Das Medaillon von Ofon. Jessica Giffard

Das Medaillon von Ofon - Jessica Giffard


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die Treppe nach unten ging, kam meine Mutter aus ihrem Zimmer.

      »Schatz, was machst du so früh auf den Beinen? Du hast doch Schulferien. Ist was passiert?«

      »Nein Mom, ich treffe mich mit Jane.«

      »So früh?«

      Da ich wusste, dass meine Mutter mich fragen würde, warum ich so früh aus dem Haus gehe, hatte ich mir schon am Abend eine Antwort zurechtgelegt.

      »Ich treffe mich um 09.00 Uhr mit Jane.«

      »Und wo willst du jetzt hin? Du hast doch noch über eine Stunde Zeit?«

      »Zum Teich, um ein bisschen alleine zu sein.«

      »Ja, ich weiß, dass du immer dahin fährst, wenn du deinen Vater vermisst. Er fuhr immer mit dir dorthin. Du hast viel Zeit mit deinem Vater dort verbracht, aber muss es denn so früh am Morgen sein?«

      »Ich bin einfach früh aufgewacht. Mach dir keine Sorgen, Mom.«

      »Wenn du es sagst. Möchtest du nicht wenigstens einen Kaffee, bevor du gehst?«

      »Nein Mom, ich trinke mit Jane einen Kaffee.«

      »Ok, schon gut. Dann macht euch einen schönen Tag.«

      Als ich die Tür hinter mir schloss, war ich froh, dass die Unterhaltung mit meiner Mom kurz war. So sehr ich sie auch liebte, sie konnte wirklich anstrengend sein, erst recht, wenn sie sich Sorgen machte. Leider machte sie sich ständig Sorgen.

      Ob Ben schon da war? Es war noch sehr früh. Er würde bestimmt noch nicht auf mich warten. Aber ich wollte keine Zeit verlieren. Ich wollte schon da sein, sobald er ankam. Also nahm ich mein Rad und fuhr los. Als ich den Hügel erreichte, hatte ich wieder dieses komische Gefühl, dass ich nicht zuordnen konnte.

      Schließlich sah ich die Kurve, an der er mich gestern abgesetzt hatte. Ben war nicht da und es war auch kein Wagen zu sehen. Ich war enttäuscht, denn obwohl mein Verstand mir sagte, es sei noch zu früh, hatte ich doch insgeheim gehofft, dass er schon auf mich warten würde. Ich fuhr langsamer. Als ich fast an der Kurve war, sah ich Ben und mein Herz schlug schneller.

      »Hallo Sarah.«

      »Hallo!«

      »Der Wagen steht weiter weg, wir müssen ein Stück laufen. Ich wollte nicht riskieren, dass deine Mutter ihn wieder hört.«

      »Aber woher wissen Sie, dass sie das Auto gehört hat?«

      »Wir haben doch abgemacht, dass wir uns duzen.«

      »Ok, also woher wusstest du das? Sie hatte ihn wirklich gehört und mich gefragt, ob ich ein Auto gesehen hätte.«

      »Was hast du ihr gesagt?«

      »Dass sich der Fahrer verfahren hätte und mich nach dem Weg gefragt hat.«

      »Das hast du gut gemacht, Sarah. Denn sie darf noch nichts von mir erfahren, bis ich dir alles erzählt habe. Gib mir dein Rad, Sarah!«

      Er nahm mein Rad und schob es neben sich. Wir liefen bis zum Auto. Es stand nur ein Stück weiter. Bis wir drin saßen, sagten wir kein Wort zueinander. Er hatte mein Rad wieder in den Kofferraum verstaut und fuhr los. Plötzlich fiel mir der Ring ein.

      »Du warst gestern in meinem Zimmer und hast mir das aufs Bett gelegt.« Ich zeigte ihm das Päckchen. »Ich kann das nicht annehmen, wir kennen uns doch erst seit gestern.«

      »Erstens kenne ich dich schon sehr lange, du weißt erst seit gestern von meiner Existenz. Und zweitens, das Geschenk ist nicht von mir. Ich sollte es dir nur aushändigen. Lass uns in der Villa darüber reden.«

      »Von wem ist es denn, wenn es nicht von dir ist?«

      »Sarah, ich sagte doch, lass uns in der Villa darüber reden.«

      Ich nickte und schaute hinaus. Das Wetter war wunderbar heute. Überall saßen Vögel in den Bäumen und zwitscherten ihr ganz eigenes Lied. Obwohl ich jeden Tag diesen Weg zur Schule fuhr, hatte ich mir nie die Zeit genommen, die Natur zu genießen.

      Mir kam es vor, als ob ich an einem anderen Ort wäre. Es schien alles schöner, heller und grüner. Ich genoss die Fahrt durch den Wald. Als wir uns der Villa näherten, sah ich, dass jemand am Tor wartete, um uns einzulassen. Ben hielt am Hauseingang, stieg aus und kam zu meiner Tür.

      »Willst du nicht aussteigen?«

      »Ja!«

      Aber ich zögerte. War mir doch nicht mehr sicher, ob ich das Richtige gemacht hatte, keiner wusste, dass ich hier war. Als ich ausstieg, wollte ich nicht, dass Ben bemerkte, dass ich unsicher war. Wenn ich mehr über meinen Vater erfahren wollte, musste ich in die Villa. Der Butler wartete bereits an der Tür.

      »Guten Morgen, Miss Clarus.«

      »Guten Morgen, Mr. Andors.«

      »Treten Sie bitte ein, Miss Clarus.«

      »Danke.«

      Ich ging hinein, Ben folgte mir. Als wir im Flur waren, blieb ich stehen und drehte mich um. Ich sah, wie Ben etwas einsteckte, das er kurz zuvor vom Butler erhalten hatte. Ich konnte zwar nicht genau erkennen, was es war, aber ich konnte sehen, dass es rot schimmerte.

      Da Ben wusste, dass ich gesehen hatte, wie er das rote Etwas eingesteckt hatte, kam er mit einem Lächeln auf mich zu.

      »Lass uns in den Garten gehen, das Wetter ist wunderschön heute.«

      Ich folgte ihm und beobachtete beim Gehen, wie der Butler hinter einer Tür verschwand. Die Tür passte nicht zum Haus. Alles hier war riesig. Alle Türen waren entweder sehr groß oder mit zwei Flügeln versehen. Doch diese hier war unscheinbar und schmal. Ich kam zu dem Schluss, dass es sein Zimmer sein musste und folgte Ben in den Garten. Als wir draußen waren, blieb er stehen.

      »Bitte, nach dir.«

      Ich hatte das Gefühl, dass er mir meine Unsicherheit ansah. Deswegen nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und lief sicher und aufrecht an ihm vorbei, bis ich mich schließlich auf einen Gartensessel setzen konnte. Er nahm mir gegenüber Platz. Seine Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen.

      Irgendwie war ich in seiner Anwesenheit unsicher. Er hatte etwas an sich, das ich nicht erklären konnte. Er wirkte sehr selbstbewusst, stark und sich seiner Sache sicher. Schließlich brach er das Schweigen.

      »Wie trinkst du deinen Kaffee, Sarah?«

      »Schwarz.«

      »Möchtest du noch was dazu? Ich weiß, dass du noch nicht gefrühstückt hast.«

      »Nein, danke.«

      Er schaute zum Haus hinüber und nickte. Als ich in die gleiche Richtung schaute, bemerkte ich, dass sich die Gardinen bewegten. Er musste dem Butler eine Anweisung gegeben haben.

      »So, kommen wir zu dem Geschenk, das ich dir aufs Bett gelegt habe.«

      »Ja, wie bist du eigentlich in mein Zimmer gelangt? Es ist im ersten Stock und durch die Eingangstür bist du nicht gekommen! Ich hätte, also, wir hätten, meine Mutter und ich, hätten dich sehen müssen.«

      »Das erkläre ich dir ein anderes Mal.«

      Er schaute an mir vorbei und lächelte, als er sagte:

      »Danke, Andors.«

      Ich drehte mich um und sah, dass der Butler direkt hinter mir stand. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Zwar weiß ich, dass Butler immer unsichtbar sein mussten und immer im Hintergrund waren, aber dass sie auch noch so leise waren, war mir neu.

      »Miss Clarus, Ihr Kaffee.«

      »Danke, Mr. Andors.«

      Er hatte etwas Liebenswertes an sich. So wie er mich ansah, in den Augen kann man etwas sehen, aber nicht fühlen, das ich nicht verstand, schließlich kannte ich ihn nicht.

      Nachdem er Ben auch Kaffee eingeschenkt hatte, verbeugte er sich und ging. Ich nahm einen Schluck und lehnte mich zurück. Ich nahm das Päckchen


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