Junger Wilder. Urb Sinclair

Junger Wilder - Urb Sinclair


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seit längerem den Kopf darüber zerbrochen, wie er René als direkten Konkurrenten ausschalten könnte.

      Mit seiner gemeinen Clique Reto, Theodor und Steve hatten sich die vier Freunde bei ihm zu Hause schon einen Plan ausgeheckt.

      So, nun aber wieder zurück zu den beiden Freunden, die noch immer in der Stube laut diskutierend, musikhörend und kiffend in ihren Korbsesseln sassen.

      „Heute Morgen habe ich mit Jasmin zusammen deine Schwester Sarah besucht“ so Ritschi. „Sie sah nicht gut aus. Sie wirkte sehr müde und es war für uns schwierig sich mit ihr zu unterhalten.“

      Nachdenklich antwortete René: „Ja, ich weiss. Diese intensive Chemotherapie macht sie vollkommen fertig. Ich mache mir wahnsinnig grosse Sorgen um sie. Die Ärzte geben ihr fast keine Chance mehr auf eine Heilung. Weisst du, sie ist das einzige was ich neben euch beiden von meiner Familie noch habe. Ich wüsste wirklich nicht was ich machen würde, wenn sie eines Tages nicht mehr bei mir wäre. Ihr Drei seid für mich mein Rückgrat, das mich aufrecht am Leben hält. Wenn ich Sarah, Jasmin und dich nicht mehr habe, würde ich mich vollkommen einsam und verloren in dieser Welt fühlen.“

      „Hey, denke nicht so negativ!“ warf sich Ritschi in Renés Rede ein.

      „Wir sind und bleiben Freunde fürs Leben, das weisst du ja. Und das wird auch immer so bleiben. Bei unserem Schwur, den wir vor langer Zeit in unserer kleinen Räuberhöhle geleistet haben. Denn, wie meine Mutter schon immer gesagt hat: ‚Das Leben:’ du weisst ja ‚Es ist schön’.“

      „Genau! Auf unseren gemeinsamen Pakt mein treuer Bruder“, bestätigte ihm René.

      Renés Gesichtszüge hatten sich nun wesentlich aufgehellt und er fragte ihn: „Willst du auch noch einen letzten Zug?“ Er hielt ihm den fast fertig gerauchten Joint hin.

      Ritschi beugte sich vor.

      „Bamboulé! Jetzt haben wir schon fast wieder für einen grünen Schein Gras geraucht und es ist erst gut die Hälfte der Woche vorbei... Hast du eigentlich vor, heute Abend noch Mike zu besuchen?“ fragt ihn Ritschi und meinte: „Er arbeitet heute Abend an der Bar.“

      „Ja, aber ich denke erst später…“, so René, „Zuerst muss ich noch bei Robert vorbei schauen. Er befestigt mir einen neuen Auspuff an mein Motorrad. Dieses heisse, verchromte Teil da, das neben der Wohnungstüre am Regal steht.“ René wies kurz mit dem Finger auf das glänzende Rohr und sprach: „Sagen wir so auf elf Uhr in der Canterbury-Bar?“

      „Okay, das geht für mich klar.“ Ritschi drückte den fertig gerauchten Joint im Aschenbecher aus und stand ruckartig auf und sprach: „So, ich muss nun los. Ich habe ein paar Sachen einzukaufen und ich habe zudem Jasmin versprochen beim transportieren eines Kleiderschrankes zu helfen, den sie von einer Bekannten übernehmen kann.“

      Ritschi ging zur Küche und schaute dort in den Kühlschrank. „Ich nehme mir noch schnell ein Glas Milch, ja?“

      „Bediene dich, mein Bruder!“ tönte Renés knappe Antwort aus der Stube.

      Ritschi goss sich ein Glas voll Milch ein, kippte es gierig in sich hinunter und verabschiedete sich von René mit einem kurzen: „Peace, Mann.“

      Es blies ein angenehm warmer Wind in dieser Spätsommernacht vom See her durch die Limmatstadt. René Wilder spazierte mit Bluejeans und schwarzem Kapuzenshirt bekleidet den Limmatquai entlang.

      Unter den orange- gelblich leuchtenden Strassenlaternen wirkt für ihn die Umgebung ganz anders als Tags über. Da wo sonst tausende von Menschen dem Quai entlang gehen, waren es um diese Zeit nur noch wenige denen er auf dem Gehsteig begegnete.

      Die Lichter der gegenüberliegenden Uferseite spiegelten sich in der Limmat. Sie tanzten fröhlich ihren stummen, unaufhörlichen Tanz auf dem tief schwarzen Wasser das im trägen Tempo Richtung Westen davon fliesst.

      René war verspätet unterwegs.

      Er begegnete im Treppenhaus noch seinem Nachbarn, der in der Wohnung unter ihm wohnte. Die gute, einsame Seele Armin Sigg, ein zunehmend verwahrloster Alkoholiker, den man meistens unfrisiert und unrasiert in löchrigen Trainerhosen sowie schmutzigen, ausgetragenen Trägerleibchen im Treppenhaus antrifft.

      Leicht angetrunken war er an diesem späten Abend wieder mal besonders redselig. Das Gespräch drehte sich um Siddhartha, die Katze von René.

      Armin, der selbst auch eine Katze hat, hütete ‚Sidi’ des Öfteren, wenn René nicht zu Hause war. Siddhartha benützte dann das Katzentürchen von Sansibar, Armins unglaublich dicken, getigerten Kater.

      Die Canterbury-Bar liegt in einer Seitengasse zum Limmatquai. René bog in die schmale Gasse ab. Vor der kleinen Bar, an dessen Vorderseite beidseits der Glastüren eine Fensterfront eingebaut wurde, verweilte er einen kurzen Moment.

      Durch die Scheiben sah er Ritschi stehend an der Theke der Bar mit ihrem langjährigen Freund Mike reden. Das kleine Lokal war nur spärlich mit Gästen besetzt.

      Erst als René durch die Glastüren herein kam, merkte er, dass Ritschi lautstark mit zwei jungen Männern und Mike, dem Barkeeper, in eine Diskussion verwickelt war.

      René ging unbeirrt zu ihm hin und legte freundschaftlich den Arm um seine Schultern. Von Mike, den sie schon aus der Internatszeit her kannten, liess er sich ein Bier einschenken.

      Einer der jungen Männer, sagte von seinem Platz am kleinen Tisch aus und so laut, dass es alle Anwesenden hören konnten auf Hochdeutsch: „Ich hab’ ja nix gegen die Juden. Was mich an der Situation stört ist nur, dass sie mit ihrem vielen Geld nachts die Transitstrasse durch die Stadt einfach sperren lassen können, nur damit sie ihre Ruhe haben. Meiner Meinung nach, hätten die Bewohner von Alt-Wiedikon einfach ein ruhigeres Stadtviertel aussuchen sollen, als an dieser Durchgangsstrasse. Ob jetzt Jude oder nicht tut dabei nichts zur Sache.“

      „Ahh, das hatte aber anfänglich ganz anders geklungen, als jetzt gleich. Zuvor, als ich noch nicht gesagt habe, dass ich halb jüdisch bin!“ gab Ritschi zur Antwort und war dabei kaum mehr zu bremsen.

      „Weisst du, mit solchen Typen wie dir lohnt es sich für mich gar nicht erst zu diskutieren!“ und zu René im flüsterndem Tonfall: „Hey, machen wir einen Abgang von hier. Um diese beiden deutschen Yuppies bekomme ich fast keine Luft mehr.“

      „Ja“, so René, „aber lass mich noch schnell mein Bier kippen und kurz auf das Klo muss ich danach auch noch gehen.“

      „Gut“, flüsterte Ritschi ihm leise ins Ohr, „ich warte draussen in der Rosengasse auf dich.“

      Als sich René auf die Toilette begab, sah er aus dem Augenwinkel, bevor er die Türe zu den Toiletten öffnete, wie der eine sich von seinem Stuhl erhob. René dachte sich nichts dabei und erledigte sein Geschäft am Pissoir.

      Er bemerkte, wie die weissen Flügeltüren der Toiletten geöffnet wurden und einer von den beiden jungen Männern zur Türe herein kam. Im vorübergehen gab er René, der immer noch am Pissoir stand, einen kräftigen Stoss in den Rücken. René ahnte es bereits auf eine Weise und handelte intuitiv.

      Er fing sich an der Wand geschickt auf. Dann drehte er sich blitzschnell um die eigene Achse, packte den Mann hinten am Kragen und stiess den verblüfften Täter an dem Pissoir vorbei, in die hinten angebrachte, freie Toilette. Mit einem lauten Knall flog die angelehnte Toilettentüre auf. Der junge Mann stürzte neben der Kloschüssel unsanft zu Boden und blieb da regungslos liegen.

      Im vorbeigehen an der Bar entschuldigte sich René bei Mike für das schlechte Benehmen von Ritschi.

      „Hey“, meinte René, „ich hoffe, du bist uns nicht böse wegen den Unannehmlichkeiten.“ Und mit einem Augenzwinkern sagte er zu ihm noch leise: „Ach ja übrigens, auf dem Boden der Toilette hat es gehörig viel Dreck liegen. Vielleicht wäre es gut, wenn du da mal nachschauen könntest.“

      René bezahlte seelenruhig das Bier und verabschiedete sich von seinem langjährigen Freund: „Okay, Ich wünsche dir trotz allem


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