White Moon. Leni Anderson

White Moon - Leni Anderson


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ihr den Gang herunter.

      „War das wirklich ...“, fange ich an.

      „Jipp, das war wirklich mein Bruder. Und seine, na ja, nennen wir es mal Bettgespielin.“

      „Nicht seine Freundin?“

      „Nein.“ Chris schüttelt den Kopf. „Sie bestehen beide darauf, dass sie kein Paar sind.“

      „Warum denn das?“

      „Das erkläre ich dir ein anderes Mal. Erstmal nimmst du das hier und eine heiße Dusche.“ Er drückt mir eine kleine weiße Tablette in die Hand und für einen Moment steigt Panik in mir auf.

      „Keine Sorge, das ist nur 'ne Aspirin. Deine Klamotten hat Roberta für dich gewaschen. Du findest sie im Bad.“

      „Die Klamotten oder Roberta?“ Jetzt ist es an mir, zu grinsen. Der hämmernde Kopfschmerz lässt mich dies aber augenblicklich bereuen.

      „Witzig“, zwinkert mir Chris zu, dem mein schmerzverzerrtes Gesicht nicht entgangen ist.

      „Danke“, nuschle ich, „und wer ist Roberta? Ist sie auch ein ...“ Ich wage nicht, das Wort in den Mund zu nehmen. Den ganzen Morgen schon wirbelt es in meinem Kopf herum. Wenn Chris einer ist, dann Liam garantiert auch. Und Angel. Und folglich vielleicht auch ...

      Oh Himmel! Das ist doch absurd.

      „Nein, sie ist kein Vampir. Sie ist Puerto Ricanerin und die gute Seele unseres Hauses. Na ja, unserer Wohnung. Sie trägt das Herz auf der Zunge und stellt nicht allzu viele Fragen. Den Rest bemerkst du schon noch, wenn du ihr begegnest. Das Bad befindet sich den Gang runter rechts.“

      „Du meinst gegenüber von ...?“

      „Ja, genau. Hör einfach nicht hin. Man gewöhnt sich mit der Zeit daran.“ Mit diesen Worten steht er vom Bett auf und verlässt das Zimmer. „Ich bin in der Küche.“

      Der Tag schien verheißungsvoll zu werden.

      Das Bad ist mehr, als man von einem Badezimmer einer Wohnung erwartet hätte. Sowohl eine geräumige Dusche als auch eine Badewanne finde ich vor. Alles ist aus edlem weißen Marmor. Das Doppelwaschbecken verfügt sogar über indirektes Licht.

      Nicht schlecht.

      Auf einer kleinen hölzernen Truhe finde ich meine Hose, mein Spitzentop und, herrje, sogar meine Unterwäsche. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich eine eng anliegende Boxershorts trage.

      Verdammt.

      War das etwa seine? Ich beschließe, lieber nicht danach zu fragen, und denke auch lieber nicht darüber nach, wie sie an meinen Körper gekommen ist.

      Stattdessen stelle ich mich in die Dusche und lasse das Wasser an. Vorsichtshalber dränge ich mich in die äußerste Ecke der Kabine, doch anstatt kalten Vorwassers läuft es direkt in einer angenehm warmen Temperatur aus der Düse.

      Die heiße Dusche tut gut. Es fühlt sich fast an, als würde ich all den Frust von gestern, allen Stress und Ärger abwaschen und zum Abfluss hinunter spülen.

      Nachdem ich mich abgetrocknet und angezogen habe, die Klamotten duften herrlich, sehe ich mich nach einer Bürste für meine Haare um. Als hätte Roberta meine Bedürfnisse vorausgeahnt, liegen im Spiegelschrank über dem Waschbecken in einem Utensilio mit der Aufschrift Hannah eine neue Bürste, Schminkutensilien und, dem Himmel sei dank, eine neue Zahnbürste bereit. Sogar einen neuen Föhn finde ich im Unterschrank des Waschbeckens.

      Eine ganz passabel aussehende Hannah schaut mir im Spiegel entgegen. Durch das Wasser ist allerdings das Pflaster an meiner Stirn völlig aufgeweicht. Gebannt ziehe ich es ab. Ein hässlicher Kratzer kommt zum Vorschein, umgeben von einer rötlichen Beule.

       Das wird bestimmt noch schön blau.

      Dann mache ich mich auf den Weg in die Küche. Schwer zu finden ist sie nicht. Das Stimmengewirr ist zu hören, noch bevor ich die Tür vom Badezimmer vollständig geöffnet habe. Leise trete ich auf den Flur und lausche.

      „Himmel, Chris, hast du sie immer noch nicht verwandelt?“, höre Liam fragen.

      „So schwer ist das nicht, weißt du“, stimmt Angel ihm zu. „Nur ein kurzer Biss hier, ein bisschen Blut da, ein kleiner Tod und: Tadda! Ein neuer Vampir ist geboren.“

      „Ich weiß, wie das mit der Transformation funktioniert“, erwidert Chris genervt. „Ich will sie nur erst kennen lernen, bevor ich sie verwandle.“

      „Wovor hast du solche Angst?“, fragt Angel genervt. „Ich meine, ihr seid Seelenpartner. Was soll passieren?“

      „Na ja“, erwidert Liam, „mir würde da schon was einfallen.“

      Ein bisschen schäme ich mich, dass ich hier so reglos auf dem Flur herumstehe. Ob ich mich vielleicht doch bemerkbar machen sollte?

      „Hannah, ich weiß, dass du vor der Tür stehst. Komm ruhig rein.“

       Chris.

      Wie hatte er das nur bemerkt?

      „Guten Morgen nochmal“, begrüße ich alle schüchtern.

      Angel und Liam sitzen am Frühstückstisch und haben diesmal glücklicherweise mehr Klamotten an als vorhin. Chris steht mit einer Tasse Kaffee in der Hand an den Küchentresen gelehnt. „Setz dich doch.“

      Der Tisch ist herrlich gedeckt und lässt an nichts mangeln. Von frischen Brötchen über Eier, Obst und Joghurt, an alles ist gedacht. Schade nur, dass mir nach den kurzen Gesprächsfetzen der Appetit vergangen ist. Um mir nichts anmerken zu lassen, greife ich wenigstens nach einer Tasse und gieße mir den nächsten Koffeinkick ein.

      „Also, Hannah“, sagt Angel kauend zu mir „was meinst du, warum er dich noch nicht verwandelt hat?“

      Gebannt starre ich in meinen Kaffee und beobachte die kleinen Blasen, die beim Eingießen der Milch entstanden sind und jetzt langsam vor meinen Augen zerplatzen. Es dauert einen Moment, bis ich meine Sprache wieder finde. „Verwandelt hat?“

      Drei Augenpaare schauen mich todernst an. Dann wenden sich zwei dieser Augenpaare an Chris.

      „Ich dachte“, fängt Liam an.

      Chris reibt sich genervt über die Augen. „Fuck, so weit war ich noch nicht.“

      Angel lacht genervt auf. „Echt jetzt? Du triffst sie seit Wochen und sie weiß noch nichts über ihr Schicksal?“

      Betreten schaut Chris zu Boden.

      „Welches Schicksal?“, frage ich so ruhig nach, wie ich es in dieser Situation eben aufbringen kann.

      „Welches Schicksal?“ Angels Tonfall wird zunehmend gereizt.

      „Okay, Angel, genug. Ich denke es liegt an mir, ihr alles zu erzählen. Und das werde ich garantiert nicht hier tun.“ Chris‘ Stimme lässt keine weiteren Widerworte zu.

      „Ich finde, sie sollte ausreden.“

      Chris funkelt mich an.

      Ich versuche, möglichst gelassen an meinem Kaffee zu nippen.

      Das Grinsen auf Angels Gesicht strahlt eine gewisse Selbstzufriedenheit aus. Hoffentlich hatte ich nicht zu sehr ins Hornissennest gestochen ...

      „Also, pass auf: Du und Chris seid füreinander bestimmt. Er weiß das und du auch. Oder willst du mir weiß machen, dass du das Summen in deinem Körper nicht hörst? Ich kann es sehen. Es leuchtet in deinen Augen. Und als eine der älteren Vampirinnen kann ich es sogar hören.“

      Sie macht eine kurze Pause und wartet meine Reaktion ab. Ich bin sprachlos.

      „Seid zehn Wochen drückt sich Chris schon davor, dich zu verwandeln. Und dass, obwohl er weiß, dass es keinen Weg drum herum gibt. Und so langsam stellen wir uns einfach die Frage, worauf er wartet?“

      Das war viel. Viel Bedeutung


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