Du weißt doch, Frauen taugen nichts. Berthold Kogge

Du weißt doch, Frauen taugen nichts - Berthold Kogge


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sie den größten Teil ihres Wochenendes in Lübeck, dem Ersten seit mehreren Wochen, wenn man einmal von ihrem Pflichtprogramm der Geburtstagsfeier und dem Samstagvormittag bei ihren Übernachtungswirten absieht, mit mir. Was war mit den ganzen anderen Leuten, die sie auch schon seit Wochen nicht mehr gesehen hat, und die, entgegen meiner Wenigkeit, zu ihrem Freundeskreis zählten?

       Später, als wir zusammen waren, erzählte sie mir, wie nervös sie wirklich an diesem Samstagnachmittag gewesen war. Und dass das Starkbier kein bisschen genutzt hatte, um die Nervosität etwas einzudämmen. Während der Geburtstagsfeier, die in einer Kleingartenanlage gefeiert wurde, war sie die meiste Zeit, während die anderen saßen und quatschten, mit Peters Gießkanne verträumt durch die Beete gegangen, um diese in Ruhe zu gießen - und an mich denken. Und das auch mit einem nervösen Beigeschmack, wegen des Frühstückstreffens, das sie mit mir für den folgenden Tag vereinbart hatte.

      Und nun war genau dieses Frühstück vorbei, wir fuhren an den Strand, und ich grübelte darüber, was das alles hier sollte.

      – Eine Bemerkung über das heiße Wetter, damit ich nicht den Anschein erwecken würde, dass ich grüble, dann wieder irgendein Gespräch, an das ich mich heute nicht mehr erinnere, und schon waren wir am Strand.

      Eine Ecke der Lübecker Bucht auf der Seite von Meck-Pomm, die ich nicht kannte, da sie früher mit Stacheldraht vom Westen abgeschnitten gewesen war.

      Wir bekamen, auch wenn in dem Ort alle Bauern gegen Entgelt ihre Höfe als Parkplatz umfunktioniert hatten, nur mit Müh und Not einen Stellplatz für den Wagen, gingen das kurze Stück zum Strand, und dort barfuß durch den Sand und durch das Wasser. Irgendwann setzten wir uns irgendwo in die Dünen. Carola rauchte eine Zigarette und erzählte, dass sie die frische Meeresluft in Hannover vermisst. Gerade während dieses heißen Sommers stand die Luft dort in den Straßen. Hier am Meer wehte wenigstens eine leichte Brise, die selbst dieses Mittelmeerklima erträglich machte. Ich weiß noch, dass aus der Travemündung eine Fähre Richtung Schweden herausfuhr, und ich Carola erzählte, dass ich diesen Sommer mit meinem letzten Geld nach Schweden reisen wollte. Mit dem Zug hoch bis Abisko und von dort mit Zelt und Rucksack ins schwedische Fjäll. Ich erzählte, dass ich das dringend brauchte. Wandern ist, wie „Gehirn aufräumen“. Man wandert mit dem ganzen Müll, der sich mit der Zeit, eigentlich seit der letzten Wanderung vor mehreren Jahren, im Kopf angesammelt hat, dort durcheinander herumliegt, und lässt beim Wandern die Gedanken einfach schweifen. Es ist immer wieder faszinierend, auf welche Wege sich die Gedanken machen, wenn man sie einfach treiben lässt. Ist die Wanderung beendet, ist der ganze Müll sauber in Schubladen eingeräumt. Carola musste lachen. Wir schauten beide, jeder in seinen eigenen Gedanken vertieft, der Fähre nach.

      Irgendwann stand Carola auf, zog sich aus und ging baden. Ich blieb am Strand bei den Sachen sitzen und schaute ihr gedankenverloren nach, bis sie wieder aus dem Wasser kam. Ein Handtuch brauchte sie nicht. Bei der Sommerhitze war sie schon fast wieder trocken, als sie bei mir ankam.

      Worüber redeten wir sonst noch dort am Strand? Ich weiß es heute nicht mehr. Aber es war, ohne irgendwelche Einschränkung, ein toller Tag gewesen.

      Irgendwann musste Carola zurück nach Lübeck, da sie Peter versprochen hatte, Stühle, die er sich für seine Geburtstagsfeier bei irgendjemandem aus Bad Schwartau, einem Ort nördlich von Lübeck, ausgeliehen hatte, wieder dorthin zurückzubringen. Wir bummelten also zurück zum Auto und fuhren wieder nach Lübeck.

      Wieder in Lübeck eingetroffen setzte Carola mich in der Nähe meiner Wohnung ab. Ich wollte gerade die Beifahrertür zuschlagen, und lauerte nur noch auf ein „tschüss, dann mach es mal gut, viel Spaß in Schweden, ich kann mich ja mal melden, wenn ich wieder in Lübeck bin“, da kam: „Wollen wir uns nachher noch treffen, wenn ich die Stühle für Peter wegtransportiert habe?“

      Wow – Carola hatte auf der Rückfahrt vom Strand erzählt, dass sie morgen ganz früh, fast noch in der Nacht, wieder nach Hannover fahren musste. Und nachdem sie nun schon bereits die meiste Zeit ihres Lübeckaufenthaltes nur mit mir verbracht hat, wollte sie sogar noch, nachdem ihr Versprechen an Peter eingelöst war, den Abend mit mir verbringen.

      Ich sagte zu und zeigte kurz auf das Haus, in dem ich wohnte. Sie wollte gegen 20:00 Uhr bei mir klingeln.

      Ich ging nach Hause und schaute dort übers Internet schwedische Nachrichten, da ich mit der Sprache vertraut werden wollte. Wie ich in den Nachrichten erfuhr, stöhnten auch die Schweden über die Hitze.

      Um 21:00 Uhr, im Stillen hatte ich nicht mehr damit gerechnet, klingelte es an der Tür. Ich öffnete durch den Summer, hörte durch das Treppenhaus, wie die Haustür unten aufgeschlagen wurde, und lehnte mich gegen den Wohnungstürrahmen, während ich hörte, wie jemand die Treppenstufen hochstieg.

      Es war wie erwartet Carola, die leicht pustend die Treppe hochkam. Nach dem Strandspaziergang und dem Stühletragen schien sie etwas geschafft zu sein.

      Ich sagte irgendwas wie „Hallo“ und trat beiseite, sodass sie in die Wohnung konnte.

      „Hast du was zu trinken“, kam es zurück. Ich hob ein Paket Multivitaminsaft Flaschen hoch. Carola nickte zustimmend.

      „Was nun“, fragte ich, immer noch verwundert, dass sie auch den Abend mit mir verbringen wollte.

      „Wollen wir uns auf einen von den Schiffsanlegern am Kanal setzen?“

      Ich hatte nichts dagegen. Bei mir in der Wohnung waren es nur wenig unter 30°C, und auch wenn alle Fenster aufgerissen waren, stand die Luft. Da war es schön, noch einmal nach draußen zu kommen.

      Am Kanal angekommen, setzten uns auf einen der Schiffsanleger, die auf den Kanal hinausragten, und an denen oft Binnenschiffe anlegten, um dort die Nacht zu verbringen. Unser Anleger war frei, ohne Schiff und ohne menschliche Konkurrenz, sodass wir uns ganz am Kopfende des Anlegers hinsetzen konnten.

      Auch von diesem Gespräch weiß ich nur noch wenig. Ich weiß nur noch, dass es eine tolle Nacht war. Wir verstanden uns toll. Wir plauderten völlig locker, ohne dass irgendetwas Erzwungenes dabei war. Es waren immer noch gute 25°C draußen, wenn nicht sogar noch mehr. Eine friedliche Sommernacht. Ich fühlte mich in der Gesellschaft von Carola sauwohl, und ehe ich mich versah, war es ein Uhr morgens und es wurde für Carola Zeit zu gehen. Carmen und Hans waren sowieso schon auf sie sauer, weil der Abend eigentlich mit ihnen verplant gewesen war. Nun blieb denen am nächsten Morgen, bis dahin konnte Carola nur noch wenige Stunden schlafen, ein kurzer gemeinsamer Kaffee, an einem sehr frühen Frühstückstisch, bevor sie wieder nach Hannover fahren würde.

      Carola gab mir noch ihre E-Mail-Adresse. Ich sollte ihr etwas Nettes auf Schwedisch schreiben. Sie sagte, dass sie ein Wörterbuch Deutsch/Schwedisch zu Hause hätte, und sich freuen würde, es mal benutzten zu können.

      Dann gaben wir uns zum Abschied die Hand. Kühl, fast als wären wir Geschäftspartner, die sich, nach einem Meeting mit erfolgreichem Geschäftsabschluss, verabschiedeten.

      Auf dem kurzen Weg nach Hause fragte ich mich, ob ich hätte versuchen sollen, ihr einen Kuss aufzudrücken. Vielleicht nicht gleich auf den Mund, aber zumindest auf die Wange angedeutet. Der kühle Händedruck hatte so etwas Formelles gehabt, das hatte irgendwie den Schluss dieses tollen Abends, bzw. dieser Nacht, ziemlich blöd beendet.

      Jetzt war es zu spät. Und was soll´s. Wenn sie wirklich in ein paar Wochen wieder nach Lübeck kommen würde, wohnte ich vielleicht schon in Schweden, oder bereitete gerade den Umzug vor. Und überhaupt, auch wenn wir uns toll unterhalten hatten, hatte Carola mir, da war ich mir sicher, irgendetwas verschwiegen. Es blieb etwas Unausgesprochenes zurück. Ihr Verhalten war zu verschieden gewesen, im Vergleich zu dem E-Mail-Intermezzo, von vor sechs Jahre, über das wir uns weder auf dem Schiffsanleger noch am Strand oder beim Frühstück unterhalten hatten.

      So ging der Montag, der Dienstag, und auch der Mittwoch ins Land. Am Mittwochnachmittag war mein Widerstand dann endgültig gebrochen. Also schrieb ich ihr auf Schwedisch die zugesagte E-Mail.

      „Ich hoffe es hat alles geklappt und du konntest den Mietvertrag für deine Praxisräume unterschreiben. Liebe Grüße. Berthold.“

      Absenden?


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