog in eine andere Straße ab und ich konnte in Ruhe mein Rad schieben. Bevor ich Ben anrief, wollte ich noch eine lange Kette für den Anhänger besorgen, die hier war mir zu kurz. Man konnte den Anhänger sehen und das wollte ich nicht. Zum Glück war auf meinem Weg ein Laden, in dem es schöne Ketten zu kaufen gab.
Als ich ankam, sah ich durch das Schaufenster Sally, ein Mädchen aus meiner Klasse. Mit einem Mal war ich mir nicht mehr sicher, ob ich hineingehen sollte, aber ich wollte die Kette unbedingt, da vor allem meine Mom den Anhänger nicht sehen sollte. Sie würde ihn so nicht wieder erkennen und nur Fragen stellen.
Ich lehnte mein Rad an die Wand und ging in das Geschäft, während ich so tat, als ob ich Sally nicht gesehen hätte. Ich hoffte nur, dass sie mich nicht wahrnahm. Sie war schon an der Kasse und würde gleich hinausgehen. Bitte, bitte, dreh dich nicht noch mal um. Verdammt! Sie drehte sich um. Sally war schon immer neugierig und wollte wissen, was vor sich ging. Wer kam ins Geschäft und wer verließ es, das war typisch Sally.
»Hallo Sarah! Was machst du hier? Ich hab nie gesehen, dass du Schmuck trägst! Was willst du dir kaufen?«
»Hallo Sally, ah weißt du, meine Mom hat bald Geburtstag und ich wollte für sie nach einem Geschenk schauen.«
»Oh gut! Sie haben sehr schöne Sachen hier und das auch noch günstig. Sogar du würdest hier etwas finden. Na dann, schönen Tag noch.«
Ich war froh, als sie ging, diese eingebildete dumme Kuh. Ihre Eltern waren wohlhabend, deshalb schaute sie auf alle in der Klasse herab.
Sie bekam alles, was sie wollte. Sallys Eltern kauften ihr sogar ein eigenes Auto, damit sie zur Schule fahren konnte, obwohl sie nur zehn Minuten zu Fuß entfernt wohnte. Leider hatte sie kein Gehirn, das konnten sie ihr nicht kaufen. Irgendwie tat sie mir leid, denn die Welt, in der sie lebte, hatte nichts mit der Realität zu tun.
»Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich suche eine längere Kette für meinen Anhänger.«
»Hier haben wir verschiedene Modelle, eins davon wird Ihnen bestimmt gefallen.«
»Eigentlich suche ich eher etwas Einfaches.«
»Ich verstehe. Was stellen sie sich vor? Soll es Gold oder Silber sein oder doch eher Modeschmuck?«
»Nein, eher so eine Art Lederband, etwas Unscheinbares.«
»Ach, die Bänder für Anhänger haben wir hier drüben. Was für eine Farbe soll es sein?«
»Schwarz.«
»Wie wäre es mit dem hier ein Leder Band?«
»Die ist zwar genau das, was ich suche, aber haben sie es auch länger?«
»Diese hier sind länger. Aber sind sie nicht zu lang? Dann würde man ja den Anhänger nicht sehen, wenn sie ihn tragen.«
»Das ist auch der Sinn der Sache.«
»Hm? Ich verstehe nicht.«
»Ist schon Ok. Das ist