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ich ihm ebenfalls eventuelle Geheimnisse«, hatte Lena sie abgefertigt. »Darüber hinaus, ich vermiss nichts, er ist ein wunderbarer Liebhaber. Das genügt mir.«

      »Wenn Titos fremdginge, dem würde ich die Augen auskratzen, und der Schlampe gleich mit«, war Kaljas Antwort gewesen.

      Fluchend drängte Yannis sich in den Flur und stellte die schwere Kiste ab. »Sauwetter, blödes«, schimpfte er in passenden Gebärden. Er kannte Kalja seit Kindesbeinen, die Gebärdensprache war ihm geläufig. »Erst finde ich vor Nebel kaum den Weg zu euch und jetzt regnet es noch wie aus Kübeln!« Er schüttelte sich die Regentropfen aus den Haaren.

      »Setz dich zu mir in die Küche, ich frühstücke.« Die Muskulatur ihrer Hände verkrampfte sich leicht bei ihren Gebärden. »Trink einen warmen Tee.«

      Kalja lief ins Bad, holte ein Handtuch und rubbelte ihm die Haare trocken. ›Alle Mädchen würden mich jetzt beneiden‹, dachte sie. ›Je erwachsener Yannis wird, desto anziehender erscheint der Bursche.‹ »Damit du dich nicht erkältest«, zeigte sie und deutete auf sich. »So wie ich!«

      »Du bist nicht auf der Höhe! Geh bei dem Mistwetter nicht aus dem Haus und kuriere dich aus.« Er schaute sie an, sein Blick wirkte besorgt.

      »Vor Minuten habe ich an Lena gedacht«, lenkte sie von sich ab. »In Südafrika schwitzt sie sich jetzt zu Tode.«

      »Sie hat mir gesimst, aus Johannesburg«, zeigte er. »Du wirst es nicht glauben, das Wetter ist dort ähnlich mies wie hier.«

      Zaudernd nippte er am Tee, Kalja fürchtete schon, er würde aufstehen, um sich zu verabschieden. Sie brauchte jetzt eine Prise Aufmunterung. Erleichtert registrierte sie, wie er nach einem Brötchen griff und es dick mit Aprikosenmarmelade bestrich. Irgendetwas schien er noch auf dem Herzen zu haben.

      »Ist was? Du schaust so bedröppelt aus der Wäsche?«

      »Nicht ohne Grund! Heute Morgen kam eine erstaunliche Frau in unseren Laden«, begann er, »Gute Figur. Trug zu einer samtgrünen Bluse einen hyazinthblauen Rock. Das rotleuchtende Haar fiel ihr bis zur Höhe der Hüften herunter. Hatte mandelförmige Augen mit fein geschwungenen Brauen, samtweiche Lippen, ein jugendliches Gesicht. Die Haut ohne jeden Makel.« Fragend blickte Yannis sein Gegenüber an. Waren seine Kenntnisse in der Gebärdensprache geeignet genug gewesen, die kniffligen Beschreibungen rüberzubringen?

      Kalja nickte. Ein bisschen bemitleidete sie ihre Freundin, sich auf einen Partner eingelassen zu haben, der ein weibliches Wesen mit solchen Worten beschreiben konnte. Sie bezweifelte, ob ihr Freund nach einer kurzen Begegnung mit einer Frau, sich über die Farbe ihrer Kleider hätte auslassen können. Geschweige von mandelförmigen Augen, samtweichen Lippen oder fein geschwungenen Brauen zu reden. »War eine sandfarbene Katze in ihrer Begleitung?«, fragte sie. »Diese Höhe etwa?« Sie deutete eine Länge von sechzig Zentimeter an.

      »Genau«, wunderte sich Yannis. »Kennst du die Frau etwa?«

      »Klar doch. Sie heißt Selina. Lena und ich sind ihr vor drei Jahren in Volos begegnet«, zeigte sie. »Sie ist eine Romni. Lena hat mich weggeschickt und ist zu ihr in den Wohnwagen gestiegen. Was die Beiden dort gesprochen haben, hat sie mir nie erzählt.« Sie legte ihre Hände in den Schoß und senkte den Blick. Schlagartig fühlte sie sich, müde, obwohl es erst auf Mittag zuging.

      Yannis schien ihre Erschöpfung zu ahnen. Er warf ihr einen erschrockenen Blick zu. Sanft legte er eine Hand auf ihren Arm. »Kalja, du solltest dich ins Bett legen«, bedeutete er ihr. »Soll ich nicht besser deinen Vater anrufen?«

      »Nein, was denkst du! Heute am Freitag hat er viele Patienten.« Man sah, wie sie sich einen Ruck gab. »Was wollte Selina von dir? Obst kaufen?«

      »Das auch« winkte er ungeduldig ab. »Stell dir vor, sie hat mir eine Botschaft für Lena gegeben!«

      Mit erstaunten Augen blickte Kalja ihn an. »Wieso kam sie zu dir? Sie kennt dich überhaupt nicht!«

      »Eben. Aber das hab ich mich erst gefragt, als sie schon weg war.«

      »Was hat sie gesagt?«

      »Überkandideltes Zeug. ’Schick den Zettel sofort deiner Freundin, für zwei Menschen bedeutet er Leben.’ Was soll das?« Er kratzte sich am Kopf, kramte in seinen Taschen herum und zog einen zerknitterten Zettel heraus. »Kannst du dir einen Reim darauf machen? Für mich steht da nur wirres Zeug!«

      GEFÄHRTINNEN!

      DIE SPHINX WIRD IMMER BÖSARTIGER,

      JE LÄNGER IHR WARTET!

      DURCHTRENNT DIE NABELSCHNUR

      MIT DEM SCHWARZEN MESSER AUS EBENHOLZ!

      ACHTET AUF DAS PORTAL!

      RUFT MICH, WENN IHR MICH BRAUCHT!

      »Ich weiß nicht«, überlegte Kalja, »Lena hat hie und da ein Hang zum Übersinnlichen. Am besten schreibst du auf die Rückseite, was Selina dir gesagt hat.« Sie schob den Zettel zurück. »Mit dem nächsten Brief schicke ich den Wisch an Lena, sie wird wissen, was das bedeutet.«

      »Okay, tu das. Ich mach mich wieder auf den Weg. Muss noch eine Lieferung in Zagora zustellen.« Er umarmte sie und fühlte, dass sie heiß war. »Du hast Fieber, leg dich ins Bett. Versprich mir das!«, drängte er.

      Sie nickte, strich ihm über das noch feuchte Haar und schob ihn hinaus in den trüben Novembertag. Mühselig schleppte sie sich die Treppe empor und legte sich auf ihr Bett.

      Unbeachtet blieb Selinas Botschaft auf dem Küchentisch liegen.

      4. Im Kruger National Park

      Um 5 Uhr 10 donnerte es an Lenas Tür. »Good morning! Beeilung, in dreißig Minuten ist Abfahrt!«

      Lena schreckte auf. Stimmt, heute sollte es für drei Tage in den Kruger National Park gehen, und zwar ohne ihre Eltern, die wollten sich stattdessen in der Lodge entspannen. ›Wieso brüllt Innocent schon so frühzeitig herum? Da ist noch massig viel Zeit.‹ Gehorsam öffnete sie das glockenförmige Moskito-Netz, unter dem sie geschlafen hatte, stieg aus dem Bett und schleppte sich schlaftrunken zur Dusche.

      Draußen war es dämmrig, die Vögel machten einen Höllenlärm. Der Gecko, der gestern Abend in Lenas Schlafzimmer an der Decke gehangen hatte, klebte jetzt mit seinen dicken Zehen kopfüber direkt vor ihren Augen an einer Fliese der Duschwand. Vorwitzig beäugte er die nackte Lena. »Hier gibt's nichts zu glotzen, schieb ab«, fuhr sie ihn an. «Fang gescheiter die Mücken im Schlafzimmer!«

      Nach einem kurzen Frühstück im Stehen saßen sie im Auto und brausten vierzig Kilometer nordwärts zum Paul Kruger Gate.

      »Wie vertreiben wir uns geschlagene drei Tage lang die Zeit?«, fragte Lena fröstelnd. Sie kuschelte sich in ihre warme Jacke und gähnte. »So ausgedehnt ist der Park doch nicht, oder?«

      Innocent schmunzelte. »Na, 12 000 Quadratkilometer sind eine Menge Holz. Lass dich überraschen, langweilig wird es dir nicht werden. Ich habe für dich eine Reihe von Besonderheiten arrangiert.« Mehr wollte er nicht verraten, obwohl Lena ihn mit Fragen löcherte.

      Sie fuhren auf einer einsamen Straße durch eine karge Landschaft.

      »Gleich sind wir da«, tröstete Innocent. »Da vorne ist schon die Brücke über den Sabie River, dann kannst du das Tor und die Statue von Paul Kruger sehen.« Unvermittelt trat er auf die Bremse und blieb mitten auf der Straße stehen.

      »Du lieber Himmel! Da vorne!« Aufgeregt deutete er auf die Fahrbahn der vor ihnen liegende Brücke. »Sagenhaft.«

      Lena stieß einen erschreckten Laut aus. Mitten auf der Brücke liefen zwei Löwinnen, gefolgt von drei Jungen. Als die Tiere die Brücke überquert hatten, wandten sie sich nach rechts, stiegen die Flussböschung hinunter und verschwanden in den Büschen.

      »Normalerweise lasse ich meine Passagiere zu Fuß über die Brücke gehen«, sagte Innocent leicht beklommen. »Wäre heute keine glückliche Idee gewesen, was?«

      »Prima


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