Machtspiel. Madlen Schaffhauser
die du am Bearbeiten bist? Wir müssen alles in Betracht ziehen. Ausser dem Brief haben wir bis jetzt leider keine einzige Spur. Eileen kommt bei Tagesanbruch wieder, um sich dann nochmals genau umzusehen.“
„Was für ein Brief?“ fragte Chloe.
„Ich habe dir doch erzählt, dass ich wegen einem Poltern aufgewacht bin. Als ich zur Tür ging, lag ein Couvert mit roten Fingerabdrücken da. Wie es sich herausstellte, sind die Abdrücke aus Blut.“
Mit geweiteten Augen stiess Chloe einen erschreckten Seufzer aus. Raul legte behutsam seine Hände auf ihre und blickte ihr tief in die Augen.
„Bitte malen Sie sich nicht zu viele schreckliche Bilder aus. Wir werden Ihre Schwester finden.“
„Ich danke Ihnen von Herzen, Herr Lunardi, dass sie uns helfen werden, Dana zu finden.“ und wandte sich ihrem Schwager zu. „Wo denkst du, könnte Dana sein? Was ist ihr nur widerfahren?“
„Ich habe grosse Angst, dass ihr was Schreckliches zugestossen ist. Dass sie von einem Bastard entführt wurde, nur um mir eins auszuwischen.“
Den Kopf auf die Hände gestützt, fuhr er fort „Nur leider kann ich nicht sagen, wer für diese Bosheit in Frage käme. Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit darüber den Kopf, komme aber nicht weiter.“
Chloe ging zu ihrem Schwager und nahm ihn in die Arme. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr ging es nicht anders als Finn. Schliesslich war es ihre Schwester und zugleich beste Freundin, die vermisst wurde.
Die drei sassen noch eine Zeit lang am Tisch und versuchten herauszufinden, wo sich Dana befand. Immer wieder sahen sie auf die Uhr und gaben die Hoffnung nicht auf, dass die Vermisste plötzlich im Flur auftauchen würde.
Irgendwann erhob sich Chloe von ihrem Stuhl. „Finn ich werde nach Hause fahren und dann eine Runde joggen gehen. Ich muss versuchen mich abzulenken. Meldest du dich bei mir, wenn ihr etwas erfahren habt?“
„Mache ich. Danke, dass du gekommen bist.“
„Herr Lunardi.“ Chloe gab ihm die Hand, um sich von ihm zu verabschieden.
„Hier, ich gebe Ihnen meine Visitenkarte. Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Ihnen irgendwas einfällt.“
Raul hätte sie am liebsten an sich gedrückt, so niedergeschlagen, wie sie drein blickte, getraute sich jedoch nicht. Was hätte sie auch von ihm gehalten? Sicherlich hätte sie ihn weit von sich gestossen und ihn als aufdringlich und unverschämt bezeichnet. Sie kannten sich ja kaum.
Finn begleitete Chloe zur Tür und kam gleich darauf zurück in die Küche.
„Warum bin ich dieser bezaubernden Frau noch nie begegnet?“ fragte Raul seinen Freund.
„Ich habe sie dir aus einem bestimmten Grund nie vorgestellt.“
Verdutzt schaute Raul den Mann gegenüber von ihm an „Wie darf ich das denn verstehen?“
„Wann hattest du eine richtige Beziehung? Chloe ist wirklich nett und verdient mehr, als nur eine kurze Affäre.“
„So siehst du mich also?“
„ Wie soll ich es auch anders können. Fast jede Woche begleitest du eine andere Frau nach Hause und wenn du keine Lust hast zu suchen, rufst du einfach deinem Betthäschen Pia an. Chloe war bis vor etwa einem Jahr in einer ernsthaften Beziehung, die aus unglücklichen Gründen in die Brüche ging. Aber dazu möchte ich dir nichts Genaueres erzählen. Das wäre Chloe gegenüber nicht fair.“
„Ich verstehe dich. Du kannst mir vertrauen, wenn ich sage, dass ich deiner Schwägerin nicht wehtun werde. Ich möchte sie nur kennenlernen.“
„Das rate ich dir auch an.“
„Für mich wird es auch Zeit aufzubrechen. Ich gehe kurz nach Hause und muss mich dann bei dem Polizeiposten blicken lassen. Melde dich, wenn du die Liste mit den Straftätern und deinen allfälligen Feinden fertiggestellt hast. Wenn du sonst über Neuigkeiten verfügst, lass es mich wissen.“
4.
In Gedanken verloren zog Chloe ihre Joggingkleider an. Stets plagten sie die gleichen Fragen. Wo war ihre Schwester und was war geschehen?
Letzte Nacht war eine angenehme Sommernacht. Nach dem heissen, sonnigen Tag und nach dem stickigen Club, lud die kühle Luft einen ein, noch etwas draussen zu bleiben. Es war aber bereits nach ein Uhr, als die beiden Frauen aus dem Tanzclub liefen. Warum also bestand Dana darauf noch einen Spaziergang zu machen? Es musste doch einen Grund dafür geben? Auch deshalb, weil sie alleine sein wollte und Chloes Gesellschaft vehement ablehnte.
Eigenartigerweise waren ihre Gedanken nicht nur bei Ihrer Schwester, sondern auch bei diesem grossen, muskulösen Polizisten, mit den leuchtenden, blauen Augen. Warum schwirrte er in ihrem Kopf herum? Sie hatte sich geschworen, dass sie keinen Mann mehr zu nahe an sich heranlassen würde. Denn das was sie bei ihrer letzten Beziehung durchgemacht hatte, brauchte sie auf keinen Fall nochmal zu erleben.
Chloe zog die Schnürsenkel der Turnschuhe zu und machte sich auf den Weg zu ihrer täglichen Joggingrunde. Ihre Route führte durch den nahegelegenen Wald, die zwischen fünf und zehn Kilometer betrug. Heute war ihr nach einer längeren Strecke zumute. Sie musste ihre Gedanken und Gefühle ordnen, so zerstreut wie sie war. Für das war in der Regel der Sport ihre beste Waffe.
Als sie bereits eine Weile unterwegs war, hörte sie plötzlich ihren Namen.
„Chloe Kramer? “ Sie rannte zuerst weiter, da sie dachte, sie hätte sich verhört. Doch gleich darauf tauchte ein Mann neben ihr auf.
„Herr Lunardi! Was für ein Zufall Sie hier zu treffen. Joggen Sie immer diesen Weg?“
„Eigentlich schon. Meistens nicht um diese Zeit.“ und zeigte auf seine Uhr.
Chloe stellte erst jetzt fest, dass es kaum sechs Uhr am morgen früh war. Dazu noch an einem Samstag. Die meisten Leute waren noch in ihren Betten und würden erst später unterwegs sein.
Schweigsam rannten sie nebeneinander weiter. Zuerst nahm Chloe an, dass es ihr Missfallen würde, wenn Raul weiterhin neben ihr her jogge. Doch zu ihrem Erstaunen musste sie sich eingestehen, dass es ganz und gar nicht der Fall war. Sie fühlte sich wohl in seiner Nähe.
Der Polizist schaute die Frau neben sich verstohlen an. Sie hatte einen schönen, sportlichen Körper, musste er feststellen. Ihr Gesicht besass einen dunklen Teint, was sie ein wenig exotisch aussehen liess. Die Nase war etwas klein, aber sexy. Was ihn ebenfalls beeindruckte war, dass sie ohne Mühe mit seinem Tempo Schritt halten konnte. Er musste sich von ihrem Anblick losreissen und sich wieder auf den Weg konzentrieren.
Nach kurzer Zeit brach Raul das Schweigen. „Geht es Ihnen etwas besser?“
„Der Sport hilft mir meistens, den Kopf frei zu bekommen. Momentan geniesse ich die frische Luft. Ich nehme an, dass das nur von kurzer Dauer sein wird. Ich frage mich dauernd, weshalb Dana noch nicht nach Hause gehen, sondern lieber noch spazieren wollte? Warum habe ich sie nicht davon abgehalten und sie einfach vor der Tür abgesetzt? Nur leider finde ich keine Antwort auf all das.“
„Machen Sie sich keine Vorwürfe. Ihre Schwester ist eine erwachsene Person und weiss selbst, was sie möchte und was nicht. Wie gesagt, ich werde helfen, wo ich kann, Frau Kramer.“
„Ich weiss das zu schätzen. Vielen herzlichen Dank.“
„Ich muss hier vorne nach links. Gehen Sie später nochmals zu Finn? “
„Ja, ich denke schon. Ich möchte nicht, dass er alleine ist und zusammen kommen wir vielleicht, mit der Suche nach Dana, einen Schritt weiter.“ kaum redete sie von ihrer Schwester, bekam sie weiche Knie. Raul musste das bemerkt haben, denn er sah sie mit besorgten Augen an.
„Soll ich Sie nach Hause begleiten?“
„Ich danke Ihnen, aber ich möchte