Serva III. Arik Steen

Serva III - Arik Steen


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Stadt Lios,

       Marktplatz

      Die größte pravinische Stadt südlich der Wüste Gory war in heller Aufregung. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger gingen mehr oder weniger aufgeregt Richtung Marktplatz. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde verbreitet, dass ein neuer Stadtmeister einberufen werden sollte. Was seltsam klang, denn der Stadtmeister der beiden Städte Lios und Laros wurden stets durch den König östlich der Wüste einberufen und in den Süden geschickt.

      Fast die gesamte Garnison der Stadt war versammelt. Die Bürger drängten sich dicht an dicht auf den Marktplatz um die Stimme von Lelex, dem Hauptmann der Garnison, hören zu können.

      Hauptmann Lelex war bereits dabei zum Volk zu sprechen: «... es ist mittlerweile gut zehn Jahre her, seit unser König in der pravinischen Hauptstadt Malos entschieden hat, dass die alten Fürstentümer aufgelöst werden und königliche Stadtverwalter auch in unseren beiden Städten südlich der Wüste eingesetzt werden. Ein Stadtverwalter für Lios und einer für Laros. Die Steuern, die wir an unsere Hauptstadt und unseren König entrichten, sind immer mehr gestiegen. Wir haben vor gut einem Jahr eine Delegation zum König geschickt. Fürst Roloxs von Lios, ihr kanntet ihn alle und habt ihn als weisen Fürsten geschätzt, wurde dabei hingerichtet. Als Verräter. Er hinterließ seine Tochter Rhea, die bis heute trauert. Nun aber ist diese Trauer zu Ende. Sie muss zu Ende sein. Weil wir nach vorne blicken müssen. Was haben wir dem König zu verdanken? Die Nehataner marschieren in unser Land ein. Kann uns unser König schützen?»

      «Nein!», schrien einige aus dem Volk und «Nieder mit dem Patriarchat des Königs!», war aus den Reihen zu hören.

      «Ihr seht hier Feldmarschall Mixtli. Den wir gestern aus den Reihen der nehatanischen Streitmacht gefangen genommen haben!»

      Buh-Rufe erschallten aus den Reihen der Bürger.

      Lelex hob die Hand: «Schweigt! Es ist nicht so, wie es aussieht. Mixtli, ein ausgezeichneter Führer hat uns angeboten auf unserer Seite zu kämpfen ...»

      Ein Raunen ging durch die Menge.

      «... wir haben die ganze Nacht geredet. Über die Zukunft unserer Stadt. Unsere alten Fürstentümer südlich der Wüste Gory und über sein Land, das Land der Nehataner. Und wir sind zum Entschluss gekommen, dass wir ein gemeinsames Ziel haben. Feldmarschall Mixtli möchte keinen Krieg. Er möchte eine Stellung, die seinesgleichen würdig ist. Und wir haben ihm ein Angebot gemacht, ich habe ihm ein Angebot gemacht!»

      Unruhiges Gemurmel ging durch die Reihen. Keiner wusste so richtig auf was Hauptmann Lelex hinauswollte.

      «Mixtli, Feldmarschall der Nehataner, wird uns im Kampf gegen die nachrückenden Truppen unterstützen. Gegen König Atlacoya und dessen Bruder Chantico. Auch er hat die Bevormundung durch einen König satt. In dem Fall seinem König!»

      Die Bevölkerung von Lios sprach wild durcheinander. Man diskutierte darüber, was der Hauptmann vorhatte.

      «Ruhe!», herrschte Lelex und wartet ab. Dann sprach er weiter: «Ich habe ihm ein Angebot gemacht.» Er winkte von links eine Frau heran und ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen. Dann sprach er weiter: «Das hier ist Rhea. Die Tochter unseres verstorbenen Fürsten Roloxs. Sie ist bereit Mixtli zu ehelichen!»

      Die Stimmen unter den Bürgerinnen und Bürgern wurden wieder lauter.

      «Ruhe!», meinte Lelex erneut: «Es ist unsere Chance. Mixtli wird an der Seite von Rhea Fürst von Lios. Im Gegenzug hilft er uns nicht nur im Kampf gegen die nachrückenden Nehataner, sondern auch im Kampf für die Unabhängigkeit unserer beiden Fürstentümer gegen den König der Pravin. Wir werden ein neues Königreich erschaffen!»

      Die Menge war erstaunt über die Worte. Man redete durcheinander, tuschelte. Nicht alle waren Feinde des Königs. Aber ein großer Teil der Bevölkerung wünschte sich tatsächlich die beiden Fürstentümer Lios und Laros zurück.

      «Ihr traut ihm? Ihr traut einem Nehataner?», rief einer aus den vorderen Reihen.

      Lelex nicke: «Ja, das tue ich. Und wir werden ihn hier an Ort und Stelle mit Rhea vermählen.»

      «Ihr habt recht!», rief einer von den Bürgern: «Früher war alles besser. Die alten Fürstentümer würden uns guttun!»

      Und ein anderer ging auf die Feinde ein: «Wir haben keine Chance gegen die Nehataner. Sie sind zu viele. Wenn der Feldmarschall sich mit uns verbündet, wäre das ein Gewinn für uns!»

      Lelex hob die Hand: «Und genau deshalb wäre eine Vermählung mit der einzigen Erbin von Fürst Roloxs für alle ein Gewinn! Und deshalb soll es so sein. Wir werden hier an Ort und Stelle Mixtli mit Rhea vermählen. Möge es zum Wohle unseres Landes sein!»

      Mixtli war zufrieden. Er war nun Fürst des Fürstentums Lios und damit natürlich nicht mehr Feldmarschall der nehatanischen Armee. Er wusste, dass es schwer werden würde gegen die nun angreifenden Truppenteile zu bestehen. Aber Chantico hatte nicht wirklich viel Erfahrung mit militärischer Strategie und im Grunde war er ohne ihn, den ehemaligen Feldmarschall, hilflos. Doch der Bruder von König Atlacoya war zweifelsohne auch nicht dumm. Er würde nicht unüberlegt angreifen. Spätestens wenn er begreifen würde, dass Mixtli die Flagge gewechselt hatte, würde er besonnen nachdenken und sich erst einmal sammeln. Aber es würde ohnehin noch eine Weile dauern, bis Chantico Lios erreichte.

      «Was schlagt Ihr für die Verteidigung der Stadt, der Verteidigung Eurer Stadt, vor?», fragte Lelex.

      «Nun. Wir haben noch Zeit. Aber ich denke, dass Chantico die Stadt so lange wie möglich belagern wird. Er wird nicht sofort angreifen. Also würde ich vorschlagen, dass Ihr die nächsten Tage möglichst viele Vorräte hortet. Zieht in der Stadt alles zusammen was geht. Seine Taktik wird eher darauf beruhen, dass er uns aushungern und zur Aufgabe zwingen will!»

      «Seid Ihr Euch da sicher?»

      «Ja, bin ich. Wenn Ihr Chantico kennen würdet, dann würdet Ihr es verstehen. Er hat niemanden, der ihn wirklich zu einem tatsächlichen Angriff überreden kann. Und er selbst wird mehr Angst davor haben zu versagen. Also bleibt ihm vor allem die Methode einer langen Belagerung.»

      «Also gut! Ich werde die Kornspeicher füllen lassen. Auch durch die Ernten der Dörfer in der Umgebung!»

      «Das ist ein wichtiger Schritt!», meinte Mixtli.

      «Wie gefällt Euch Eure Frau?», fragte Lelex plötzlich.

      Mixtli nickte: «Gut!»

      «Gut?», fragte der Hauptmann überrascht: «Sie ist eine Augenweide, findet Ihr nicht?»

      «Ja, ist sie!», murmelte Mixtli. Sie war tatsächlich äußerst hübsch. Aber er bevorzugte nun mal etwas Anderes. Und er hatte es auch schon im Blick. Sein zukünftiges Opfer. Ein junges Pravin-Mädchen. Das seit kurzem ausgerechnet bei seiner Ehefrau angestellt war. Es war bei den Pravin durchaus üblich, dass Eltern ihre Kinder für eine Zeit zu höheren Herrschaften schickten und dafür Geld bekamen.

      «Nun!», meinte Lelex: «Ich werde dann mal Eure Männer in die Regeln unserer Armee einweisen!»

      «Tut das!», murmelte Mixtli und starrte auf das kleine Mädchen, das gerade Wasser aus einem Brunnen holte. Ja, das war es, was er begehrte. Ein hübsches, kleines Ding. Noch so unschuldig.

      4

       Stadt Lios,

       Truppenunterkunft der Nehataner

      Tlaloc hatte sich das alles anders vorgestellt. Er, der Kompaniechef einer berittenen Einheit der Nehataner, war plötzlich Söldner der Pravin. Dass er gezwungen war nun auf der Seite des Feindes zu kämpfen war ihm nicht recht. Aber was sollte er tun? Mixtli würde ihn vermutlich ansonsten einsperren lassen. Dabei war er so stolz gewesen es in der nehatanischen Armee so weit gebracht zu haben.

      Er fand es ungeheuerlich, dass sich Mixtli auf die Seite der Pravin gesellt hatte. Für Tlaloc war er ein Vaterlandsverräter. Ein Fahnenflüchtiger, der vor allem eines verdient


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