Puppenspiel mit Dame. Britta Bendixen

Puppenspiel mit Dame - Britta Bendixen


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Zwillingsbruder hatte, Alex, der mit ihrer Mutter in New York lebte. Dieser Bruder war homosexuell und seit zwei Jahren HIV-positiv. Steves Mutter war mit der Situation überfordert und trank zu viel.

      Vor kurzem war die Krankheit bei Alex ausgebrochen, und sein Immunsystem war inzwischen so stark angegriffen, dass er seinen Beruf – er war Innenarchitekt – nicht mehr ausüben konnte. Wenn Steve in New York war, besuchte er die beiden stets, war aber immer froh, wenn er wieder zurück nach L.A. musste. Er unterstützte seine Mutter und seinen Bruder finanziell und hatte sie sehr lieb, doch die Situation überforderte auch ihn.

      „Sie bedeuten mir unheimlich viel“, hatte er ihr erzählt. „Doch zu sehen, wie Alex immer schwächer wird und meine Mutter sich aus Kummer darüber langsam zu Tode trinkt, macht mich jedes Mal fertig. Trennen kann ich die zwei auch nicht, dafür hängen sie zu sehr aneinander. Sie brauchen sich. Was also kann ich tun? Ich besuche sie hin und wieder und sorge dafür, dass sie zumindest keine finanziellen Sorgen haben. Glücklicherweise verdiene ich inzwischen genug, dass es sowohl für mich als auch für meine Familie reicht.“

      An diesem Abend beschloss Jasmin, sich vor dem Gehen bei ihm zu erkundigen, was heute mit ihm los gewesen war. Vielleicht ging es seinem Bruder schlechter. Sie hatte Steve sehr gern. Wenn es ihr möglich war, wollte sie ihm helfen, auch wenn sie nicht viel mehr tun konnte, als ihm zuzuhören. Sie schminkte sich ab, zog sich um und verließ ihre Garderobe.

      Steve war noch am Set und sah sich mit seiner Assistentin ein paar Aufnahmen des Tages an. Sie hörte ihn seufzen. „Ich fürchte, die Szene müssen wir morgen noch einmal drehen, die Lichteinstellung ist –“

      Jasmin räusperte sich. „Steve, kann ich einen Moment mit dir reden?“

      Er drehte sich um und nickte ihr kurz zu. „In zwei Minuten in meinem Büro, okay? Dann bin ich hier fertig.“

      „Einverstanden. Ich warte dort auf dich.“

      Sie machte sich auf den Weg. Als sie die Tür zu Steves Büro aufmachte, sah sie Danny, den Portier, und winkte ihm freundlich zu.

      Der Raum war spärlich eingerichtet: Ein Schreibtisch mit Computer, zwei Stühle, und auf der anderen Seite die Couch, ein Sessel und ein kleiner Tisch. Außerdem gab es eine Kommode, auf der ein paar Gläser und Flaschen standen. Keine Pflanzen, keine Bilder.

      Jasmin setzte sich auf die Couch und wartete. Bei passender Gelegenheit würde sie Steve ein paar Vorschläge machen, wie man dieses Zimmer anheimelnder gestalten konnte. In einem so tristen Büro konnte man doch nicht kreativ arbeiten!

      Sie sah zur Tür als diese sich schwungvoll öffnete. Steve kam auf sie zu und ließ sich neben sie auf die Couch fallen. Er streckte die langen Beine aus und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.

      „Also“, wollte er wissen, „was gibt es denn?“

      Sie drehte sich zu ihm und kam gleich zur Sache. „Was war heute mit dir los?“

      „Was soll denn los gewesen sein?“ Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und warf ihr einen abwehrenden Blick zu. „Mir geht’s gut.“

      Sie sah ihn schweigend an.

      Er seufzte und ließ die Arme sinken. „Ja, okay, es geht mir nicht gut.“

      „Ist etwas mit Alex?“ erkundigte Jasmin sich besorgt.

      „Nein, nein. Mit ihm ist soweit alles in Ordnung.“

      Steve machte eine kurze Pause, schien zu überlegen. Mit gerunzelter Stirn sah er sie an. Dann seufzte er. „Na schön, ich sag es dir. Aber bitte erzähle es nicht herum.“

      Sie versprach es.

      Er stand auf, ging hinüber zu seiner provisorischen Bar und schenkte sich einen Whisky mit Eis ein.

      „Möchtest du auch einen Drink?“

      „Werde ich einen brauchen?“

      Er lächelte gequält. „Einen Sherry?“

      Sie nickte und kurz darauf kam er mit zwei gefüllten Gläsern zurück und reichte ihr den Sherry. Dann setzte er sich wieder und nahm einen großen Schluck.

      Fasziniert beobachtete sie seine schmal gewordenen Augen und seine mahlenden Kiefer, mit denen er einen Eiswürfel zerbiss, als hätte der ihm etwas getan.

      Als er die Eisstückchen hinuntergeschluckt hatte holte er tief Luft. Dann platzte es aus ihm heraus. „Linda Cooper rief mich gestern Abend an. Sie erwartet ein Baby. Und sie sagt, es ist von mir.“

      Jasmin hatte gerade einen Schluck getrunken und prustete nun erschrocken den Sherry mitten auf sein Hemd. Eilig stellte sie ihr Glas ab und zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche.

      „Oh Gott, Steve, das tut mir leid!“ sagte sie und wischte unbeholfen mit dem Tuch an seinem Hemd herum. „Hoffentlich geht das wieder raus.“

      „Lass doch bitte das Hemd, Jasmin. Ich habe jetzt ganz andere Sorgen. Linda ist schwanger!“

      Sie ließ von ihm ab. „Ja, natürlich. Entschuldige.“

      Ungeduldig stand er auf. „Und sonst sagst du nichts dazu?“

      Überrascht sah sie zu ihm hoch. „Was soll ich dazu sagen? Ihr seid zwei erwachsene Menschen, hattet Sex und habt nicht ausreichend verhütet. So etwas kommt jeden Tag vor.“

      Dass die Nachricht ihr einen schmerzhaften Stich versetzt hatte, sagte sie nicht und sie hoffte, dass Steve es ihr nicht ansah. Doch er war viel zu durcheinander, um aufmerksam sein zu können.

      „Sie hatte mir gesagt, dass sie die Pille nimmt. Aber gestern hat sie mir gestanden, dass sie sie ab und zu wohl vergessen hat. Ich hätte mich nicht nur auf sie verlassen dürfen, ich Riesenkamel!“

      Aufgebracht ging er im Zimmer hin und her.

      „Was soll ich denn jetzt tun?“ fragte er mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck.

      Seine Hilflosigkeit rührte sie auf der einen Seite, andererseits hatte er sich das Ganze selbst eingebrockt.

      Typisch Mann! dachte sie. Sie machen sich erst dann Gedanken, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Die Doppeldeutigkeit des Sprichworts in dieser Situation ließ sie beinahe schmunzeln, doch dann riss sie sich lieber zusammen.

      „Was hat sie denn gesagt?“ fragte sie und fuhr ihn an: „Setz dich bitte wieder hin, dein Gerenne macht mich ganz nervös.“

      Er hörte nicht auf sie, lief weiter ziellos hin und her und berichtete: „Sie hat gesagt, dass die Schwangerschaft auch für sie überraschend kommt, und dass sie mich nicht unter Druck setzen will. Wenn ich möchte, kann ich mich völlig heraus halten, zu zahlen brauche ich auch nicht, Geld hat sie ja genug.“

      Bei den letzten Sätzen war er lauter geworden, jetzt jedoch senkte er die Stimme. „Als sie dann aber erwähnte, dass es für ein Kind eigentlich wichtig ist, Mutter und Vater zu haben, hat sie mich kalt erwischt.“ Er blieb stehen und raufte sich die Haare. „Sie appelliert an mein Ehrgefühl. Und das macht sie sehr geschickt. Ich fühle mich überrumpelt und manipuliert.“

      Er hielt kurz inne und sah sie an. „Weißt du, am liebsten würde ich diesen Anruf vergessen und mich ganz still verhalten, aber verdammt, Jasmin, sie bekommt mein Kind. Ich bin ohne Vater aufgewachsen und weiß, wie das ist. Kein gutes Gefühl.“

      Er ließ sich neben sie fallen und stützte sein Gesicht in die Hände. Sie hatte das Gefühl, dass er den Tränen nahe war. In diesem Moment wirkte er auf Jasmin wie der kleine Junge, der darunter litt, keinen Vater zu haben, der mit ihm angeln ging und Basketball spielte. Gleichzeitig war er der erwachsene Mann, dem seiner Ansicht nach Unrecht geschehen war und der nicht verstand, wie ihm so etwas hatte passieren können. Trotzdem fühlte sie sich in diesem Moment mehr als sonst zu ihm hingezogen. Er strahlte eine unwahrscheinliche Verletzbarkeit aus, ließ sie, obwohl sie erst seit wenigen Tagen befreundet waren, an seinem Schmerz, den er als Kind erfahren hatte, und seiner Ratlosigkeit teilhaben. Sie betrachtete dieses Verhalten als Geschenk und legte ihren Arm um seine breiten


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