Du weißt doch, Frauen taugen nichts. Berthold Kogge
spät. Die E-Mail war weg, unterwegs nach Hannover. Mal sehen, ob eine Antwort kommen würde.
An nächsten Tag war das geplante Event der ARGE, bei dem ich mich um Hilfe für eine Bewerbung in Schweden kümmern wollte. Ich führte dort, wie meine ARGE-Sachbearbeiterin es mir schon vorgeschlagen hatte, das Gespräch mit der Mitarbeiterin für das „Projekt Profil 300. Da meine Sachbearbeiterin mich bereits dafür empfohlen hatte, das war eine Voraussetzung, um dort überhaupt teilnehmen zu können, und ich einen hoch motivierten Eindruck machte, wurde ich auch angenommen. Das Konzept des Projektes war ganz einfach. Fördere den Kandidaten, so wie er es möchte, solange seine Wünsche in irgendeiner Form machbar sind und nicht ausfallend, und dann mal sehen, was herauskommt. Das Objekt ging bis Ende des Jahres. Losgehen sollte es in der zweiten Septemberhälfte. Somit konnte ich, noch bevor das Projekt praktisch begann, wie erhofft, meinen Schwedenurlaub planen und durchführen.
Was war aber mit Carola?
Nach dem ARGE-Event schaute ich abends in meinen E-Mail Posteingang. Es gab dort einiges. Von Viagra zum Schnäppchenpreis, über einen garantierten Gewinn eines Mittelklassenautos, bis kostenlose Reisegeschenke war alles vertreten. Aber keine E-Mail von Carola. Also war alles doch nicht so heiß, wie ich es eventuell gefühlt hatte. War sicher auch besser so, da immerhin Schweden wartete, und das nun sogar in doppelter Hinsicht. Und ihr mieses Verhalten, das sie vor sechs Jahren an den Tag gelegt hatte, erinnerte auch noch daran, dass es wohl besser war, die Finger von ihr zu lassen.
Von Freitag bis Montag hatte ich so viel Stress, dass ich gar nicht daran dachte, mein E-Mail-Konto durchzusehen. Ich hatte noch ausgeliehenes Geld zurück zu bekommen, und da ich nun einmal selbst knapp bei Kasse war, musste ich schnell hinter dem Geld her drängeln, was wie immer auf wenig Gegenliebe stieß. Man sollte wirklich niemals Geld verleihen, erst recht nicht, wenn man eigentlich selbst gar nichts hat. Wer weiß, wann man es zurückbekommen würde. Und ich brauchte die Knete nun einmal für meine Schwedenreise.
Erst am Montagnachmittag schaffte ich es, glücklich mit ein paar Scheinen mehr in meinem Portemonnaie, mir mein E-Mail-Konto anzuschauen, und war überrascht eine E-Mail von Carola, die sie bereits gestern geschrieben hatte, im Posteingang zu finden. Sie bedankte sich in der E-Mail für meine netten Zeilen und schrieb, dass sie am Montag um 22 Uhr vor meiner Tür stehen würde.
Montagabend. - - Das war heute.
Puh. Was war das jetzt? Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich hatte mit einer Antwort gerechnet, nach dem Motto, „danke, dass du mir eine E-Mail geschickt hast, habe mich gefreut, vielleicht sehen wir uns ja irgendwann“.
Aber nun wollte sie heute Abend hier bei mir aufschlagen.
Eine ganz kleine, leise Alarmglocke fing in meinem Kopf an zu klingeln. Nur leise, aber ich hörte sie.
Carola wohnte in Hannover. Wieso wollte sie heute Abend bei mir aufschlagen? Wieso wollte sie, wenn sie zufällig doch so kurzfristig erneut in Lübeck ist, mich nicht mit den vielen anderen, die sie ja nun am vorletzten Wochenende kaum gesehen hatte, und bei denen sie ja doch wohl einiges nachzuholen hat, in einer Kneipe treffen?
Und wenn sie sich nur mit mir treffen wollte, wo gedachte sie zu übernachten? Wieder bei Carmen und Hans, wie bereits vorletztes Wochenende, und die sie, durch ihre Treffen mit mir, sicher ziemlich verprellt hatte? Wollte sie sich abermals bei denen einquartieren, wenn sie ihre Zeit in Lübeck dann mit mir verbringen wollte? Wenn sie aber nicht nur mich sehen würde, und dann auch entsprechend bei anderen übernachtete, warum sollten wir beide uns bei mir treffen, und nicht im „alten Zolln“, im „Carrickfergus “, oder sonst wo?
Und wieso hatte sie nicht angerufen, um überhaupt zu fragen, ob ich Zeit habe, mich mit ihr zu treffen? Mich angerufen und nicht erreicht, hatte sie nicht, das hätte ich auf dem Telefondisplay gesehen.
Egal wie toll der Sonntag gewesen war, konnte die Frau doch nicht vergessen haben, was vor sechs Jahren passiert war. Und jetzt schickte sie wieder eine E-Mail, wo doch ein Anruf viel sinnvoller und kommunikativer gewesen wäre.
Nach dem Motto:
„Hallo Berthold, danke für deine E-Mail, ich bin am Wochenende wieder in Lübeck, wollen wir uns treffen?“
Oder:
„Hallo Berthold, danke für deine E-Mail, würde am Wochenende gerne zu dir kommen. Wollen wir was unternehmen? Müsste aber auch bei dir übernachten können.“
Aber anstatt zu telefonieren, einfach eine E-Mail, bei der man nicht einmal genug Zeit hat zu reagieren. Auch wenn Carola die E-Mail schon am Sonntag geschrieben hat, wusste sie doch nicht, wie oft ich in mein E-Mail Postfach schaue. Hatte Carola aus dem Desaster von vor sechs Jahren, das damals so heftig gewesen war, dass sie es nicht vergessen haben konnte, denn nichts gelernt?
Ein bisschen dämmerte mir der E-Mail Streit ins Gedächtnis, der sich vor sechs Jahren abgespielt hatte.
Damals hatte sie, obwohl ich persönlich und telefonisch erreichbar gewesen war, eine E-Mail an meine Firmenadresse geschrieben. Nun hatte sie, das war immerhin schon ein Fortschritt, an meine Privatadresse eine E-Mail geschickt. Aber sich per Mail selbst einzuladen, ohne zu wissen, ob man Zeit hat. Und wo will sie übernachten? Doch nicht etwa bei mir. Wir hatten uns, auch wenn der Sonntag wirklich toll gewesen war, nachts kühl mit einem Handschlag verabschiedet. Und überhaupt verabredet man sich doch nicht einfach so per E-Mail, sodass man nicht einmal rechtzeitig antworten kann, ob man überhaupt Zeit hat, und wie der Abend gestaltet werden soll. Zumindest tut man doch wohl so etwas nicht, wenn man sich im Grunde nicht kennt und keine Verbindung miteinander hat, wenn man einmal von dem E-Mail-Intermezzo von damals absah.
Will sie wirklich hier übernachten, ohne zu fragen, ob es mir passt? Was sollte ich tun? Anrufen? Ich hatte keine Telefonnummer. E-Mail? Wer weiß, ob sie die noch liest, bevor sie los fährt. Vielleicht ist sie ja sogar schon auf der Autobahn. Und selbst wenn sie die E-Mail rechtzeitig lesen würde, wann sollte sie dann antworten, um auf meine Absage, oder auf meine Frage, wie sie sich das Treffen vorstellt, wiederum per E-Mail zu reagieren? Immerhin war tolles Wetter. Ich wollte eigentlich nicht den ganzen Tag in der Bude hocken und auf einen Anruf von ihr warten.
Wollte sie mir die Möglichkeit nehmen, die Sache zu stornieren? Nach dem Motto: Hätte ich angerufen, hätte er vielleicht „nein“ gesagt. Wenn ich erst einmal vor der Tür stehe, wird er mich schon nicht rausschmeißen.
Ist das ihre Methode mit Situationen umzugehen, bei der man auf Zusagen von andern angewiesen ist? Einfach ein „Nein“ zu umgehen, in dem man gar nicht erst fragt, sondern einfach vollendete Tatsachen schafft?
Und auch nach dem Sonntagabend, bzw. der halben Nacht auf dem Schiffsanlegesteg, war immer noch nicht klar, wieso Carola am Samstagnachmittag so nervös gewesen war, dass sie um 14:00 Uhr schon ein Starkbier hatte trinken müssen, und wieso sie fast das ganze Wochenende mit mir zusammen verbracht hat, ohne mir zu sagen, warum sie so nervös gewesen war. Wenn es wegen ihres Verhaltens von damals gewesen war, hätte sie es ja, bei unserem gemeinsamen Spaziergang, oder abends auf dem Schiffsanleger aus der Welt schaffen können. Oder war da noch etwas anderes gewesen, weswegen sie an der alten Sache nicht rühren wollte?
Egal ob am Strand oder abends auf dem Schiffsanleger. Wir hatten wunderbar miteinander geplaudert. Sie hatte von Peters Geburtstagsfeier gesprochen, von ihren Plänen in Hannover. Ich von meinen Plänen in Schweden. Und da wir alleine schon fast vier Stunden auf dem Steg gesessen hatten, mussten wir auch noch über andere Dinge gequatscht haben. Über was weiß ich nicht mehr. Aber es war nicht, nicht einmal andeutungsweise, zu einem Gespräch über eine nähere engere Beziehung zwischen uns beiden gekommen. Und Hände halten, gegenseitiges Anlehnen oder sonstige Annäherungsversuche, hatten wir auf dem Schiffsanleger auch nicht, nicht einmal andeutungsweise durchgeführt. Und nun heißt es plötzlich „bin gleich da“.
Ich hatte keine Ahnung, was das sollte. Und ich hatte keine Ahnung, was ich wollte, und wie ich damit umgehen sollte.
Das, was da als Antwort auf meine E-Mail gekommen war, wollte ich auf jeden Fall nicht. Zumindest nicht so. Hätte sie angerufen, hätte ich eine Wahl gehabt. Das wäre fair gewesen, und man hätte sich absprechen können. Immerhin