Du weißt doch, Frauen taugen nichts. Berthold Kogge
ausgezogen war. Es gab viel zu tun, um die Praxis einzurichten und dann zu eröffnen.
Ich dagegen musste am Dienstag zur ARGE, damit die Einzelheiten für meine Vermittlungsversuche nach Schweden besprochen werden konnten. Losgehen sollte das Projekt erst um den 10. September, aber an diesem Dienstag sollte das Grundsatzgespräch geführt werden, um abzuklären, wie die Förderung durchgeführt werden sollte. Wenn alles klappte, konnte ich, bevor das Projekt losging, sogar noch drei Wochen nach Schweden zum Wandern fahren. Kosten würde mich das nur die Zugfahrt, sollte das Wetter während der Wanderung schlecht sein, zwei oder drei Übernachtungen in Schutzhütten, und als Abschluss eine Übernachtung in der Fjällstation Saltoluokta. Ansonsten hatte ich mein Zelt mit, und da ich Verpflegung auch in Lübeck hätte kaufen müssen, würde der ganze Spaß nicht sehr teuer werden.
„Du hast es gut, du kannst nach Schweden fahren“, jaulte spaßeshalber Carola in der letzten gemeinsamen Nacht.
„Jeder so, wie er es verdient“, grinste ich, und drückte sie an mich. „Ich brauch das aber auch. Ich habe seit Jahren keinen Urlaub mehr gehabt. Und bis die Firma pleite ging, habe ich sechs Tage die Woche gearbeitet, hatte kaum Freizeit. Ich brauch den Urlaub, muss meinen Kopf freibekommen. Beim Wandern kann ich alles wieder sortieren und in die Schubladen packen.“
Carola schaute mit einem skeptischen Blick in meine Richtung.
Ich erklärte ihr, wie ich es ja auch bereits während unseres ersten Strandspazierganges, vor ca. drei Wochen angedeutet hatte, dass ich beim Wandern wunderbar abschalten konnte. Irgendwann fangen die Gedanken beim Wandern von ganz alleine an zu schweifen. Man muss sie nur laufen lassen. Dadurch wird alles, was sich so seit der letzten Wanderung, und die war ja bei mir nun schon einige Jahre her, in meinem Kopf angesammelt hat, durch sortiert, so als ob man einen großen Stapel ungeordneter Zettel sortiert und in die entsprechenden Schubladen abgelegt. Ist die Wanderung vorbei, habe ich immer das Gefühl, dass mein Kopf wieder richtig frei ist. Alles ist einsortiert oder, falls überflüssig, weggeschmissen.
Wandern macht den Kopf frei.
Carola fuhr am Montag also nach Hannover. Am nächsten Tag bekam ich eine SMS. „Ich vermisse dich.“
Ich strahlte über alle vier Backen. Das Leben ist schön.
Da Carola in den nächsten Wochen im Stress sein würde, hatten wir vereinbart, dass wir uns erst nach meiner Schwedenreise wieder treffen würden.
Als alles bei der ARGE geklärt war, ich sollte nach dem 10. September einen Supercrashkurs in Schwedisch bekommen, außerdem wollte sich die Auslandsabteilung des Arbeitsames direkt mit dem schwedischen „Arbetsförmedling“ in Verbindung setzen, eilte ich direkt zum Bahnhof und buchte die Zugverbindung nach Gällivare und zurück. Bereits zwei Tage später sollte ich mit dem Zug Richtung Norden fahren. Somit war heute und morgen noch einkaufen und packen angesagt. Alles sehr spontan, aber was soll´s. Jeder Tag zählte.
Am Sonntag, den 03. September musste ich spätestens wieder in Lübeck eintreffen. Am 04. September hatte ich den nächsten Termin bei der ARGE. Bis dahin sollten alle behördlichen Vorbereitungen abgeschlossen sein, damit dann am Montag darauf, das war dann der 11. September, alles beginnen konnte.
Mit meinen Zugtickets in der Hand eilte ich nach Hause, um Carola anzurufen, und ihr die ganzen Neuigkeiten zu erzählen. Das hörte sich doch alles sehr gut an. Die schwedischen Wirtschaftsverbindungen zu Deutschland wurden immer intensiver, und man war davon überzeugt, dass schwedische Unternehmen Leute suchten, die Deutsch als Muttersprache haben, um mit ihren deutschen Geschäftspartnern zu kommunizieren. Deutsche Sanitär- und Heizungsarmaturen waren in Schweden sehr beliebt, sodass gerade Baumärkte in Schweden enge Beziehungen zu Deutschland hatten.
Auch wenn sich das alles sehr toll anhörte, bekam ich langsam aber sicher einen Knoten in meinem Magen. Ich fühlte mich bei Carola wahnsinnig wohl. Sicher, wir waren erst zwei Wochen zusammen, und es wäre Wahnsinn, seine Zukunft darauf auszurichten. Aber dadurch, dass Schweden nun einmal als Arbeits- und Wohnort bei mir in Planung war, gab es da für mich inneren Konfliktstoff. Wäre das mit Carola ein halbes Jahr vorher passiert, wäre es ganz anders gewesen. Man hätte mehr Zeit gehabt, um sich kennenzulernen. Nun musste, da die Frage Schweden – Carola aufkam, aber eine Entscheidung getroffen werden, für die es eigentlich viel zu früh war. Und ich musste feststellen, dass ich für diese Entscheidung nicht bereit war. Ich konnte mich nicht gegen Schweden entscheiden. Aber ich wollte mich auch nicht gegen Carola entscheiden.
Trotz der Schmetterlinge im Bauch war die Lage, ganz simpel ausgesprochen, irgendwie beschissen.
Von zu Hause aus rief ich Carola an und erzählte ihr alles, was zu berichten war. Dass das alles gut aussah, so wie ich mir das vorgestellt habe, fand sie toll. Dass das Endergebnis, wenn alles klappte, so wie ich mir das vorstellte, bedeuten würde, dass ich nach Schweden ziehen musste, schien sie nicht zu belasten, oder sie ließ sich dazu nichts anmerken.
Erst als ich ihr sagte, dass ich wohl von einer richtigen Schwedin einen Crashkurs in Schwedisch bekommen würde, und so wie es bei der ARGE geklungen hatte, sogar als Einzelunterricht, kippte bei ihr, man hörte es regelrecht an ihrer Stimme, die Stimmung.
„Wehe du verliebst dich in sie.“
Das war nicht als Scherz gesagt. Da klang Panik mit. Das war
Eifersucht. Nicht einfach so gespielt, um einen zu necken. Nein, das war eindeutig ernst. Carola hatte wohl gleich eine blonde, schlanke Mittzwanzigerin im Kopf, und fühlte sich nicht konkurrenzfähig.
„Ej, nun mal keine Panik. Da passiert schon nichts.“
„Wer weiß, du hattest dich vor mir so lange nicht verliebt. Vielleicht willst du das jetzt alles nachholen.“
„In dem ich mich jetzt an dauernd neu verliebe?“
„Na ja, so ähnlich.“
Puh, ich war, auch wenn ich mir im Stillen eingestehen musste, dass ich es toll fand, dass sie wirklich ernsthaft eifersüchtig war, ganz schön platt. Mit so einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Eine Lehrerin für Schwedisch. Es war nicht einmal geklärt, wie jung, wie alt, ob dick oder schlank, und ob, wie man sich Schwedinnen vorstellt, mit blonden Haaren.
„Wie kommst du denn auf so einen Quatsch? Ich weiß, dass ich mich selten verliebe. Wenn aber, dann gründlich. Und ich habe mich bereits gründlich verliebt, und bin wahnsinnig happy dabei. Da kann auch eine Schwedischlehrerin nichts daran ändern. Sollte die sich in mich verlieben, käme sie zu spät. Für die ist der Zug jetzt abgefahren.“
So mit der Zeit konnte ich Carola wieder beruhigen. Ich war verliebt, bis über beide Ohren und in die Haarspitzen. Und da konnte nun einmal auch eine Schwedischlehrerin nichts daran ändern. Komisch war das alles aber schon. Die Frage, was passiert, wenn mit der Jobvermittlung wirklich alles so klappt, wie ich mir das vorstellte, wurde nicht gestellt.
Einen Tag, bevor die Schwedenreise losgehen sollte, brachte ich am Vormittag noch die, während meiner Abwesenheit fällig werdenden Bücher zurück in die Bücherei. Mehr per Zufall, als bewusstes Interesse, schaute ich dort auf die Pinnwand, die in dem Vorraum der Bücherei an der Wand hing. Jemand bot eine neue, noch original verpackte Matratze, in der Größe 200 x 140 cm, zum Schnäppchenpreis an. Meine alte Matratze war nur 90 cm breit. 140 cm wären na klar toll, wenn Carola öfters bei mir übernachten würde. Ich schnappte mir den Zettel, eilte nach Haue und rief unter der Telefonnummer an. Ich hatte die Möglichkeit gleich vorbeizukommen. Sollte ich die Matratze kaufen, würde der Verkäufer sie auch zu mir nach Hause bringen. Ich steckte mir das notwendige Geld ein, und machte mich auf die Socken. Wir wurden uns einig und brachten gemeinsam die Matratze zu mir nach Hause. Dann noch schnell in die Stadt, ein entsprechendes Bettlaken kaufen, und Carola und ich konnten nach meinem Urlaub viel bequemer hier übernachten.
Nachdem mein neues Bett gerichtet war, schaute ich in meinen Computer. Ich hatte eine E-Mail von Carola, in der sie sich wahnsinnig entschuldigte.
„So, deine quakige Freundin schreibt dir noch, bevor sie total abstürzt. Die Nachbarn haben ihr Baby geholt, und als Dank für das Babysitten eine Flasche Rotwein dagelassen. Britta und ich trinken und