Du weißt doch, Frauen taugen nichts. Berthold Kogge

Du weißt doch, Frauen taugen nichts - Berthold Kogge


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unter den Tisch gekehrt. Man tat einfach so, als ob nie etwas geschehen war.

      Aber ich konnte es nicht leugnen. Trotz der Fragezeichen, trotz der nicht geraden positiven Erfahrung in der Vergangenheit, hatte ich Herzklopfen. Also konnte ich mir auch das Grübeln sparen. Irgendwann würde heute spät abends Carola bei mir aufschlagen. Dann würden wir weiter sehen. Ändern konnte ich daran sowieso jetzt nichts mehr. Es sei denn, ich lösche alle Lichter, tue so, als ob ich ihre E-Mail noch nicht gelesen habe, und ich, da der Abend anders verplant, nicht zu Hause bin. Aber das wäre albern gewesen.

      Ich räumte also notdürftig die Wohnung auf und setzte mich dann an meinen Computer, um mein Schwedisch weiter zu verbessern. Zuerst mit Kopfhörer, da damit die Sprache unverfälschter ins Ohr dringen konnte, ab 21:30 Uhr in natura, damit ich nicht aus Versehen die Wohnungstürklingel überhören würde.

      Äußerlich völlig locker, schaute ich doch mindestens alle fünf Minuten auf die Uhr, und als 22:00 Uhr vorbeiging, wohl sogar noch öfters.

      Gegen 22:30 bimmelte die Wohnungsklingel.

      Ich druckte auf den Summer und lauschte durch das Treppenhaus, ob die Haustür unten aufgeht, und ging, als ich das Klacken der Haustür vernommen hatte, wieder ins Wohnzimmer an meinen Computer, während ich die Wohnungstür angelehnt offen ließ. Carola wusste ja noch vom vorletzten Wochenende, in welcher Wohnung ich wohnte, und auch wenn ich mich freute, war ich mir nicht klar darüber, was ich von der ganzen Sache halten sollte und wollte sie etwas distanziert, und nicht gleich freudestrahlend an der Tür, begrüßen.

      Carola kam mit einem großen Wanderrucksack auf dem Rücken in die Wohnung. Der Rucksack schien ziemlich voll zu sein. Das sah zumindest schon einmal nicht so aus, als ob sie nur hier wäre, um mich zu einem Kneipenbummel abzuholen.

      „Guten Abend, Hallo da bin ich.“

      „Das merk ich. Was machst du denn schon wieder in Lübeck?“

      Eine blöde Begrüßung, aber auch ich hatte mal das Recht nervös zu sein. Und dieses Gefühl hatte ich nicht, wie Carola vorletztes Wochenende am Samstag, mit Starkbier leicht betäubt. Zumindest grinste ich sie dabei, sodass es aussah, als ob ich mich über ihr Erscheinen freute, an.

      „Ich wollte unbedingt hier herkommen. Im Moment kann ich sowieso in Hannover nichts machen.“

      „Warum wolltest du denn unbedingt nach Lübeck?“

      Carola zuckte mit ihren Schultern. „Nur so.“ Und lachte mich etwas verlegen an. Dabei stellte sie den Rucksack, der zwar voll, aber nicht unbedingt sehr schwer schien, ab.

      Vielleicht hätte ich doch vorher zwei Flaschen Starkbier oder eine halbe Flasche Rotwein trinken sollen.

      In irgendwelcher Weise, wie weiß ich heute gar nicht mehr, beschnupperten wir uns irgendwie. Carola war wie ich nervös, das merkte ich ihr an. Es schien Carola durchaus klar zu sein, dass ihre Selbsteinladung ohne Bestätigungsformular nicht ganz in Ordnung war. Und sie schien sich zu fragen, ob sie wirklich, immerhin sogar mit vollem Rucksack, willkommen war.

      Bei allem Herzklopfen mischte sich doch auch ein bisschen Schadenfreude mit in meine Gefühlswelt hinein. Das hatte sie sich selbst eingebrockt. Das kommt davon, wenn man statt anzurufen eine E-Mail schickt, um eine Absage zu verhindern.

      Zumindest schien uns beiden klar zu sein, dass die Situation nicht ganz normal war, und keiner von uns beiden so richtig wusste, wie es jetzt weiter gehen sollte. Wobei ich eindeutig den moralischen Vorteil hatte, diese Situation so nicht heraufbeschworen zu haben. War auch irgendwie fair, immerhin hatte sie sich die Sache eingebrockt. Eigentlich hätte sie sich so etwas bereits denken können, als sie die E-Mail auf den Weg gebracht hatte.

      Endlich machte Carola den Vorschlag, einen Spaziergang durch die nächtliche Altstadt zu machen, da sie mehrere Stunden in ihrem Auto gesessen hatte, und ihr nach etwas Bewegung war. Dagegen war nichts einzuwenden, da die Temperaturen sich in den letzten acht Tagen nicht verringert hatten, und im Freien wenigstens noch ein schwaches Lüftchen wehte.

      Ich war erleichtert, dass eine Richtung vorgegeben war, und die Situation sich dadurch erst einmal entspannte.

      Ich schaltete sofort meinen Computer aus, und wir gingen mit zwei Flaschen Multivitaminsaft nach draußen und schlenderten durch die Altstadt. Die Luft hatte noch immer, obwohl es schon fast 23 Uhr spät war, mindestens 25°C. Am Mühlenteich setzten wir uns auf eine Bank und schauten über den Teich in Richtung Mühlenstraße, auf der um diese Zeit nur noch schwacher Autoverkehr, den man zwar sehen, aber nicht hören konnte, herrschte. Der Dom von Lübeck, links von uns, durch starke Lichtstrahler angestrahlt, spiegelte sich vor uns im dunklen, spiegelglatten Mühlenteich. Ein paar Schritte von uns entfernt, schliefen ein paar Enten auf dem Rasen am Ufer, und ließen sich von uns nicht stören. Die Stimmung war ruhig, still, romantisch, nervös, gespannt, und ????? Keine Ahnung, wie man sie sonst noch nennen könnte. Zumindest hatten wir auf dem Weg zum Mühlenteich kaum gesprochen. Und selbst wenn man mich unter Folter setzen würde, ich wüsste heute nicht mehr, über was wir dort auf der Bank geredet haben, und ob wir viel oder wenig miteinander geredet haben, während wir dort auf der Bank saßen. Aber, wenn man einmal davon absah, dass ich mich fragte, wie es weiter gehen sollte, immerhin stand bei mir zu Hause noch ein voller Rucksack, der nicht mir gehörte, herum, war es ein toller Abend, bzw. da schon fast Mitternacht, eine tolle Nacht.

      Nachdem wir am Mühlenteich eine ganze Weile auf der Bank gesessen hatten, gingen wir auf dem Mühlendamm, auf dem im Mittelalter die städtischen Mühlen gestanden hatten, in Richtung der Wallstraße. Von dort ging es durch das Kaisertor aus dem 13. Jahrhundert, das in die Wallanlagen aus dem 16. und 17. Jahrhundert eingebunden war, hinab zum Elbe-Lübeck-Kanal, der hinter den Wallanlagen, ein paar Treppenstufen abwärts, lag. Der Fußweg durch den Einschnitt der alten Wallanlagen war stockdunkel. Keine Laterne leuchtete den Weg aus, und auch der Mond wurde von den Bäumen verdeckt. Durch das Kaisertor ging es noch relativ gut. Aber die grob gehauenen Felssteine, die hinter dem Tor als Treppe zum Spazierweg an dem Kanal führten, waren nur zu erahnen, und man konnte leicht stolpern. Und im Dunkeln sah man nicht, wohin man fallen würde.

      Carola zögerte und wäre wohl am liebsten umgedreht, sagte aber nichts, während ich vorging und versuchte sie so gut es ging zu führen. Ohne Unfall schafften wir es durch diese hohle Gasse, zum Fußweg am Kanal zu kommen, dessen Verlauf, vom Mond und dessen Spiegelung auf dem Wasser, so gut ausgeleuchtet war, dass wir ohne Gefahr zu meiner Wohnung zurückgehen konnten.

      Bei mir zu Hause wartete immer noch der Rucksack, von dessen Anwesenheitsgrund Carola immer noch nichts erzählt hatte. Und es war auch inzwischen ca. ein Uhr morgens. Irgendwo am Kanal zelten wollte sie sicher nicht.

      Empfand Carola es als selbstverständlich, dass sie bei mir übernachten konnte, oder scheute sie, wie schon vor sechs Jahren, eine direkte Konfrontation? Bei dem Gedanken, wie Carola vor sechs Jahren reagiert hatte, fing erneut die Alarmglocke in meinem Kopf leicht an zu bimmeln. Aber nur ganz leise, sodass ich sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr hörte.

      Ohne dass wir noch über irgendetwas gestolpert waren, schafften wir es heil wieder zu mir nach Hause.

      „Wo kann ich denn schlafen? Ist noch Platz in deinem Bett?“

      Und da war sie, die Frage aller Fragen. Wobei Carola nicht fragte, ob sie überhaupt bei mir schlafen konnte. Das hatte sie, ohne zu fragen, wie auch überhaupt ihre Einladung, schon für sich geklärt. Es drehte sich nur noch um die Frage wo.

      „Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht.“

      Das war nicht ganz die Wahrheit, aber auch nicht so ganz gelogen. Eigentlich hatte ich mir ja eher gefragt, wo sie in Lübeck überhaupt übernachten wollte. Meine Wohnung vermutete ich da, wenn denn überhaupt, nur als eine Option von mehreren (sie hatte doch wohl sicher einen Plan B). Aber sollte sie sich für meine Wohnung entscheiden, hatte ich mir über die Details noch keinen Kopf gemacht. Eigentlich war ich auch immer noch der Meinung, dass man jemanden vorher fragt, zumindest wenn man kein Partnerverhältnis hat und eine durch Missverständnisse geprägte, gemeinsame Vergangenheit, ob man bei jemandem übernachten darf. Auch wenn wir uns vorletztes Wochenende wirklich gut verstanden hatten, gehörte


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