Puppenspiel mit Dame. Britta Bendixen

Puppenspiel mit Dame - Britta Bendixen


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so eine Laune? Ein Augenblick der Schwäche, oder was?“ Sein Blick hatte sich verengt, ernst und traurig sah er sie an. „So kam es mir nicht vor.“

      „Ich weiß es ehrlich nicht“, sagte sie ratlos, fuhr sich mit den Händen durch die Haare und über das Gesicht. „Ich begehre dich, ich empfinde viel für dich. Aber bis gestern dachte ich, ich liebe Ben. Ich habe ihn nur fünf Tage nicht gesehen, und so viel ist passiert! Ich bin total durcheinander und zu gar keinen konkreten Gefühlen fähig.“

      Nach diesem Erguss fielen ihre Arme herab, sie stand mitten im Zimmer, eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, lief langsam an ihrer Wange hinab.

      Er stand ebenfalls auf, trat zu ihr und nahm zärtlich ihr Gesicht in seine Hände. Mit einem sanften Kuss entfernte er die Träne von ihrer Wange.

      „Okay“, nickte er. „Warten wir das Wochenende ab. Vielleicht siehst du am Montag klarer. Aber eins musst du wissen: Ich fand es gestern wunderschön. Und mir hat es sehr viel bedeutet. Du bedeutest mir sehr viel.“

      Sie lächelte zaghaft. „Es war wirklich wunderschön“, gab sie flüsternd zu.

      Seine Hände verschwanden von ihrem Gesicht und legten sich sanft auf ihre Oberarme. Sie schwiegen eine Weile. Dann strichen seine Hände an ihren Armen hinab, ergriffen ihre Hände und hielten sie fest. Er seufzte auf. „Ich möchte dich eigentlich nicht fahren lassen. Ich könnte durchdrehen, wenn ich daran denke, dass du und dieser - dieser Ben in den nächsten Tagen -“

      Jasmin löste ihre rechte Hand aus seiner Linken und legte den Zeigefinger auf seinen Mund. Er schluckte den Rest des Satzes hinunter.

      „Du hast gewusst, dass ich verlobt bin“, rief sie ihm leise in Erinnerung und nahm den Finger wieder herunter.

      Sie senkte den Blick zum Boden. „Ich muss allerdings gestehen, dass mir bei dem Gedanken an Ben auch nicht ganz wohl ist. Ich weiß wirklich nicht, wie ich in die Augen sehen soll.“

      Sie hob ihren Daumen an den Mund und knabberte nervös auf dem Nagel herum.

      Steve nahm ihre Hand, küsste den misshandelten Daumen und sah sie bittend an. „Dann fahr nicht. Bleib einfach hier. Bei mir.“

      „Ach Steve!“ Sie schlang die Arme um seine Hüften und legte den Kopf an seine Brust. Er zog sie fest an sich. Sie spürte die Wärme seines Körpers und lauschte mit geschlossenen Augen auf seinen Herzschlag. Der Gedanke, hier zu bleiben und das Wochenende mit Steve zu verbringen, war nicht ohne Reiz. Dennoch konnte sie es nicht tun.

      Sie hob den Kopf. „Ich kann wirklich nicht hier bleiben. Wenn ich es täte, könnte ich es nicht genießen, weil ich Ben gegenüber ein schlechtes Gewissen hätte. Aber ich weiß, dass du mir fehlen wirst. Du bist ein toller Mann, Steve Conelly.“

      Er küsste sie auf die Nasenspitze und lächelte gequält. „Erzähl mir lieber mal was Neues.“

       New York

      Als Jasmin spät abends am John F. Kennedy Airport ankam und die Zollkontrolle passiert hatte, sah sie Ben bereits hinter der Absperrung stehen und winken. Sie winkte zurück.

      Obwohl sie ein schlechtes Gewissen wegen ihres Treuebruchs hatte freute sie sich ehrlich, ihn wieder zu sehen. Sie hatte ganz vergessen wie sehr sie sein Lächeln liebte. Als er sie in den Arm nahm und küsste machte sie sich dennoch bald wieder von ihm los.

      „Endlich bist du wieder da!“ freute er sich. „Du hast mir gefehlt.“

      Fast reflexartig antwortete sie: „Du hast mir auch gefehlt.“

      Habe ich dich wirklich vermisst? fragte sie sich verwirrt. Ich weiß es nicht! Was habe ich nur getan!?

      Ben strahlte sie an, nahm ihr die Tasche ab und griff nach ihrer Hand. Gemeinsam verließen sie das Flughafengebäude und stiegen in ein Taxi.

      Jasmin zog fröstelnd die Schultern hoch. In New York war es mindestens fünfzehn Grad kühler als in Kalifornien und es wehte ein schneidender Wind. Die Passanten trugen dicke Jacken, Mützen und Schals. Verglichen mit den fröhlichen und luftig gekleideten Menschen in Los Angeles kam ihr New York wie eine andere Welt vor.

      Aber wenigstens lag kein Schnee mehr.

      In der Wohnung atmete sie erst einmal tief durch. Die fünf Tage, die sie fort gewesen war, kamen ihr viel länger vor. Es war schön, wieder in der Stadt und in den eigenen vier Wänden zu sein.

      Aber es war auf eine völlig neue und verwirrende Art beunruhigend, mit Ben allein zu sein. Schon kam er auf sie zu, zog ihr den Mantel aus und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Dann legte er seine Arme um sie und küsste sie, innig und fordernd.

      Sie versuchte krampfhaft, sich ganz auf ihn zu konzentrieren und seinen Kuss zu genießen, doch immer wieder tauchte vor ihrem inneren Auge ein Bild von Steve auf, sie konnte gar nichts dagegen tun. Ihr ging nicht aus dem Kopf, was er gesagt hatte; dass er durchdrehen könne bei dem Gedanken, dass sie und Ben -

      Bens Hände glitten ihren Rücken hinunter. Dann noch tiefer. Er drückte zu und presste sich an sie. Jasmin fühlte sich merkwürdig angewidert. Jetzt mit ihm ins Bett zu gehen brachte sie einfach nicht fertig. Verunsichert stellte sie fest, dass sie das Gefühl hätte, Steve untreu zu sein, wenn sie es tat. Sie löste sich von Ben und lächelte entschuldigend.

      „Hör mal, ich bin total erschöpft. Lass mich erst einmal ankommen, okay?“

      Enttäuscht ließ er von ihr ab und zuckte die Schultern. „Wie du meinst“, sagte er. Im nächsten Moment lächelte er sie an. „Aber sag mir gleich Bescheid, wenn du ausgeruht bist, ja? Ich kann es nämlich gar nicht abwarten, dir wieder richtig nah zu sein.“

      Freitagabend und immer noch kein Lebenszeichen von Steve. Linda hatte entgegen ihrer Gewohnheit bereits gegen fünf Uhr das Büro verlassen und war nach Hause gefahren, weil sie sich einfach nicht mehr auf ihre Arbeit hatte konzentrieren können.

      Sie schlüpfte in ihren Jogginganzug und machte sich auf den Weg in den Central Park.

      Während sie ihre Lieblingsrunde drehte dachte sie an das Telefonat, bei dem sie Steve gesagt hatte, dass sie sein Kind erwartete. Seine Reaktion war natürlich nicht euphorisch gewesen, damit hatte sie auch nicht gerechnet.

      „Ich habe Neuigkeiten“, hatte sie gesagt und ihm geraten, sich lieber hinzusetzen. „Mein Gynäkologe hat mir bestätigt, dass ich schwanger bin. Du wirst Vater, Steve.“

      Kein Laut war aus der Leitung gedrungen. „Steve? Bist du noch dran?“

      „Ja, ja, natürlich. Ich bin nur - überrascht.“ Er hatte sich geräuspert. „Entschuldige, aber hattest du nicht gesagt, dass du verhütest?“

      „Ja, ich nehme die Pille. Allerdings ist es gut möglich, dass ich sie hin und wieder vergessen habe. Ich -“

      „Du hast sie ‚hin und wieder’ vergessen? Und was soll jetzt werden?“

      Seine Stimme hatte einen ärgerlichen Klang angenommen. Sie konnte sich gut erinnern, dass ihr in diesem Augenblick die Tränen gekommen waren. Insgeheim hatte sie doch gehofft, dass er sich freuen würde. Sie hatte sich in Gedanken eine naive dumme Gans gescholten und ihm verschnupft versichert, dass sie ihn nur informieren wolle, er müsse sich keine Gedanken machen. Sie würde auch allein zurechtkommen. Daraufhin hatte er fast ein wenig kleinlaut geklungen als er ihr angeboten hatte, sie zu unterstützen, so gut er konnte.

      „Das ist nicht nötig“, hatte sie kühl behauptet. „Obwohl es für ein Kind natürlich sehr wichtig ist, wenn es Mutter und Vater hat.“

      Bald darauf hatten sie sich verabschiedet. Er sagte, er brauche etwas Zeit zum Nachdenken und würde sich in Kürze bei ihr melden. Das war am Mittwochabend gewesen. Seitdem hatte er nichts von sich hören lassen.

      Während sie in gleichmäßigem Tempo lief, spürte sie, wie sich die bekannte wohlige Wärme in ihren Gliedern ausbreitete, die ihr signalisierte, dass ihr Körper sich durch die Bewegung entspannte. Ihr Geist dagegen


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