Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea

Der Ruf aus Kanada - Rudolf Obrea


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„Hallo und Guten Tag! Prima, dass sie gekommen sind.“ „Guten Tag Herr Fahrenholz! Ich hatte schon die Befürchtung, bei der falschen Bootsvermietung zu sein.“ Während sie zum Boot gingen, klärte er sie auf. „Wie hier üblich, kennt mich Paul nur mit meinem Vornamen und sollte Gäste natürlich freundlicher begrüßen.“ Er erinnert mich an meine Nachbarn in Wedel“ gab sie unwirsch zurück. „Dafür kann ich sie entschädigen, weil ich mit Pauls Hilfe immer ein gutes Boot bekomme. Außerdem bin ich wirklich der Sven.“ Er lachte jetzt wieder . „Und ich bevorzuge Sabine, die die Frau Weber gerne vergessen würde.“ Von ihrer ungezwungenen, offenen Art erneut überrascht, verkündete er voller Stolz: „ Willkommen an Bord Sabine“, und half ihr beim Übersteigen auf das Boot.

      Neugierig beobachtete sie, wie er gekonnt vom Steg ablegte, das Großsegel vom Wind erfasst wurde und das Boot langsam Fahrt aufnahm. Abgesehen von dem notwendigen Ausweichen anderer Boote wollte er die Außenalster in Längsrichtung mit einem Minimum an Manövern durchqueren. Dafür wählte er den Kurs „Halber Wind“ und konnte auf diese Weise die Großschot so belegen, dass der Baum des Großsegels seitlich ausschwenkte und ihnen einen ungehinderten Platz auf dem Boot freigab. Hinterm Heck sahen sie über der Wasserfläche zunächst nur die Kennedybrücke als Absperrung zur Binnenalster und später mit zunehmen- dem Abstand die sich mehr und mehr verbreiternde Fassade der Innenstadt, die, eingerahmt vom Grün der Parkanlagen an beiden Ufern, schließlich einen imposanten, unvergesslichen Anblick bot.

      Sabine staunte und sagte anerkennend: „So schön habe ich Hamburg noch nie gesehen. Du kommst mir vor wie ein fremder Zauberer, der mit seinem Bootstrick meine angenehmen Erinnerungen an diese Stadt zur neuen Wirklichkeit werden lässt.“ Der nüchterne Techniker gestand ihr daraufhin:“ Den Zauberer kannst du vergessen. Ich habe lange im Kontor einer Exportfirma am Neuen Jungfernstieg neben dem Hotel „Vier Jahreszeiten“ gearbeitet. Zusammen mit meinen Kollegen nahmen wir uns oft nach Feierabend noch ein Boot für eine Segelrunde auf der Alster. Paul, der schon seit eh und je die Boote wartet, kennt und toleriert uns trotz unserer übermütigen Streiche, für die er uns immer wieder in Schutz nehmen musste“. Ihr gefiel dieses ehrliche Eingeständnis. Sie neigte sich zu ihm und gab ihm zur Ermunterung einen flüchtigen Kuss. „Jetzt können wir wirklich „Du“ zueinander sagen.“ Sven vergaß in seinem Glücksgefühl einen Moment das Boot, hörte aber gerade noch den auf der Alster allgegenwärtigen Ruf „Raum“, wich schnell noch aus und sagte ärgerlich: „Diese ewigen Störenfriede. Ich bevorzuge eine Gegend, die mir ohne Zuruf und Vorschriften genügend Platz bietet, um mich frei und unabhängig zu bewegen.“ Sie sah ihn fragend an. „Was meinst du damit?“ Er merkte, daß er sich in ihrer Gegenwart zweideutig ausgedrückt hatte, nutzte aber dennoch ihre erhöhte Aufmerksamkeit, um sie von ihren Zweifeln zu befreien und diese durch ein gestärktes gegenseitiges Vertrauen zu ersetzen. „Ich bin gern mit dir zusammen, weil ich spüre, dass du mit deiner verständnisvollen Zuwendung eine erfreuliche Veränderung meines ausgeprägten Eigenlebens bewirkst.“ „Verändern möchte ich dich eigentlich nicht, sondern dich kennenlernen, so wie du bist. Momentan gefällt mir unser Bootsausflug, eine unterhaltsame Demonstration deiner Vergangenheit, die mich neugierig darauf macht, noch weitere Farbtupfer meines Schmetterlings zu entdecken.“ Ohne Zeit für eine Antwort zu haben, musste sich Sven wieder auf eine Windbö vorbereiten, die sich mit einem gekräuselten Wellenteppich schräg vor dem Boot ankündigte. Er lockerte die Großschot und ließ dadurch den Wind am Großsegel vorbeigleiten, sodass sie ohne weitere Störungen ihre Spazierfahrt am Steg beendeten. Paul staunte über das langsam daher- kommende Boot, ließ sich aber nichts anmerken und verabschiedete seinen Kunden mit einem ungläubig fragenden Blick, den jedoch nur Sven erkennen und deuten konnte.

      Er hatte sich tatsächlich verändert und fand sich in der Rolle eines Liebhabers wieder, der von seinen Gefühlen überwältigt diesen Zustand zwar erkennen lässt, aber bei dem er sich gleichzeitig in einem Schwebezustand befindet, der ihn in einer bisher unbekannten Weise berauscht und verunsichert. Sabine dagegen war einfach glücklich und begeistert, einen Freund gefunden zu haben, der sich Mühe gab, ihr zu gefallen. Sie nahm ihn bei der Hand und zeigte auf die Terrasse eines Cafés in der Nachbarschaft, wo sie sich von bequemen Stühlen aus ihre Bootsfahrt noch einmal in Erinnerung riefen. Sie gestand ihm: „Am Anfang hatte ich direkt etwas Angst, ob es dir gelingen würde, uns heil zwischen den vielen Booten hindurch zu lavieren, die, wie wir von hier aus sehen können, die Wasserfläche mit einer Vielzahl weißer Flecken bedecken. Trotzdem hast du immer eine freie Stelle gefunden, die uns ein gemütliches Dahinsegeln gewährte. Wie gelingt dir so ein Kunststück?“ „Ich möchte dir drei Gründe nennen. Zunächst hatten wir ein bequemes Boot, dass sich in diesem, mir vertrauten Revier leicht handhaben lässt. Hinzu kam das ideale Wetter und schließlich habe ich versucht, mich rechtzeitig auf die Fahrweise der anderen Boote einzustellen. Wie du gemerkt hast, gelingt mir das Letztere nicht immer und ich hoffe, dass du eine geduldige Begleiterin bist.“ Sie blickte ihn prüfend an und antwortete: „Du redest doch sicherlich nicht von schmeichlerischer Anpassung? Ich bevorzuge deine Ecken und Kanten, die mir Überraschungen bieten und verspreche dir ähnliche Reaktionen, damit wir unser Zusammensein nicht langweilig sondern aufregend und aktiv erleben. Ich habe nach der Rückkehr von Teheran alles probiert, um mich in Hamburg wieder einzuleben und versucht, mich, wie du mir gerade beim Segeln gezeigt hast, auf die Fahrweise meiner Landsleute einzustellen. Herausgekommen ist ein für mich langweiliger Alltag, der mir nicht viel Freiraum lässt. Ich besuche momentan einen Computerlehrgang, um wieder als Fremdsprachensekretärin zu arbeiten. Die Tätigkeit selbst verursacht mir keine Schwierig-keiten, bietet aber kaum die Abwechslung und Gestaltungsfreiheit, die ich in Teheran erleben durfte.“

      Sven merkte, dass sie ihn mit dem Hinweis auf die fehlende Abwechslung dazu ermutigte,einen neuen Vorschlag für ein Zusammensein mit ihr zu machen. Er überlegte, wie er sie bei seiner begrenzten Urlaubszeit noch inniger an sich binden konnte und fragte sie schließlich: „Was hältst du davon, wenn wir für ein paar Tage an den Plöner See fahren, dort ein Boot mieten und das Segeln ungestört von „Raum“ rufen genießen? Ich kenne Freunde in Plön, die dort ein Haus mit Zugang zum See und ausreichend Platz haben, um bei ihnen zu wohnen.“ Sie zögerte mit ihrer Antwort und sah ihn mit weit geöffneten Augen an, bis sich schließlich ihre freudige Überraschung nicht mehr verbergen ließ und sie antwortete: „Passt mir gut! Die Ferien bei meinem Lehrgang dauern noch zwei Wochen, sodass ich nichts vermissen werde. Wann fahren wir?“ „Am besten gleich“ scherzte Sven, fügte dann aber hinzu: „Ich rufe morgen meine Freunde an, erkundige mich nach einer passenden Zugverbindung und sage dir morgen Abend Bescheid.“ Als sie sich am Bahnhof verabschiedeten, beglück-wünschten sie sich noch einmal zu ihrem gelungenen Nachmittag und vor Allem auch zu ihrer spontanen Entscheidung für den gemeinsamen Kurzurlaub, auf den sie sich voller Erwartung freuten.

      Während ihrer Heimfahrt überlegte Sabine lange, wie sie ihrer Mutter, die ihren schnellen Entscheidungen meist mit Zurückhaltung und Skepsis begegnete, ihre plötzliche Zuneigung zu Sven erklären sollte. Diese merkte jedoch beim Anblick ihrer Tochter sofort, dass sie sich verändert hatte und eine lange vermisste neue Zuversicht ausstrahlte. Sie hielt sich nicht lange zurück, sondern sah sie nur staunend an und sagte anerkennend: „Herr Fahrenholz hat dir beim Segeln viel frischen Wind um die Ohren wehen lassen.“ Erleichtert gestand ihr Sabine: „Ich mag Sven und seine rücksichtsvolle sowie sichere Art, mit der er unseren Bootsausflug trotz der vielen anderen Segler und Surfer, die sich bei diesem Wetter auf der Alster drängelten, in eine erholsame Spazierfahrt verwandelt hat. Zusätzlich steckt mich seine Begeisterung an, mit der er uns schon bei seinem ersten Besuch von seinen Eindrücken und Begegnungen in Kanada und bei den Schwaben erzählt hat. Seine auf die Zukunft aus-gerichtete unvoreingenommene Einstellung gegenüber Erfahrungen mit anderen Sitten und Gebräuchen bläst mir tatsächlich frischen Wind um die Ohren, der meine verkümmerte Sehn-sucht auf die Abenteuer in der Fremde neu entfacht.“

      Die Mutter erinnerte sich an die junge, ungestüme Frau, die einst voller Tatendrang ihrem Mann nach Teheran gefolgt war, und musste sich eingestehen, dass sie auch dieses Mal gegen das scheinbar angeborene Fernweh ihrer Tochter nichts ausrichten konnte und selbst berechtigte Einwände lediglich deren wiedererwachte Lebenslust beeinträchtigen würden.. Auch musste sie zugeben, dass dieser Sven Fahrenholz mit seinem unbekümmerten, unter- haltsamen Auftreten sehr anziehend wirkte. Neugierig fragte sie deshalb: „Wie sehen eure weiteren


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