Eternumity. Stephan Schöneberg

Eternumity - Stephan Schöneberg


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war schwer und die ersten Kunden nicht so einfach zu gewinnen. Es war dem gebürtigen Finnen von Anfang an klar, dass er Geduld und Gelassenheit brauchte. Eine Eigenschaft, die den Bewohnern der Nordländer von Kindheit anerzogen ist und die ihm in den ersten Jahren zusätzlich zu der Abfindung half, nicht den Mut zu verlieren.

      Erst als seine ursprünglichen und eigentlichen Auftraggeber gestorben waren, kam seine Zeit. Mitunter erst Jahre nach ihrem Tod führte er den ursprünglichen Auftrag aus, denn sie hatten ihn mit etwas beauftragt, was ihnen unheimlich wichtig war: Liebe!

      Lange hatte Sami an dem Konzept gefeilt und es benötigte viel Überzeugungsarbeit, um den einen oder anderen Verwandten zu überreden, das 'Produkt' zu testen. Aber erst der lose hergestellte Kontakt eines Ex-Mitarbeiters von SoftyTec4Ever zu einem bekannten Popstar brachte sein Geschäft so richtig ins Rollen.

      Leider war dieser Popstar erkrankt: Krebs im Endstadium. Es war abzusehen, dass er nur noch wenige Monate zu leben hatte. Zu gern hätte er seiner Tochter Alicia noch zum achtzehnten Geburtstag gratuliert und vielleicht auch die Hochzeit von ihr erlebt. Zu dumm, dass seine Tochter gerade einmal 15 Jahre alt war und sie, bezüglich dem männlichen Geschlecht, eher ein Spätzünder war. So viel Geduld und Zeit hatte der Popstar nicht, um seiner Tochter zu all dem zu gratulieren.

      Aber, darauf war 'After Life' spezialisiert. Samis Firma sorgte dafür, dass die Hinterbliebenen ihre persönliche Gratulation bekamen! Garantiert unerwartet und garantiert ausgefallen, egal wann, egal wo, egal wie!

      Mit dem Medienbericht, der auf seine Aktion folgte, bekam Sami die 'Publicity' die 'After Life' zum Durchbruch verhelfen sollte. Sicher, es war nicht der erste erfolgreich durchgeführte Auftrag, aber der bis dahin mit Abstand größte, aufwendigste und, um es mit den Worten seiner Gattin zu sagen: „Der Bescheuertste!“

      Das persönliche Konzert für die eigene Tochter und alle ihre Freunde und deren Freunde im angemieteten Fußballstadion inklusive Gastauftritten von mindestens zwei zusätzlichen Popstars, die ihr wohl gefallen würden, war schon ein Brett von einem Auftrag. Es wurde zwar mehr eine 'Heavy Metal Party' aber das tat dem Erfolg keinen Abbruch. Der Stimmmodulator funktionierte und die Digitalisierung des Kopfes inklusive Alterung des ursprünglichen Popstars war wirklich gelungen. So gelungen, dass Sami sich fortan um Werbung und Aufträge deutlich weniger Gedanken machen musste.

      Im Paket enthalten war übrigens nicht nur dieses einmalige Event. Von diesem Tag an passierte an jedem Geburtstag in Alicias Leben irgendetwas Anderes. Einmal war es die Kreuzfahrt mit personalisiertem Theaterstück speziell auf Alicia zugeschnitten, inklusive anschließender Lesung der „wirklich letzten Worte an meine Tochter“. Ein anderes Mal war es nur ein Buch mit einer eigens geschriebenen Geschichte und ein wenig „Kleingeld“. Dies alles wurde in der 'Vergangenheit' mit dem damals noch lebendem echten Menschen aufgezeichnet, oder zumindest geplant, damit es in der 'Zukunft' zünden konnte.

      Lediglich die Hochzeit war, so wie ursprünglich gedacht, leider nicht durchführbar. So weit war die Robotik noch nicht, als das die Tochter vom eigenen Vater zum Altar geführt werden konnte. Dafür wurde neben diversen anderen verrückten Ideen das eigens aufgenommene Trauungslied mit der Stimme und dem Stück des nun schon jahrelang Verstorbenen gespielt, was auch ein großer Erfolg war.

      Die Medien waren damit nicht hundert Prozent zufrieden, denn man hatte schon etwas 'Unglaubliches' von After Life erwartet. Dafür wurde das medial gehypte Hochzeitslied ein Nummer Eins Hit und refinanzierte - wie vertraglich vorher festgelegt - zusätzlich den ursprünglichen Auftrag.

      Verschwiegenheit war oberstes Gebot seiner Firma. Niemand außerhalb der Firmenmauern hatte auch nur den Hauch einer Ahnung, was verschenkt, gewidmet oder sonst wie mit irgendwem gemacht wurde. Natürlich waren auch die Auftraggeber niemandem bekannt. Die Firma After Life trat nur sehr bescheiden auf. Sami Hietala hatte schon zu seinen SoftyTec4Ever - Zeiten bewiesen, dass er warten konnte und sich nicht zu sehr in den Vordergrund spielen musste.

      Am hinteren Ende seines überaus bewegten Berufslebens, dass sich langsam dem Ende zuneigte, hatte Sami Hietala aus dem Nichts ein überaus erfolgreiches und kreatives Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern erschaffen. Seine beiden Söhne waren ebenfalls glücklich im Unternehmen untergebracht, wobei der jüngere, Malte, soeben ein Studium eingeschoben hatte. Er konnte sich jetzt eigentlich in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen und irgendwann, hoffentlich nicht allzu früh, sterben. Schade, dass er die verblüfften Gesichter seiner Kinder später nicht mehr erleben konnte. Natürlich hatte er die eine oder andere Episode in Ihrem Leben mit der einen oder anderen Überraschung geplant.

      Aber dafür hatte er genug andere vor Glück weinende Menschen gesehen, denen er mit seinen Ideen und der Hilfe der nun verstorbenen Verwandten, unvergessliche Momente geschenkt hatte.

      Jedoch ... jede Glückssträhne hat einmal ein Ende. Ein einziger Anruf und die darauffolgende Begegnung veränderten die Spielregeln für ihn und 'After Life' grundlegend. Der Anrufer hieß nur schlicht 'Samantha'. Sie lud ihn persönlich ein, eine andere noch sehr viel größere Firma kennen zu lernen. Komisch war, dass er von der Firma noch nie gehört hatte. Keine Suchmaschine spuckte sehr viel Informationen über sie aus und über Samantha erst recht nicht. Eigentlich wollte er am nächsten Tag schon dankend die Kontaktanfrage ablehnen. Jedoch … wer lehnt schon einen Privatflug erster Klasse, verbunden mit einer Übernachtung im New Yorker Hilton in der Präsidentensuite und 5-Gänge-Abenddinner, ab?

      Nicht, dass er sich dies nicht auch hätte erlauben können ... Er rief am nächsten Morgen bei der Fluglinie an, danach im Hotel. Alles war im Voraus bezahlt und schon auf seinen Namen gebucht - übrigens war die schon vor sechs Monaten geschehen. Das war der erste Tag wo eine Buchung der Präsidentensuite zu diesem nächstmöglichen Termin überhaupt wieder möglich war. Seine eigenen Termine am nächsten Tag mit seinen Geschäftspartnern waren ebenfalls verschoben worden. Selbst für seine Verhältnisse war dieses Geschäftsgebaren ein wenig, nunja, 'Spooky.' Vielleicht wollte man ihn entführen? Schließlich war er schon recht wohlhabend. Aber, dies hätte man auch einfacher haben können; zudem auch, indem man weniger Spuren hinterlassen hätte. Nein, niemand macht so einen Riesenaufriss, nur um jemand zu entführen. Da steckte sicher mehr dahinter. Allerdings hatte ihm Samantha klar gemacht, dass es, wenn er einmal zugesagt hätte, 'kein Zurück' geben würde. Er war nicht der erste, dem ein solches Angebot gemacht werden würde, hatte sie ihm erzählt. Zudem möge er es ihr bitte verzeihen, dass sie nicht viel mehr Details nennen dürfe. Es war unbedingt wichtig, dass er freiwillig zusagen würde und dass davon nichts an die Öffentlichkeit gelangen dürfe.

      Tja, die Tatsache, dass er kaum etwas über die Firma in Erfahrung brachte, schien die Aussage zu untermauern, dass sich diejenigen, denen das Angebot zuvor unterbreitet wurde, an diese Abmachung hielten.

      So saß er ein paar Tage später im Flieger nach New York und traf am gleichen Abend Samantha. Ein atemberaubend schön aussehendes noch recht junges Topmodel. Zumindest sah sie so aus, vielleicht war sie auch älter. Niemand in diesem Alter spricht so akzentuiert und drückt sich so genau aus. Aber, sie konnte biologisch eigentlich nicht älter sein. Und dann diese Kleidung. Er hatte in seinem Leben noch nie jemand gesehen, der so perfekt gekleidet war. Und dieser Schmuck! Da war dieser schöne Diamant am Ende der Kette. Wie sagt man so schön: „Ein Diamant ist unvergänglich“. Das war in der Tat in diesem Vergleich sehr zutreffend.

      An diesem Abend erfuhr er mehr über viele weitere Dinge, mehr unvorstellbare Dinge als er sich in seinen Träumen vorzustellen gewagt hatte. Die Frau sah einfach atemberaubend aus.

      Aber in Wahrheit steckte hinter dieser hübschen Fassade ein messerscharfer Verstand, geschult und trainiert darin, einen Menschen in wenigen Minuten komplett zu analysieren, einzuschätzen und um den Finger zu wickeln. Er ahnte dies sehr wohl, wusste aber zu diesem Zeitpunkt nicht, wie er sich dagegen wehren konnte. Wie war es ihr möglich in einer derartigen Geschwindigkeit seine Antworten zu analysieren, auszuwerten und danach genau die unangenehmen Fragen zu stellen, die ihn bloßstellen konnten, aber es dann - vielleicht aus Höflichkeit und Respekt - doch nicht taten. Sie schien seine Antworten schon zu wissen, bevor er sie kannte. Wenn schon die Einladung 'spooky' war, was war dann dieser Abend? Dieser Teufel war tatsächlich vollkommen. Konnte ein Mensch überhaupt so perfekt aussehen und sich dabei so verhalten?


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