Machtspiel. Madlen Schaffhauser

Machtspiel - Madlen Schaffhauser


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hoffte, dass sie sein Zögern in seiner Stimme nicht bemerkt hatte. „Ich werde Raul anrufen. Die Leute vom kriminaltechnischen Dienst sollen diesen Ort schnellstmöglich nach Spuren untersuchen.“ Er nahm sein Natel hervor und tippte Rauls Nummer ein. Kaum hatte er diese eingegeben, nahm der Polizist auf der anderen Seite bereits ab.

      „Kannst du so rasch als möglich an den See kommen? Wir sind gleich neben dem Seehotel Bogen.“

      „Wer sind wir?“

      „Chloe und ich.“

      „Bin unterwegs.“ Ohne ein weiteres Wort legte Raul auf.

      Chloe räusperte sich. „Weisst du, was mir so zu schaffen macht? Ich sah Dana das letzte Mal, als ich sie, nur etwa fünfhundert Meter von hier entfernt, aus meinem Auto steigen liess. Und hier liegt nun ihre Jacke. Wo ist sie nur?“

      „Sie ist bis gestern nie nach eurem Mädelsabend noch spazieren gegangen. Warum dieses Mal?“

      Während die Beiden ratlos, nebeneinander auf der Bank auf Raul warteten und ihren Gedanken nachgrübelten, nahm Finn die Strickjacke aus Chloes Händen und hielt sie sich ins Gesicht, um Danas Duft einzuatmen. Er musste sich beherrschen, dass er seinen Tränen nicht schon wieder freien Lauf liess. Schliesslich war er ein angesehener Staatsanwalt und nicht so ein Waschlappen, wie er sich momentan fühlte. Ausserdem wollte er vor Chloe keine Schwäche zeigen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sich allmählich wieder zur Ruhe zu bringen.

      Der Kriminalpolizist kam kurze Zeit später mit seinem Auto angerast. Er machte sich keine Mühe einen Parkplatz zu suchen. Stattdessen hielt er am Strassenrand an und ging über die Wiese auf Chloe und Finn zu.

      „Was gibts?“ meldete er sich.

      Finn erhob sich und reichte Raul die Strickjacke.

      „Chloe hat dieses Kleidungsstück hier gefunden.“

      Chloe Kramer hatte keine Kraft, um sich zu erheben. Sie sah nicht mal auf, als Raul sich vor sie stellte.

      „Frau Kramer, wann und wo genau haben Sie diese Jacke gefunden?“

      Mit ihren Gedanken weit weg, nahm sie im hintersten Ecken ihres Gehirns wahr, dass man ihr eine Frage gestellt hatte. Sie schaute auf und blickte in die wundervollsten, sanftesten Augen, in die sie je gesehen hatte.

      „Was?“ brachte sie knapp hervor.

      „Wann und wo genau haben Sie diese Jacke gefunden?“ wiederholte sich Lunardi.

      „Hier auf dieser Bank. Ich kann Ihnen nicht sagen, seit wann ich hier sitze. Als ich von Finn weggegangen bin, spazierte ich am See entlang und landete hier an diesem Ort, weil mir diese gelbe Jacke aufgefallen ist. Seit da bin ich an dieser Stelle.“ ihr Mund fühlte sich schon ganz trocken an.

      Raul schaute auf seine Uhr. Sie musste schon eine ganze Weile an diesem Ort gesessen haben, dachte er für sich.

      Er blickte erneut Chloe an. „Ich werde diese Jacke ohne Umschweife ins Labor bringen, um sie ebenfalls nach Spuren zu untersuchen. Darf ich Sie bitten mit mir zu kommen? Dann können wir Ihren Fund und was Ihnen sonst noch alles einfällt, gleich schriftlich protokollieren.“

      Chloe erhob sich langsam von der Bank. Ihre Beine wollten ihr nicht so recht gehorchen. Sie fühlten sich schwach an. Lange war sie nur dagesessen und hatte sich kein bisschen bewegt. Dazu kam, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatte. Weder zu trinken noch zu essen.

      Schon trat Lunardi neben sie und hielt sie um ihre Taille fest, um sie zu stützen. Wie machte er das nur? Konnte dieser Mann etwa Gedanken lesen? Sie war ihm dankbar für seine Stütze und lehnte sich, mit einem angenehmen Kribbeln im Bauch, an ihn.

      „Soll ich dich nach Hause fahren Finn?“ erklang die männliche Stimme, die zu diesem muskulösen Mann gehörte.

      „Danke. Aber ich brauche Zeit für mich. Es wird mir gut tun, den Weg zu meinem

      Haus zu Fuss zurückzulegen.“

      Finn drehte sich um und liess seine Schwägerin und seinen Freund an Ort und Stelle stehen.

      Chloe und Raul gingen zu seinem Audi TT. Dabei hielt er Chloe die ganze Zeit um ihre Taille fest, als könnte ihr sonst etwas geschehen. Sie genoss es, seinen starken Arm an ihrem Körper zu spüren. Allein schon durch seine Berührung fühlte sie sich wohl und beschützt.

      Beim Auto angekommen, öffnete er die Beifahrertür, damit Chloe sich hineinsetzen konnte. Er ging auf die andere Seite und schwang sich hinein.

      Raul hob eine Flasche vom Boden, die bei Chloes Füssen lag, auf und hielt ihr das Wasser hin.

      „Hier trinken Sie etwas. Es wird Ihnen gut tun.“

      Verlegen schaute Chloe ihn an. „Haben Sie immer eine Flasche mit dabei?“

      „Sobald ich mit dem Auto unterwegs bin, nehme ich eine Trinkflasche mit mir mit. Besonders bei einem solchen heissen Sommertag, wie diesen.“

      „Das geht mir genauso.“

      Sie nahm die Flasche dankend entgegen und trank in grossen Schlucken fast die ganze Flasche leer. Nachdem sie sich angeschnallt hatten, fuhr Raul los.

      6.

      Chloe fühlte sich, neben Raul, erregt und niedergeschlagen zugleich. Solche Gefühle hatte sie schon lange nicht mehr gegenüber einem Mann empfunden.

      Sie schloss, die Fahrt über, ihre Augen und genoss es neben Raul zu sitzen, der mit einer angenehmen Selbstsicherheit durch die Strassen fuhr.

      Schon nach kurzer Zeit kamen sie bei der Kripo in Luzern an, was sie sehr bedauernswert fand. Raul fuhr ins Parkhaus auf seinen Platz und mit dem Lift gelangten sie in den dritten Stock, wo Lunardi sein Büro hatte. Als sie dort ankamen, traten sie auf den Korridor hinaus und bogen nach links ab.

      Auf dem Flur trafen sie auf Sofia Grüner, die einige Mappen mit sich herumtrug.

      „Hallo Sofia. Was machst du denn heute hier?“

      „Lola hat mich angerufen. Sie fühlt sich nicht wohl und hat mich gebeten für sie einzuspringen. Da mein Mann mit unseren Söhnen an ein Fussballspiel gegangen ist, habe ich zugesagt.“

      „Sofia, darf ich dir Chloe Kramer vorstellen? Die Schwester von der vermissten Dana Winter. Frau Kramer, das ist Sofia Grüner eine unsere Protokollführerin.“

      „Frau Kramer.“

      „Frau Grüner.“ Sie gaben sich zur Begrüssung die Hand.

      „Sofia, hast du nachher kurz Zeit? Ich würde gerne Frau Kramers Aussage schriftlich festhalten.“

      Eigentlich wollte Sofia in wenigen Minuten Feierabend machen. Zumal ihre Kinder und ihr Mann noch nicht zu Hause sein würden, konnte sie ohne weiteres länger arbeiten.

      „Aber sicher doch. Du findest mich im Büro.“

      „Danke. Bis gleich.“

      Sofia ging den Flur entlang in ihr Büro. Lunardi führte Chloe an seinen Arbeitsplatz, der sich fast am Ende der dritten Etage befand.

      „Ich möchte kurz die Strickjacke abgeben“, Raul hob den Beutel mit dem besagten Kleidungsstück, in die Höhe „damit man sie so rasch als möglich im Labor untersuchen kann. Darf ich Sie einen Augenblick alleine lassen?“

      „Tun Sie, was Sie tun müssen.“ Chloe nahm auf einem der Stühle an Rauls Schreibtisch Platz. Als sie wieder aufsah, trat der Polizist bereits aus dem Büro. Chloe Kramer blickte sich in dem kleinen Raum um. Das Pult stand an einer Wand und bot freie Sicht auf die Tür. Links vom Tisch befand sich ein Fenster. Jedoch hatte man momentan keinen Ausblick, da die Lamellen zugezogen waren, damit die starken, sommerlichen Sonnenstrahlen den Raum nicht zu fest aufheizen konnten. An der Wand gegenüberliegend befand sich ein grosses Regal, das mit Ordnern vollgestopft


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