Machtspiel. Madlen Schaffhauser

Machtspiel - Madlen Schaffhauser


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seine Männlichkeit immer steifer wurde.

      Ihr Verstand sagte ihr, dass sie von ihm Abstand nehmen müsse, aber ihr Körper empfand etwas ganz anderes. Sie schloss ihre Augen und es bahnte sich ein leiser Seufzer aus ihrer Kehle.

      Ganz plötzlich liess Raul von ihr ab und machte einen Schritt zurück. Er schaute sie mit seinem benommen Blick an und atmete heftig ein, so dass sich sein Brustkorb hob und wieder senkte, als er die Luft langsam ausstiess.

      „Es… es tut mir leid.“ hörte sich Chloe sagen.

      „Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich hätte das nicht tun dürfen. Ich weiss nicht, was mich geritten hat. Bitte verzeihen Sie mir.“ liess sie los und ging nochmals einen Schritt weg von ihr.

      Chloes Herz raste vor Erregtheit und Wut. Sie starrte ihn verdattert an.

      „Soll das heissen, es war ein Ausrutscher und kommt nicht mehr vor?“ fragte sie ihn mit beklommener Stimme.

      „Ja, genau.“

      Sie standen sich schweigend gegenüber. Niemand war fähig etwas zu sagen. Beide fuhren aus ihren wirren Gedanken auf, als es plötzlich klingelte.

      „ Entschuldigen Sie bitte. Ich habe meine Beherrschung verloren.“ versicherte er ihr mit ruhiger Stimme und ging davon.

      Chloe wusste nicht, wie ihr geschah. Sie war ziemlich niedergeschlagen und verwirrt zugleich. Es war ja nur ein flüchtiger Kuss, versuchte sie sich einzureden. Und sie kannten sich erst seit ein paar Stunden. Wahrscheinlich gingen nur die Nerven mit ihnen durch.

      Jetzt war ohnehin der falsche Zeitpunkt, um mit einem Mann eine Affäre anzufangen. Und erst recht mit dem Polizisten, der sich für die Suche nach ihrer spurlos verschwunden Schwester, verschrieben hatte.

      Raul lief zur Tür und öffnete das Eingangstor. Dabei musste er seine Gedanken und Gefühle schnell unter Kontrolle bringen und das was sich soeben im Büro abgespielt hatte, vergessen. In jeder Hinsicht musste er sich auf die Arbeit konzentrieren.

      Es waren Eileen Banz und ihr Kollege Otto Lutz, von der Spurensicherung. Sie begrüssten kurz Raul und holten sogleich ihre Werkzeuge aus dem Volvo. Sie zogen sich Handschuhe über und fingen an alles zu fotografieren. Vom Vorgarten bis hinters Haus und zum Gartentor hinunter. Danach untersuchten sie die Überwachungskamera an der Haustür. Sie nahmen Fingerabdrücke, um diese später im Labor untersuchen zu können. Um nichts zu verwischen, packten sie alle Spuren, die sie fanden, in einen Klarsichtbeutel. Danach machten sie sich an die zweite Kamera beim Gartentor. Zuerst musste man sie finden, in all den Dornenranken, mit den rot und gelb blühenden Rosen. Bei dieser war es ein klein bisschen schwieriger, um an sie ran zu kommen, denn die Dornen ragten gefährlich weit heraus. Auch diese Abdrücke legten sie in einen Beutel und beschrifteten ihn, wie bei der ersten Kamera.

      Nun versuchten Sie Schuh- und Fussabdrücke auf der Erde ausfindig zu machen. Der Boden war noch ein ganz wenig feucht, von dem Regen vor einem Tag. Sie sahen verschiedene Spuren. Die einen sahen nach Frauenschuhen aus. Dann gab es grössere, wahrscheinlich von Herrn Winter. Sowie halbe Fussabdrücke waren zu finden. Mit den letzteren konnten sie höchstwahrscheinlich nichts anfangen. Aber trotzdem fertigten sie von allem, was sie fanden konnten, ein Gipsabdruck an. Alles wurde einzeln in Beweissicherungsbeutel verpackt und beschrieben.

      Während die Polizisten draussen ihrer Arbeit nachgingen, verspürte Chloe einen ziemlichen Durst und ging vom Arbeitszimmer in die Küche um den Polizisten und ihr irgendwas Kühles zu servieren.

      Sie öffnete den Kühlschrank, um ihn nach etwas Trinkbarem zu durchsuchen. Plötzlich weiteten sich ihre Augen vor Schreck. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und öffnete ihren Mund, um einen gellenden Schrei von sich zu geben.

      Noch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, war Raul schon hinter ihr.

      „Oh mein Gott.“ brachte sie nur heraus.

      In der Mitte des Kühlschrankes befand sich auf einem Teller ein abgetrennter Zeigefinger. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre der Finger mit einem Messer abgetrennt worden. Er war bereits ziemlich grau und violett verfärbt, aber der Lack auf dem Nagel sah makellos und frisch angestrichen aus.

      Raul nahm Chloe zur Seite und setzte sie auf einen Stuhl. Lunardi zog sich einen Handschuh über, um den Finger in einen Klarsichtbeutel zu legen.

      Er drehte sich zur Frau, die hinter ihm am Tisch sass, um. „Was hat ihre Schwester für Fingernägel?"

      „Lange.“

      „Angestrichen?“

       „Ich glaube schon.“

      „Bitte konzentrieren sie sich.“

      „Ich glaube, sie waren durchsichtig lackiert. Warum wollen Sie das wissen?“

      „Ich möchte ausschliessen können, dass es Danas Finger ist. Doch bevor wir ihn nicht im Labor untersucht haben, kann ich Ihnen nicht mehr sagen und will sie nicht unnötig beunruhigen.“

      Chloe starrte vor sich hin. Sie hörte nicht mal mehr, was Raul zu ihr sagte und dass er den Raum verlassen hatte. Nach wenigen Sekunden verspürte Chloe eine gewisse Übelkeit und rannte zum nächsten WC, um sich zu übergeben.

      Kraftlos blieb sie auf dem Boden sitzen. Sie zog ihre Knie an und legte den Kopf darauf. Mit den Armen umfasste sie ihre Beine und fing an unaufhaltsam zu weinen.

      Erschrocken fuhr sie auf, als sie eine Hand auf ihrem Arm spürte. Raul kniete sich zu ihr hinunter und hielt sie fest an sich gedrückt. Als er erkannte, dass sie sich beruhigt hatte, rückte er etwas von ihr ab und teilte ihr mit, dass die Leute von der Spurensicherung fertig seien und nun alles im Labor untersuchen würden.

      „Ich hoffe, dass dieser Albtraum bald ein Ende hat.“ krächzte Chloe mit einer Stimme, die sie selbst kaum verstand.

      „Wir müssen jedem Hinweis, den wir bekommen nachgehen und alles genauestens überprüfen. So werden wir Dana finden.“

      „Ja, das werden wir.“

      „Mögen Sie etwas zu trinken, Chloe?

      „Nein.“

      „Sie müssen wieder zu Kräften kommen. Ich bin gleich zurück.“

      Kurz darauf kam Lunardi mit einem Glas Wasser zurück und reichte es ihr. Sie sassen immer noch im kleinen Toilettenraum, als sie hörten wie das Garagentor aufging. Umgehend erklangen schwere Schritte auf der Treppe.

      „Raul, Chloe! Wo seid ihr?“

      „Hier!“

      Schon erschien Winter in der Tür.

      „Was macht ihr denn hier? Ist etwas passiert?“

      „Ich werde es dir sofort erzählen.“ sagte Raul mit beruhigender Stimme.

      5.

      Nachdem Raul Finn alles erzählt hatte, was vorgefallen war, verabschiedete sich Chloe von ihnen.

      „Ich werde ein wenig am See spazieren gehen. Ich brauche dringend frische Luft und muss meine Gedanken neu ordnen.“ An ihren Schwager gewandt fuhr sie fort. „Stört es dich, wenn ich später nochmals vorbei komme?“

      „Du bist hier immer herzlich willkommen. Das weisst du.“

      „Herr Lunardi.“ Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, welche Raul sanft drückte. Er hätte Chloe am liebsten in seine Arme geschlossen, um ihr Trost zu spenden. Doch wusste er, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Erschrocken über seine Gedanken, zog er seine Hand etwas zu schnell zurück, was Chloe ein wenig erstaunen lies.

      „Frau Kramer. Versuchen Sie sich abzulenken. Sie haben meine Nummer und können mich jederzeit anrufen, wenn irgendwas ist.“

      Als Chloe aus dem Haus war, verschwanden die beiden Freunde ins


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