Serva III. Arik Steen
Mixtli gab ihm eine Ohrfeige. So stark, dass der Mann nach hinten stürzte: «Bevor ihr sie umbringt, foltert sie. Ich will wissen, ob es noch mehr Verräter gibt!»
5
Königspalast Hingston,
Königliche Gemächer
König Leopold hatte nur einen Wunsch. Endlich aufstehen zu können, sprechen zu können, selbst essen zu können und vor allem selbst auf die Toilette gehen zu können. Es war erniedrigend. Er war nicht in der Lage auch nur einen Finger zu rühren. Er konnte jedoch froh sein, dass die Lähmung seines Körpers bestimmte Tätigkeiten nicht einschränkte. So zum Beispiel der Schluckreflex. Sonst wäre er längst verhungert.
Für ihn war es ein Lichtblick, dass es seine eigene Tochter war, die ihm den Brei aus klein zerhacktem Fleisch und Gemüse in den Mund schob. Löffel für Löffel schob sie das Mus in seinen Rachen. Man musste vorsichtig vorgehen, denn es gab insgesamt zwei Reflexe, die dicht beieinanderlagen. Der Schluckreflex und der Würgereflex.
«Die Wahl für das Götteropfer!», meinte Katharina: »Sie steht bald bevor. Es sind nur noch wenige Tage. Ende dieser Woche ist es soweit! Und viele denken, dass ich gewinnen werde!»
«Ja, das wirst du!», dachte sich König Leopold: «Weil du die Schönste und Bezauberndste bist, die man sich vorstellen kann!»
«Ich wünsche mir so sehr, dass du wieder gesund wirst, bevor ich irgendeine Reise antreten muss!», sagte die Prinzessin weiter. In der Hoffnung, dass ihr Vater sie hörte: «Ich würde dich gerne noch einmal in den Arm nehmen. Ich möchte, dass du mich drückst!»
«Er versteht Euch!», sagte plötzlich der Arzt, der die ganze Zeit danebengestanden war: «Bei den Göttern, er versteht Euch, Prinzessin. Seht!»
«Was meint Ihr?», fragte Katharina überrascht. Aber dann sah sie es auch. Eine Träne rann an der Wange ihres Vaters entlang.
«Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist!», sagte der Medicus aufgeregt. Für ihn war es das klare Zeichen dafür, dass der König jedes Wort verstand: «Ihr wisst, königliche Hoheit, was das heißen würde? Das er jedes Wort versteht!»
„Ja, tu ich, verdammt!», dachte sich König Leopold: «Schon die ganze Zeit. Und deshalb weiß ich auch was Lord Christoph dir angetan hat. Ich kenne die Wahrheit!»
«Was soll ich tun?», fragte Katharina.
«Sprecht mit ihm weiter. Sprecht ihm Hoffnung zu. Lasst ihn wissen, dass Ihr in liebt!», meinte der Medicus: «Ich muss gehen und den Offizieren das berichten!»
«Nein!», meinte Katharina leise.
«Was?», der Arzt schaute sie verwundert an.
«Wir vertrauen niemanden!», sagte die Prinzessin: «Behaltet es für Euch, Medicus. Nicht einmal meine Mutter darf es erfahren!»
«Aber ...»
«Kein aber!», Katharina sprach nun mit gefestigter Stimme und klaren Worten: «Ihr müsst es mir schwören.»
«Tapferes Mädchen!», dachte sich König Leopold. Er war stolz auf sie. Es war die richtige Entscheidung: «Vertraue niemandem, Katharina. Niemandem. Vor allem nicht deiner Mutter!»
6
Stadt Meraton,
Hafen
«Holt die Segel ein!», rief der Kapitän des noatischen Handelsschiff laut und deutlich.
Das war sie also, die große Stadt Meraton. Herzogtum von Herzog Olaf von Meraton, dem Vater der Königin. Hedda schaute über die Reling. Sie hatte sich ihre Kapuze weit ins Gesicht gezogen, da es windig war. Außerdem regnete es. Dunkle Wolken standen auch über dem Festland.
«Warst du schon mal bei den Mani?», fragte Hedda die Noatin Ailsa.
Diese schüttelte den Kopf: «Nein. War ich nicht.»
«Aber du hast schon welche gesehen?»
«Sie sind uns Noaten ganz ähnlich. Nicht ganz so kräftig und so wild!», grinste die junge Noatin: «Aber es soll ein intelligentes Volk sein!»
«Nun ja, was ist schon intelligent ...», murmelte Hedda und hielt sich dann an der Reling fest. Das Schiff drehte bei um direkt in den Hafen einzulaufen.
«Bist du aufgeregt?», fragte die Noatin.
«Warum fragst du?»
«Nun ja, weil du vermutlich immer aufgeregt bist, wenn etwas Neues auf dich zukommt!»
«Ist das nicht verständlich?»
«Die Mutigste bist du nicht!», grinste Ailsa.
«Kann nicht jeder so sein wie du!», meinte Hedda ein wenig beleidigt.
«Tu mir einen Gefallen! Wenn dir jemand etwas zum Trinken anbietet, dann lehne ab!»
Hedda nickte: «Ja. Das werde ich.»
Das Volk der Noaten war ein geschicktes Seefahrervolk. Und das bewies der Kapitän durch sein Einlaufen in den Hafen. Präzise steuerte die Backbordseite direkt an die Anlegestelle. Das war gar nicht so einfach. Man musste Fahrt herausnehmen und im richtigen Augenblick eindrehen.
«Willkommen in Meraton!», meinte eine in etwa dreißigjährige Frau, als die Passagiere des Schiffes von Bord gingen. Sie sprach direkt Königin Varuna an.
«Ihr seid?», fragte die Königin der Ragni. Der Priester und ihr Kommandeur stellten sich neben sie. Und schließlich kam auch Sören von Bord. Der noatische Krieger, der zum Schutz von Ailsa die Reisetruppe begleitete, baute sich vor der manischen Frau auf: «Du bist Elli, richtig?»
Die Angesprochene nickte: «Und du Sören, der beste Krieger der Noaten!»
Sören grinste und schaute dann zu Königin Varuna: «Königliche Hoheit. Das ist Elli. Sie ist für die Handelsbeziehungen zwischen uns Noaten und den Mani zuständig. Eine schlitzohrige Frau, die uns oft übers Ohr hauen will!»
«Nun. Heute bin ich aus anderen Gründen hier!», meinte Elli: «Herzog Olaf ist leider nicht in der Stadt. Ich soll Euch empfangen und im Land der Mani willkommen heißen! Ihr wart noch nie in Manis, königliche Hoheit?»
Varuna schüttelte den Kopf: «Nein!»
«Ich weiß, dass Ihr enge Beziehungen zu Ludwig von Battleton haltet!», sagte Elli: «Ich dachte eigentlich, dass er mit Euch kommen würde? War er nicht in Ragnas?»
«Doch, war er», sagte die Königin: «Aber als wir aufbrachen, war er noch im Ewigen Eis unterwegs ...»
Man sah Elli an, dass sie nachfragen wollte, was er dort tat. Aber sie unterdrückte ihre Wissbegierde: «Ihr wollt morgen sicherlich schon weiter Richtung Süden?»
Sören wartete nicht ab, bis die Königin antwortete: «Das ist richtig! So früh wie möglich!»
«Gut. Ihr bekommt eine Unterkunft. Ruht euch aus von den Strapazen auf dem Meer. Aber zuvor, königliche Hoheit, stelle ich Euch Euren Führer vor. Er wird euch über die Berge bringen!» Sie ging voraus und die Königin folgte.
«Was ist mit dir?», fragte Ailsa: «Wir sind wieder auf festem Boden. Aber du machst ein Gesicht, als hättest du ein Seeungeheuer gesehen!»
«Es ist nichts!», sagte Hedda schnell und folgte dann der Gruppe. Es war der Name «Ludwig von Battleton», der ihr Erinnerungen zurückbrachte. Vielleicht sollte sie es Ailsa erzählen. Mit irgendjemand musste sie ja irgendwann einmal darüber sprechen. Die Erinnerung lag unverarbeitet in ihrem Kopf.
Es war ein kleines Haus am Rande der Stadt in einem eher ärmlichen Viertel. Königin Varuna verstand nicht so Recht, was das hier sollte. Aber Elli hatte sie direkt hierhergeführt. Sie, die Königin der Ragni, ihre beiden Begleiter, den Kommandeur und den Priester der Ragni, den Krieger Sören und nicht zuletzt die beiden Götteropfer, Hedda und Ailsa.