Zeit zum Überleben - Zukunft. Lara Greystone

Zeit zum Überleben - Zukunft - Lara Greystone


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ich mit abgewandtem Blick und blinzle stur gegen die Tränen an.

      »Doch, bei mir schon.«

      Er schließt mich in seine starken Arme.

      Als er auch noch über meinen Rücken streichelt und meinen Haaransatz küsst, kann ich die Flut nicht mehr aufhalten. Ich heule Rotz und Wasser, aber ganz leise, damit Nixi mich nicht hört.

      Nach einer Weile geht es mir tatsächlich besser.

      »Ich danke dir, Marc.« Mal wieder.

      So oft war er schon für mich da! Immer im richtigen Augenblick. Er hat es echt drauf.

      Als ich mich von ihm löse, um in den Stall zu gehen, hält er mich am Unterarm kurz zurück.

      »Es wird Zeit, dass du mir alles erzählst, Jessy. Deine Vergangenheit steht oft zwischen uns und ich will wenigstens wissen, womit ich es zu tun habe.«

      Abrupt wende ich den Blick zu Boden.

      »Irgendwann, Marc, irgendwann.«

      Das ist ihm wohl nicht genug und er will nachhaken, doch ich reiße mich los und flüchte, diesmal schnellen Schrittes, nach draußen.

      Kapitel 3

      Die Hühner rauslassen, ihnen Körner hinwerfen und ihre Eier einsammeln, klappt ganz gut. Aber dann sitze ich auf diesem wackligen Melkhocker, und versuche, wieder und wieder Milch aus Elsas Euter zu bekommen. Berta hat mir das erklärt und vorgeführt. Bei ihr sah das spielend leicht aus! Doch die alte Bauersfrau hatte natürlich Jahrzehnte Übung.

      Ich gebe mir Mühe, wirklich!

      Probiere alles Mögliche und quäle dabei nicht nur mich, sondern auch die Kuh. Elsa wird immer unruhiger, was mir die Arbeit selbstverständlich noch schwerer macht. Schließlich gebe ich mit Tränen in den Augen auf. Ich sehe in den Melkeimer. Es ist gerade mal der Boden bedeckt, vielleicht ein halber Liter. Berta hat gesagt, eine Kuh könnte sterben, wenn man die Milch nicht rausbekommt. Aber was soll ich denn tun?

      Ich binde das arme Tier los. »Komm, jetzt geht’s erst mal raus in die Sonne und an die frische Luft«, sage ich mit schlechtem Gewissen und führe sie zunächst in den gepflasterten Innenhof.

      Dort pumpe ich mit der Handpumpe Grundwasser in den steinernen Trog, damit sie trinken kann – und Cäsar auch. Diesen irischen Wolfshund, den Marc gestern aufgesammelt hat, habe ich in mein Herz geschlossen und ich glaube, er mich ebenso. Als ich sein struppiges Fell kraule und mit ihm rede, merke ich, dass wir es beide genießen.

      Kurz darauf öffne ich die zwei Haken des riesigen, hölzernen Tors und schiebe es zur Seite. Dann führe ich Elsa ein paar Häuser weiter, zu einem Bungalow mit eingezäuntem Garten. Ich weiß, dass der ehemalige Besitzer, den die Vogelgrippe dahingerafft hat, extrem pingelig mit seinem Rasen war. Wehe, unser Ball landete mal bei ihm! Jetzt ist es eine Wiese.

      »So, Elsa. Das war früher der makelloseste Rasen, den ich kannte. Friss dich satt und lass ruhig ein paar große Kuhfladen zurück!«

      Diese heimliche Schadenfreude bringt mich zum Schmunzeln und ich gehe mit Cäsar zurück, der wie ein Bodyguard an meiner Seite bleibt.

      Bald darauf sitze ich mit Nixi am Tisch in Bertas gemütlicher Wohnküche mit den französischen Landhausmöbeln.

      Ich schaue auf den Tisch und bin für einen Moment glücklich. Freue mich in dieser völlig veränderten Welt nämlich über kleine, normale Dinge. Dinge, die für mich früher völlig selbstverständlich und keinen Gedanken wert waren wie dieser gedeckte Tisch zum Beispiel. Ich bin happy über das frische, saubere Wasser in dem wunderschönen Porzellankrug, das hübsche Lavendelmotiv auf dem Service, Bertas selbst gemachte Marmelade und das Silberbesteck, über dessen schönes Ornament mein Zeigefinger gerade fährt. Und außerdem bin ich unglaublich froh, nicht mehr allein zu sein, auch das ist ein Schatz, den ich nie recht zu würdigen wusste.

      Marc hat den antiken Holzherd, der gut in ein Bauernmuseum passen würde, angefeuert und inzwischen Kaffee für uns zubereitet. Als Nixi mir eine Tasse einschenkt, greife ich sie mit beiden Händen, schließe die Augen und atme den herrlichen Duft ein. Danke!, dringt es tief aus meiner Seele, bevor ich die Augen wieder öffne.

      Von meiner Ausbeute aus dem Hühnerstall hat Marc Rühreier gemacht, die er uns gerade von der Pfanne auf die Teller schiebt. Dazu gibt es die letzten Scheiben von Bertas Brot.

      »Ich weiß, das Brot ist schon etwas hart«, entschuldige ich mich bei Nixi und scherze: »Aber der Bäcker hat einfach das Handtuch geworfen, weil’s keinen Strom mehr für seinen Backofen gab.«

      In Wahrheit bin ich natürlich selig, überhaupt echtes Brot essen zu dürfen. Knäckebrot war seit Langem das höchste der Gefühle. Über einem Lagerfeuer oder mit einem Campingkocher bekommt man Brot nämlich nicht gebacken – im wahrsten Sinne des Wortes. Und Bäcker sind sprichwörtlich ausgestorben wie die meisten Menschen. Marc ist Elektriker, welche Ironie in einer Zeit, wo es weder Strom, noch intakte Elektronik mehr gibt! Und ich bin Bürokauffrau. Unsere Berufe sind also völlig nutzlos in dieser veränderten Welt. Ehrlich: Frisches Brot war für mich früher selbstverständlich, heutzutage ist es himmlischer Genuss.

      »Tja, Nixi«, versuche ich mich weiter in Humor. »Du kennst nicht zufällig einen Bäcker? Bei uns ist ’ne Stelle frei.«

      »Die Benutzung des mittelalterlichen Brotbackofens vor dem Dorf wird nicht in Rechnung gestellt. Da kann man an frischer Luft arbeiten. Und Brennholz würden wir frei Haus liefern«, ergänzt Marc grinsend.

      »Und für den Anfang hätten wir sogar noch eine Brotbackmischung zu bieten.« Eines meiner wenigen Nahrungsmittel, die unsere zweimalige Flucht überstanden hat.

      Nixi sieht mich für einen Moment verdutzt an und ich denke schon, dass mein Scherz schlecht bei ihr angekommen ist. Aber dann zeigt sich bei ihr ein kleines Lächeln trotz ihrer aufgesprungenen Lippe.

      »Ich bin Bäckerin.«

      Marc und mir fällt fast die Kinnlade zu Boden.

      »Im Ernst?«

      »Der Gesellenbrief hängt zu Hause.«

      Marc pfeift anerkennend.

      Sofort sehe ich frisches, weiches Brot vor meinem inneren Auge, meine, den Duft von warmen Brötchen zu riechen. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen.

      »Könntest du denn mit einem mittelalterlichen Brotbackofen überhaupt zurechtkommen?«

      »Ich weiß nicht«, erklärt sie nachdenklich und ist gleich ganz in der Materie. »Das Problem wird vermutlich, die richtige Temperatur über einen bestimmten Zeitraum zu halten. Aber ich würde es gern versuchen. Was ist schon ein Leben ohne frisches Brot?«

      »Du wärst mein Held!«

      »Mit dem Bein kann sie aber nicht draußen rumhantieren. Sie ist vorhin auch nur mit meiner Hilfe hier an den Tisch gekommen«, gibt Marc zu bedenken. »Wir müssten das erst gipsen.«

      »Aber sitzen kriege ich hin!«, protestiert sie. »Und wenn ihr mir Holz und Wasser bringt sowie eine Schüssel und die Zutaten auf den Tisch stellt, versuche ich heute mein Bestes, um hier in der Küche aus der Brotbackmischung Brötchen herzustellen. Entweder backe ich die auf eurem vorsintflutlichen Holzherd in einer Pfanne mit Deckel drüber auf oder im Backofenteil dieses antiken Stückes.«

      Ich spüre, dass Nixi versucht, sich als nützlich für uns zu erweisen, damit wir nicht bereuen, sie hier aufgenommen zu haben. Früher hätte ich jemand mit Beinbruch ausgeschimpft und darauf bestanden, dass man mit gebrochenem Knochen auf der Couch bleibt, aber die Zeiten haben sich leider geändert.

      »Das wäre prima, Nixi! Du sagst mir, was du brauchst, und ich bringe dir alles an den Tisch. Und an den Herd stellen wir dir einfach einen Stuhl.«

      Marc wirft mir einen ernsten Blick zu und ermahnt Nixi dann: »Aber übernimm dich nicht! Du hast ’ne Menge hinter dir.«

      »Ich


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