Der Bund der Katzenfrauen. D. Bess Unger

Der Bund der Katzenfrauen - D. Bess Unger


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geformt war, passierten das Gate und fuhren auf einen Parkplatz.

      Neben einem dunkelgrünen Jeep lehnte ein Heranwachsender. Die Khaki-Uniform wirkte an ihm wie eine Verkleidung. Die Schuhe sahen aus, als wären sie noch nie mit Schmutz in Berührung gekommen. Die kurzen Hosen zeigten perfekte Bügelfalten, sein Hemd war frisch gestärkt, aus der Brusttasche lugte ein Smartphone, auf der Nase saß eine randlose Brille. Er schien eine Akte zu bearbeiteten, temperamentvoll fuhr er mit einem Stift darin herum.

      ›Unzweideutig der angehende Manager des Kruger National Parks oder ein Assistent‹, fuhr es Lena durch den Kopf. ›Der perfekte Beamte.‹ Von der Morgenkälte steif geworden, kletterte sie aus dem Wagen.

      Der Junge klappte den Ordner zu, schob die Mine des Kulis zurück und verwahrte ihn in der Brusttasche. Strahlend ging er auf Innocent zu und Lena sah fasziniert der gegenseitigen Begrüßung der beiden Zulus zu. »Sawubona«, sagte der höhergestellte Innocent und bekam als Antwort »jeebo, saubon« zurück. Beide drückten sich die Hand, dann umgriffen sie den jeweils anderen Daumen, traten wieder zurück und wiederholten den Handschlag dreimal.

      »Lena komm her, ich möchte dir Ossy Osborn vorstellen«, rief Innocent. »Ein ehemaliger Schutzbefohlener von mir, aus dem Waisenhaus in Hazyview. Zurzeit macht er eine Ausbildung zum Trail Ranger.« Unverhohlener Stolz schwang in seiner Stimme.

      Lena schüttelte die dargebotene Hand und versuchte das Begrüßungsritual nachzumachen. »Trail Ranger?«, fragte sie ratlos. »Was macht ein Ranger?«

      »Das erfährst du noch bald genug«, unterbrach Innocent. »Lena, du wirst in den nächsten Tagen den Park auf eine Art erleben, wie es Touristen normalerweise nicht erlaubt ist«, schmunzelte er. »Ich wünsche dir viel Spaß bei den Wildtieren und dir Ossy, viel Erfolg für die Prüfung!» Er wandte sich seinem Auto zu. »Good bye, ihr Beiden!«

      »Moment mal, was soll das heißen?«, fragte Lena leicht verstört, »Ich bin keine Ware, die man mir nichts dir nichts weiterreicht!«

      Amüsiert nahm Innocent ihre empörten Blicke zur Kenntnis. »Versteh doch, ich muss mich um mein Waisenhaus in Hazyview kümmern«, erklärte er. »In drei Tagen hole ich dich im Camp Letaba ab.«

      Perplex schaute Lena zu, wie Innocent sich hinter sein Steuer klemmte und davonfuhr. ›Wie kann er es wagen, mich mit dem Burschen mutterseelenallein zu lassen? In einem Land, in dem täglich Frauen geschlagen, vergewaltigt und ermordet werden!‹ Bisher hatte sie Innocent für einen netten Kerl gehalten, aber das ging ihr doch über die Hutschnur. Sollte sie ihren Vater anrufen und ihm sagen, was sich sein Freund da erlaubt hatte?

      In gemächlichem Tempo schob Lena ihre Sonnenbrille auf ihre Haare und blickte Ossy direkt in die Augen. Sein schwarzes Gesicht lächelte sie aus einer grünflammenden Aura heraus an. Die Farbe stand für das Leben, aber auch für Ehrgeiz. Die Bilder, die in sie einströmten, zeigten nichts Beunruhigendes und hastig schob sie ihre Brille auf die Nase zurück. Sie wollte nicht zu massiv in die Gefühlswelt des Jungen einzudringen. Nein, von dem drohte ihr keine Gefahr und als Ossy sie gutgelaunt anlächelte, war die Vorstellung, die nächsten drei Tage mit ihm zu verbringen, rundherum nicht erschreckend.

      »So, du willst Trail Ranger werden«, sagte Lena, um die Konversation zu beginnen.

      »Ich versuche es zumindest«, erwiderte Ossy, »aber Touristen auf Trampelpfaden durch den Park zu führen, nein, das ist nicht mein Ding. Ich bin eher ein Büromensch und will in der Verwaltung als Park Manager arbeiten. Trotz alledem möchte ich mitbekommen, was in der Praxis abläuft.«

      »Wow, Park Manager. Was treibt der?«

      »Kennst du den Namen Great Limpopo Transfrontier Nationalpark?«, fragte Ossy.

      Lena schüttelte den Kopf.

      »Wir sind hier in einem Dreiländereck. Zimbabwe und Mozambique grenzen hier an Südafrika«, erklärte Ossy. »Kannst du dir das auf der Landkarte vorstellen?«

      »Klar, ich es deutlich vor meinen Augen«, schwindelte Lena.

      »Im Grenzgebiet lebt eine Tierwelt, die auf der Erde ihresgleichen sucht«, dozierte Ossy. »Zwischen den Ländern wurde beschlossen, den nördlichen Teil des Kruger National Park in Südafrika, den Gonarezhou Nationalpark in Zimbabwe und den Limpopo Nationalpark in Mozambique zum größten Naturschutzgebiet Afrikas zu vereinen.«

      »Ah, ich verstehe. Für diesen riesenhaften Park braucht man viele Bürohengste und du willst einer von ihnen werden?«

      »Bürohengste? Was meinst du damit?«, fragte er verständnislos.

      »Na, Verwaltungsangestellte«, verbesserte sich Lena.

      »Bingo!«, rief Ossy. »Freilich nicht irgendeiner, sondern einer der höheren!«

      »Klar«, sagte Lena und wandte sich ab, um ihr Grinsen zu verbergen. Ihr Blick fiel auf den hinteren Teil des Jeeps. Dort gab es keinerlei Türen. War das nicht gefährlich?

      Ossy bemerkte ihren kritischen Blick. »Keine bange, das haben wir gleich«, sagte er und hängte links und rechts stabil aussehende Stahltüren ein. »Perfekt, der Rammschutz ist installiert, die Büffel und Nashörner können kommen!«

      Lena setzte sich auf den Beifahrersitz und warf die Tür zu. Beim Zuschlagen schepperte es blechern. Sie machte sich einen Kopf, ob es auf der Rückbank nicht unbedenklicher sei, wollte sich Ossy gegenüber aber keine Blöße geben. Der Wind zog unangenehm durch den Wagen. Sie band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Kinn empor.

      »Wir fahren jetzt mit Umwegen über die Crocodile Bridge zum Lower Sabie Camp«, erklärte Ossy. »Dort machen wir eine Pause. Bis dahin werden wir schon viele Tiere sehen. Wenn es perfekt läuft, unsere Big Five«, setzte er zuversichtlich hinzu.

      »Big Five? Was meinst du damit?«

      »Löwe, Leopard, Elefant, Büffel und Nashorn«, erklärte er. »Erwartungsgemäß gibt es hier viel mehr Tierarten. Wirf mal ein Blick da hinein.« Aus dem Handschuhfach zog er ein Buch heraus und gab es ihr.

      Lena nahm es in die Hand und blätterte darin herum. Verhaltungsmaßregeln, Landkarten, Tabellen, Tier- und Landschaftsbeschreibungen fanden sich. Die Mehrzahl der Seiten war mit farbigen Bildern von den Tieren übersät, die hier lebten. ›Schön, muss ich mir kaufen‹, dachte sie und wollte es zurückgeben.

      Ossy, der ihre Gedanken erraten hatte, lächelte zu ihr hin. »Du kannst es behalten«, sagte er. »Ein Geschenk von Innocent!«

      »Danke.« ›Hat wohl ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er mich so schmählich abgeschoben hat‹, registrierte Lena befriedigt. »Wie lange dauert deine Ausbildung noch?«, fragte sie. »Du siehst so jugendlich aus.« Auf irgendeine Art hatte sie leichte Bedenken von einem Grünschnabel, der sich persönlich als Büromensch eingestufte, durch einen Park mit gefährlichen Tieren kutschiert zu werden.

      »Danke für das Kompliment.« Er grinste geschmeichelt, von ihren Bedenken ahnte er nichts. »Morgen und übermorgen sind die praktischen Abschlussprüfungen!«

      ›Ein Glück‹, dachte Lena erleichtert, ›da muss er schon Erfahrungen gesammelt haben. »Was mache ich in der Zwischenzeit, wenn du deine Prüfung hast?«

      Ossy blickte sie erstaunt an. »Hat Innocent dir das nicht erklärt? Er hat den Game Ranger gefragt, ob ich jemanden mitbringen darf. Der Chef war sofort einverstanden, er braucht einen Helfer für die Prüfung. Der muss den unbedarften Touristen spielen, verstehst du? Im Wildpark verloren gehen, von einer Hyäne gebissen werden, über einen Löwen stolpern. So Sachen halt. Wir Prüflinge müssen zeigen, wie man mit solchen Katastrophen umgeht.«

      ›Du Scherzkeks‹, dachte Lena, ›Du denkst, du kannst mich mit deinen blöden Sprüchen ins Bockshorn jagen.‹ »Okey-dokey, ausgezeichneter Witz, Ossy«, lachte sie und blickte ihn von der Seite an. Er starrte stur auf die Straße. ›Der hat sich perfekt im Griff, verzieht bei seinen Späßen keine Miene‹, befand sie.

      Lena war vom Kruger National Park


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