Losing Game. Valuta Tomas

Losing Game - Valuta Tomas


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Neve diesen Gedanken in ihrem Kopf nicht weiter reifen lassen will, dreht sie den Zündschlüssel ihres Wagens. Sie nimmt den Blick von dieser Brutalität ab, die Sam an den Tag legt. Sie weiß, dass nicht mehr viel von dem Gesicht des Typen übrig bleiben wird.

      Im Stadtteil Soma angekommen, biegt sie in die Bryant Street und hält vor dem San Francisco Police Department. Schwer atmend, weil sie das Gefühl hat, dass Zementblöcke an ihrem Körper hängen, steigt sie aus und hievt sich die wenigen Stufen zur Eingangstür hoch. Die Bilder von Sam brennen noch immer in ihrem Kopf. Sie bemerkt zuerst gar nicht, dass ein Polizist das Department verlässt, sie nickend anlächelt und eine Hand auffallend weit ausstreckt. Neve blickt kurz darauf und schlägt dann ohne Worte ein.

      »Viel Spaß heute«, lächelt der Polizist. Neve nickt nur und betritt das Department. Direkt nach der Eingangstür befindet sich auf der linken Seite ein großer Tresen. An der gegenüberliegenden Wand steht eine Reihe von Stühlen, die wie jeden Tag bis zum erbrechen überfüllt sind. Landstreicher, Penner, Prostituierte, Drogenhändler, Geschäftsleute. Hier tummelt sich täglich alles was auf zwei Beinen läuft und auch nur annähernd Dreck am Stecken hat.

      Neve klopft einmal auf den Tresen, betritt den hinteren Teil des Departments und lässt sich wie ein Sack auf einen Stuhl an einem der vielen Schreibtische fallen. Sie zerfließt regelrecht in dem Stuhl. Schnaufend legt sie den Kopf in den Nacken.

      »Na du, wie war dein Tag bis jetzt?«, fragt eine Männerstimme. Neve hebt den Kopf und blickt in das recht junge Gesicht ihres Kollegen, der sie erwartungsvoll anschaut. Er versteckt dabei das halbe Gesicht hinter einer Kaffeetasse.

      »Ist noch was da?«, fragt Neve, ohne die gestellte Frage des Mannes beantwortet zu haben und macht eine Kinnbewegung auf die Tasse.

      »Klar, wenn du auf die Suppe von heute Morgen stehst.« Leicht angewidert, rümpft Neve die Nase, hievt sich aber trotzdem aus dem Stuhl und kommt zwei Minuten später zum Tisch zurück, um erneut in den Stuhl zu versinken. Sie trinkt einen großen Schluck Kaffee und schüttelt sich angewidert.

      »Schönen Dank auch«, murmelt sie angeekelt.

      »Ich vergesse doch immer wieder wie anstrengend so eine Schule sein kann. Zwei Stunden Unterricht ist schlimmer als eine Zwölf-Stunden-Schicht«, flucht sie. Aus einer geöffneten Schublade holt sie eine Waffe und das dazugehörige Waffenholster heraus, befestigt alles mit schnellen Griffen an ihrer Hose und klemmt sich die Polizeimarke an den vorderen Bund. Sie atmet tief durch und blickt zu ihrem Kollegen.

      »Und Jake, was liegt heute an?« Ihr Kollege schüttelt flüchtig den Kopf.

      »Nichts Besonderes, nur den Bericht von unserem Fall am Samstag beenden und dann haben wir noch ein Treffen mit J.R.« Neve lehnt sich in den Stuhl zurück und grinst spitzbübisch.

      »Ach, versucht der Hahn mal wieder ein Korn zu finden?«, kichert sie frech und trinkt einen weiteren Schluck von diesem misslungenen Experiment, das sich Kaffee schimpft.

      Gegen Mitternacht lenkt Jake seinen Wagen aus der Bryan Street unter die Unterführung des James Lick Freeway, der am Ende in die Oakland Bay Bridge mündet. Irgendwie recht gelangweilt folgt Neve ihm mit ihrem Wagen. Ihre Wege werden sich nach diesem Meeting für den heutigen Tag trennen.

      Sie steigt aus, geht zu Jake, der gemütlich in seinem Auto sitzen bleibt und klopft an das Fahrerfenster. Gleich nachdem es ein Stück weit geöffnet ist, hält sie ihm eine Hand entgegen.

      »Heute bist du dran.« Ohne zu zögern, holt Jake sein Portemonnaie und drückt Neve fünfzig Dollar in die Hand. Währenddessen tastet sie die Gegend mit ihrem Blick ab, bis sie eine flüchtige Kopfbewegung nach vorne macht.

      »Da ist er«, murmelt sie, woraufhin Jake zu einem der Stützpfeiler blickt. Dort versteckt sich ein kleiner schmächtiger Mann.

      Mit schweren Schritten, weil ihr Akku für heute mehr als leer ist, schleift sich Neve zu ihm. Schon auf dem halben Weg bekommt sie einen Brechreiz, als ihr klar wird welcher Gestank ihr von J.R. gleich entgegenkommen wird. Er ist ein Penner von der Straße, der seine Fühler in sämtliche Richtungen ausgestreckt hat. Und genau aus dem Grund ist er sehr nützlich und hilfreich für die Polizei.

      »Was hast du für uns?«, fragt Neve, als sie J.R. mit sicherem Abstand gegenübersteht. Hektisch blickt sich der Mann um. Er schaut sogar völlig nervös zum Beton des Freeway hoch, der über ihren Köpfen rauscht.

      »In zwei Tagen treffen sich die Outer Sunsets mit den Five Dogs in der Chestnut Street, nahe dem Jack Early Park, um Waffen gegen Drogen zu tauschen«, berichtet er hektisch. Bei den Worten Five Dogs fängt Neves Herz zu rasen an. Sofort hat sie Sams Gesicht vor Augen. Innerhalb einer Sekunde betet sie, dass sie sie dort nicht antreffen wird. Denn das würde ihr den ganzen Abend vermiesen.

      »Weißt du wie viele dabei sein werden?«, fragt Neve, ohne sich die Nervosität, die gerade in ihrem Körper tobt, anmerken zu lassen.

      »Ich denke mal, dass es der normale Standard sein wird. Vier von beiden Seiten.« Neve bedankt sich nickend und hält J.R. den fünfzig Dollarschein entgegen. Als er sich diesen schnappen will, zieht sie ihn zurück.

      »Was genau weißt du über die Five Dogs?«, fragt sie ohne vorher überlegt zu haben. Nervös dribbelt J.R. von einem Fuß auf den anderen. Hecktisch blickt er sich um.

      »Die Five Dogs? Denen möchte ich nachts ohne Panzerschutz nicht begegnen!«

      »Das weiß ich selbst. Erzähle mir etwas was ich noch nicht weiß«, flucht Neve.

      »Ok.« Noch immer nervös, blickt sich J.R. sich erneut um, als wenn er das Gefühl hätte, dass die Luft mit Wanzen versehen wäre.

      »Vom Marina Boulevard bis zum Alemany Boulevard und bis zur Küste, beherrschen die Five Dogs einen großen nördlichen Teil von San Francisco. Ihr Anführer heißt, glaube ich, Matt. Ich denke mal, dass er in zwei Tagen die Übergabe auch selbst führen wird. Solche großen Geschäfte wickelt er gerne eigenhändig ab, weil er in der Hinsicht kaum Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Leute hat. Der Einzigen der er das noch zutrauen würde, wäre eine gewisse Sam. Sie ist seine rechte Hand und schon von Jugendbeinen an mit dabei. Die Five Dogs schrecken vor nichts zurück, wenn es darum geht, ihren Teil von Frisco zu schützen. Was aber im Gegensatz zu anderen Gangs von Frisco an den Five Dogs interessant ist, ist die Tatsache, dass sehr viele von ihnen eigentlich ein völlig seriöses Leben führen. Sie gehen tagsüber normalen Jobs nach, bezahlen Rechnungen und Steuern und tauchen erst abends in das Gangleben ein. Und genau das ist das Unberechenbare an ihnen. In der einen Sekunde sitzen sie in ihren Büros und unterhalten sich mit ihren Arbeitskollegen über die neusten Börsenzahlen und in der Mittagspause pusten sie einem das Gehirn weg, wenn ihnen einer von einer anderen Gang über den Weg läuft. Deshalb sind sie so gefürchtet, weil man bei ihnen nie weiß, was in ihren kranken Köpfen abgeht und was als nächstes passiert.« Innerlich schüttelt Neve wütend den Kopf, lässt sich nach außen hin aber nichts anmerken.

      »Weißt du ob sie irgendwelche Spielzeuge haben, oder spezialisieren sie sich nur auf Drogen und Waffen?« J.R.s Augen beginnen zu leuchten. Ein kleines Lächeln huscht über seine gerissenen und spröden Lippen.

      »Klar spielen die Five Dogs. Sie klauen teure, schnelle oder getunte Autos und verkaufen sie, nachdem sie Friscos Straßen unsicher gemacht haben und illegale Straßenrennen mit den Perlen gefahren sind«, grinst er. Wahrscheinlich sieht er sich gerade hinter dem Steuer eines getunten Hondas sitzen. Aber mit den fünfzig Dollar, die Neve ihm dann doch endlich reicht, wird er nicht weit kommen.

      Noch entkräfteter als zuvor, schleift sie sich zu Jake zurück, während J.R. wieder in der Dunkelheit und dem Gestank der Straße verschwindet. Sie berichtet ihrem Kollegen von den neuen Informationen. Die Dinge über die Five Dogs, lässt sie mit Absicht außen vor, weil sie diese nur für sich braucht. Sie muss genau wissen mit wem sie es zu tun hat und wie sie Sam im Zaum halten kann.

      »Wollen wir noch auf ein Bier irgendwo hinfahren?«, fragt Jake. Erschöpft schaut Neves ihn an.

      »Sorry, aber ich habe noch eine Verabredung. Morgen können wir gerne eine Runde machen. Bis morgen und schlaf


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