Du weißt doch, Frauen taugen nichts. Berthold Kogge

Du weißt doch, Frauen taugen nichts - Berthold Kogge


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damals immerhin bei Carola zu einer „Persona non grata“ abgestempelt hat, hing, zumindest bei mir, wie vor langer Zeit ein Schwert über Damokles, über meiner Gefühlswelt. Carola konnte das doch nicht vergessen haben, was damals geschehen war.

      Ein paar Tage später gab Carola dann zu, dass sie für die Nacht keinen Plan B gehabt hatte. Wäre ich nicht zu Hause gewesen, hätte sie, gegen 22:30 Uhr bei mir vor verschlossener Tür stehend, herum telefoniert, ob sie noch wo anders hätte unterkommen können. Hätte sie kein Schlafplatz gefunden, wäre sie wieder Richtung Hannover gefahren, oder hätte einfach in ihrem Wagen übernachtet.

       Hannover-Lübeck-Hannover, das war mehr als 400 km. Fast eine ganze Tankfüllung nur auf Verdacht. Und ich wusste, dass Carola im Grunde pleite war, solange die Praxis nicht lief, sie jeden Cent dreimal umdrehen musste. Im Zeitalter der modernen Kommunikation, das soll heißen, im Zeitalter des Telefons, hätte mir, erst recht nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Carola, das zu denken geben sollen. Tat es zwar auch etwas, aber leider nicht genug.

       Mit meinem heutigen Wissen ist mir klar, dass Carola einfach in der stillen Erwartung losgefahren war, dass es zu keinen Problemen oder Konflikten, wegen ihres Aufschlagens in Lübeck, kommen würde. Es musste so kommen, wie sie es sich in ihrer Traumwelt, heute würde ich es Parallelwelt nennen, gewünscht hatte. Hätte sie nur andeutungsweise von meinen Zweifeln gewusst, wäre sie schon alleine deshalb nie losgefahren, weil sie sich in Lübeck einem Problem hätte stellen müssen. Sie hätte aber auch nicht, wenn sie von meinen Zweifeln eine Ahnung gehabt hätte, angerufen, um zu klären, ob ich wirklich Zweifel habe, und sie diese eventuell durch den Anruf hätte ausräumen können. Das hätte nämlich bedeutet, sich mit einem persönlichen Konflikt zu beschäftigen; vielleicht sogar einem anderen gegenüber einen Wunsch, und damit eine Schwäche zu zeigen. Und so etwas konnte Carola nicht, was ich damals aber nicht wusste. Obwohl, meine Erfahrungen aus dem Jahr 2000, wie Carola mit Konflikten umgeht, hätte mir zu denken geben sollen.

       Hätte - eigentlich.

      „Wenn du nicht möchtest, dass ich in deinem Bett schlafe, kann ich auch im Wohnzimmer auf dem Sofa oder dem Fußboden schlafen.“

      Na, das wäre jetzt aber wirklich albern gewesen. Ich fand ihre „Selbsteinladung ohne Bestätigungsanforderung“ zwar immer noch unmöglich, auch immer mit dem Hintergedanken, über unsere nicht gerade harmonische Vergangenheit, aber wenn sie schon einmal da war …..

      „Nein, nein, das muss nicht sein“

      Das klang lockerer, als es in meinem Kopf zuging. Irgendwo in meinem Kopf wanden sich die Gehirnschleifen immer noch um die Erinnerung, dass Carola mir vor sechs Jahren gezeigt hatte, dass sie völlig unberechenbar ist, und auch ihr Verhalten zu dieser Begegnung hin, war nicht so, zumindest in meiner Vorstellung, wie man mit Menschen umgeht. Ich habe eigentlich immer die Vorstellung, dass man andere Menschen so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte. Hätte ich eine E-Mail nach Hannover geschickt, und wäre dann, ohne auf Antwort zu warten, einfach vor ihrer Wohnungstür aufgeschlagen? Mit Sicherheit nicht.

      Hätte Carola so einen Überfall prickelnd gefunden? Weiß nicht.

       Heutzutage würde ich behaupten, sie hätte es nicht prickelnd gefunden, da sie sich von mir hätte bedrängt gefühlt. Also hat sie schon damals etwas getan, was hier erst viel später zur Sprache kommen wird. Von anderen etwas erwarten, was sie im umgedrehten Fall nie akzeptiert hätte.

      Die Alarmglocke in meinem Schädel, die, wenn auch nur leise, aber doch nicht aufhören wollte zu läuten, machte mich nervös.

      Ich nahm ein zweites Federbett und drückte es seitlich neben die Matratze auf den Lattenrost, um die Ritze zur Wand, meine Matratze war nur 90 cm breit, den Lattenrost aber 140 cm, zuzustopfen, damit ich nicht in die Ritze rutschen konnte. Eine zweite Decke, und das würde dann schon gehen. Wozu überhaupt eine Decke? Bei einer Raumtemperatur, die wohl nur knapp unter 30°C lag, war deren Sinn allerdings wirklich fraglich.

      Und somit kamen wir uns, obwohl Carola ihre Zukunft in Hannover, und ich in Schweden plante, näher.

      Und dafür hatte sie bereits am vorletzten Wochenende ihre ganze freie Zeit eingesetzt, und war heute extra aus Hannover nach Lübeck, ohne zu wissen, ob sie hier willkommen war, gefahren. Das hätte sie doch in ihrem Bekanntenkreis, in dem es auch ausreichend Singles gab, sogar schon vorletztes Wochenende leichter haben können. Peter wäre doch sicher immer bereit gewesen, für eine Nacht das Bett mit ihr zu teilen.

      Und wie lange, dachte Carola eigentlich zu bleiben? Da sie an einem Montag gekommen war, war es, zudem unter Berücksichtigung des immerhin vollen Rucksacks, der ja auch kein kleiner Tagesrucksack, sondern ein ausgewachsener Trekkingrucksack war, anscheinend kein kurzer Wochenendbesuch.

       Heutzutage weiß ich nicht einmal, ob ich mir diese Fragen damals wirklich so intensiv gestellt habe. Erst nach den Erfahrungen der letzten Monate und Jahre stellen sich diese Fragen vielleicht so klar und deutlich da, bzw. ich habe heutzutage auf viele Fragen bereits die Antworten. Antworten auf Fragen, die mir damals wohl gar nicht so richtig bewusst waren. Ich bin mir nach so langer Zeit nicht sicher, was ich damals wirklich dachte. Aber damals ließ ich es einfach darauf ankommen. Die meiste Zeit meines Lebens war ich Single, und sechs Jahre vorher war ich ja in Carola verknallt gewesen. Wäre damals ihre blöde E-Mail nicht gewesen, wären wir vielleicht schon im Jahr 2000 uns, wie weit auch immer, näher gekommen, und es hätte sich dann vielleicht nie die Frage nach Schweden gestellt.

      An nächsten Morgen standen wir erst spät auf. Es hatte schon angefangen zu dämmern, als wir überhaupt zum Schlafen gekommen waren. Ich war zwar schon wieder früh wach, lange schlafen war nie mein Ding gewesen, aber Carola war anscheinend eine Langschläferin. Als sie merkte, dass ich wach war, kuschelte sie sich im Halbschlaf an mich und schlief weiter, während ich sie dabei an- und ihr zusah. Es war ein schönes Gefühl ihre Körperwärme zu spüren. Trotzdem fragte ich mich, wo das hinführen sollte. Für einen One-Night-Stand hatte Carola, selbst wenn es mehrere Nächte werden sollten, ganz schön Aufwand betrieben. Wie schon erwähnt, hätte sie so etwas bereits letztes Wochenende, mit wesentlich weniger Konfliktpotenzial, einfacher haben können. Und für etwas Längeres? Etwas Ernstes?

      Eine Fernbeziehung zwischen Lübeck und Hannover, sollte Carola überhaupt eine ernsthafte Beziehung haben wollen, war sicher noch hinzugekommen. Aber Hannover und irgendwo in, das konnte auch im sehr weit entfernten Norden sein, Schweden. Das musste ein tot geborenes Kind werden.

      „Wann fährst du eigentlich wieder zurück nach Hannover“, fragte ich vorsichtig, als Carola den Übergang vom Halbschlaf zum Wachsein anscheinend durchbrochen hatte.

      „Willst du mich schon wieder los werden?“

      Ihre Stimme klang, obwohl Carola wach schien, doch noch verschlafen.

      Nein, loswerden wollte ich sie nicht unbedingt, darüber war ich mir schon im Klaren. Aber so ein bisschen „Butter bei die Fische“, wie wir Norddeutschen zu sagen pflegen, oder normal ausgedrückt, ein bisschen mehr Information, was Carola sich nun eigentlich mit ihrem Überfall gedacht hat, wäre schon ganz nett.

      „Ohne dich loswerden zu wollen, wie lange hast du geplant hier zu bleiben?“

      Immer noch an mich angeschmiegt kam: „Na ja, die Praxisräume sind gemietet, aber zurzeit können wir nichts machen. Erst in zwei Wochen können wir in die Räume und mit dem Einrichten beginnen. Das, was jetzt getan werden muss, kann Britta auch alleine in Hannover erledigen, bzw. ich hier vom Telefon aus.“

      Britta, das hatte ich bereits am vorletzten Wochenende mitbekommen, war Carolas Kollegin, mit der sie in Hannover eine Physiotherapiepraxis eröffnen wollte. Beide waren, vor nicht ganz einem Jahr, dafür von Lübeck nach Hannover gezogen, da nach irgendeiner Studie, die sie durchgeführt hatten, es in Hannover noch nicht so viele solcher Praxen pro Einwohner geben sollte, wie in Lübeck oder ähnlichen Städten.

      „Und solange willst du hier bleiben?“

      „Wenn ich darf.“

       Es heißt ja,


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