Tödliches Verlangen. Madlen Schaffhauser

Tödliches Verlangen - Madlen Schaffhauser


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hat mir Dr. Stevens ebenfalls mitgeteilt.“

      „Durch konkrete Gedächtnisübungen können wir vielleicht die Erinnerungen zurückgewinnen. Ich werde ein gezieltes Training für Sie zusammenstellen. Wenn es Ihnen passt, können wir am Donnerstag damit beginnen.“

      „Ich habe nichts vor, ausser hier im Bett zu liegen. Viel mehr bleibt mir nicht zu tun. Eigentlich habe ich gehofft, bald möglichst nach Hause gehen zu können. Ich wäre viel lieber in meiner gewohnten Umgebung.“

      „Ich kann Sie vollkommen verstehen, aber Ihr Zustand lässt es leider noch nicht zu, dass Sie schon alleine für sich sorgen können.“ Die Ärztin erhebt sich, mit einem Block aus Papier und einem Stift in der Hand und schüttelt mir die Hand. „Also, bis in zwei Tagen. Erholen Sie sich bis dahin gut. Essen Sie genug. So kommen Sie am schnellsten wieder auf die Beine.“

      Gerade als Dr. Christensen aus dem Zimmer tritt, taucht eine Krankenschwester, in einen weissen Kittel gekleidet, auf. Diese junge Frau habe ich bis jetzt noch nicht kennengelernt.

      „Schön Sie wach zu sehen. Guten Tag Frau Berner. Darf ich mich vorstellen?“

      Auch wenn ich ihren Namen gar nicht wissen möchte, kann ich doch wohl schlecht nein sagen, oder? Erschreckt über meine unverschämten Gedanken, versuche ich ein unverkrampftes Lächeln an den Tag zu bringen.

      „Mein Name ist Nadja Wulst.“ fährt die Krankenschwester fort „Wie fühlen Sie sich?“

      „Besser als noch vor ein paar Stunden.“

      „Ich werde Sie jetzt von diesen Schläuchen, die in Ihrem Arm stecken befreien. Diese Infusionen benötigen Sie wohl nicht mehr. Was meinen Sie, kommen Sie ohne diese Gehhilfe zurecht?“ versucht die Krankenpflegerin zu witzeln und lächelt mich voller Freundschaft an. Nur kann ich ihr nicht ganz folgen.

      „Wie?“

      „Der Infusionsständer war sicher eine gute Stütze.“

      „Ach so. Ja das war er. Aber ich bin froh, wenn ich diese Infusionsnadel“ und zeige auf meine linken Arm „nicht mehr benötige. Sie ist äusserst lästig, wenn man sich drehen möchte.“

      „Das kann ich Ihnen gut nachvollziehen. Dann werde ich Sie jetzt einmal davon befreien.“

      Behutsam löst sie den Kleber, durch den die Nadel an meinem Arm befestigt ist. Danach zieht sie sorgfältig die dünne Nadel heraus, drückt mir eine Mullbinde auf den Einstich und schiebt den Infusionsständer weg. Sie holt ein Pflaster aus dem Schrank und bringt es auf meinem Arm an.

      „Das wäre geschafft. Wie sieht es mit Ihren Blutungen aus? Haben Sie nachgelassen?“

      Völlig baff, dass sie mich auf die Blutungen anspricht, starre ich sie an. „Ähm, ja.“

      „Sie brauchen sich nicht dafür zu schämen.“

      „Ich schäme mich nicht. Es ist nur so, dass hier jeder von meinem Missgeschick Bescheid weiss und dass ich dabei mein Baby verloren habe. Jeder wusste es schon, bevor ich es überhaupt erfahren habe.“

      „Das braucht Sie keinesfalls zu beunruhigen. Am wichtigsten ist, dass Sie wieder auf die Beine kommen. Alles andere wird sich ergeben.“

      „Das sagen Sie so leicht.“

      „Ich kann nicht leugnen, dass Sie etwas sehr schicksalhaftes erlebt haben, aber lassen Sie sich bitte nicht unterkriegen. Sie sind noch sehr jung und man weiss nie, was einem das Leben noch alles bringen kann.“

      „Leider hat mir der Arzt keine so rosige Zukunft vorausgesagt.“

      „Wenn Ihr Kinderwunsch so gross ist, können Sie sich immer noch überlegen, ob Sie allenfalls für eine Adoption fähig sind. Oder ob eine Leihmutter in Frage käme. Aber lassen Sie sich Zeit und verdauen Sie zuerst das, was Ihnen widerfahren ist.“

      „Woher nehmen Sie bloss diese Zuversicht?“

      „Mein Beruf lehrt es mich. Kommt Ihr Freund noch vorbei?“

      „Ich habe keinen Freund.“

      „Bin ich etwa schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten?“ schuldbewusst schaut mich die Krankenschwester an.

      „Ist schon gut. Es stimmte schon seit längerer Zeit nicht mehr zwischen uns. Nur will er es nicht wahrhaben.“ und ich schaue auf die vielen Rosensträusse, die anscheinend von ihm sind. Ich muss zugeben, dass er in diesem Fall Geschmack bewiesen hat. Nur ist das noch lange kein Grund, bei ihm zu bleiben.

      „Eine weitere Patientin wartet auf mich. Sie drücken den Knopf, wenn irgendwas ist?“

      Ich nicke nur mit dem Kopf. „Darf ich das Zimmer verlassen?“ Ich spüre plötzlich eine innere Unruhe und habe das Verlangen aus diesen vier Wänden zu kommen, in denen ich mich nun schon seit über vier Tagen befinde.

      „Wenn Sie sich stark genug fühlen, dürfen Sie das gerne tun. Bitte teilen Sie jeweils mir oder einer anderen Krankenschwester mit, wenn Sie die Etage verlassen.“

      „Ich brauche etwas Abwechslung. Wo befindet sich das Café?“

      „Im Erdgeschoss. Warten Sie kurz. Ich bin gleich zurück.“

      In der Zwischenzeit gehe ich kurz ins Bad und werfe einen Blick in den Spiegel. Mein geschwollenes Auge sieht nicht mehr so schlimm aus wie gestern, aber es ist immer noch ziemlich dick und der Bluterguss verfärbt sich ganz langsam gelblich. Meine Haare stehen wirr von meinem Kopf ab. Mit ein paar Bürstenstriche bringe ich es einigermassen in Ordnung. Nun noch ein Haargummi um meine langen, braunen Haare und ich sehe gleich etwas präsentabler aus.

      Gerade als ich mich auf die Bettkante zurücksetzte, kommt die nette Krankenpflegerin mit einer Krücke in der Hand zu mir zurück. Ich erwarte sie bereits sitzend auf meinem Bett und starre sie entgeistert an. „Muss das sein?“

      „Da Sie jetzt den Infusionsständer nicht mehr als Stütze haben, bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, als diese hier zu nehmen. Ich kann auch einen Rollstuhl besorgen, wenn Ihnen das lieber ist.“

      Mir wird schnell klar, dass ich ohne diese Krücke nicht weit kommen werde. Wenn ich also mein Zimmer endlich mal verlassen möchte, habe ich keine andere Wahl, als diese Gehhilfe zu benützen. „Sie haben mich überredet.“ Ich schenke der Frau vor mir ein schwaches Lächeln, schnappe meine Handtasche, die sich im Beistelltisch befindet und folge mit vorsichtigen Schritten der Krankenschwester zum Aufzug.

      „Kommen Sie alleine klar?“

      „Ich denke schon.“ Die Pflegering verlässt mich, während ich auf den Lift warte und mich auf dem Flur umsehe. Ein langer nicht enden wollender Gang erstreckt sich vor mir und etliche Türen gehen davon ab. Ich vermute, dass hinter jeder dieser Tür mindestens eine Patientin liegt. Plötzlich frage ich mich, was diese Frauen wohl gerade durchmachen müssen. Haben Sie vielleicht ein ähnliches Schicksal wie ich zu verdauen? Mir wird es eng um die Brust, als ich mich wieder an meinen Verlust denken muss und bin froh, dass sich endlich die Aufzugtüren vor mir öffnen, damit niemand meine gläserne Augen sehen kann. So schnell es meine Kraft und mein Körper zulässt, gehe ich hinein und drücke auf den Knopf, der das Erdgeschoss anzeigt. Zum Glück habe ich mir noch schnell die Etage gemerkt, auf der sich mein Zimmer befindet. Wäre schön peinlich, wenn ich beim Empfang nach meinem Zimmer fragen müsste.

      Unten angekommen sehe ich mich zuerst einmal in alle Richtungen um. In die eine Richtung sieht dieser Flur fast so aus, wie meiner. In die andere Richtung deutet ein Pfeil, der das Café und den Ausgang anzeigt, was ich auch am Ende des Ganges entdecke. Wie soll ich nur diesen weiten Weg schaffen? Meine Kraft droht mich jetzt schon zu verlassen. Langsam mache ich einen Schritt vor den Anderen und komme meinem Ziel immer näher.

      Ich sehe einige leere Tische. Also gehe ich gleich zum Getränkeautomaten und suche mir etwas schmackhaftes aus. In meiner Tasche suche ich nach meinem Portemonnaie, um mir ein paar Münzen herauszunehmen, damit ich den Automaten damit füttern kann. Nur zu blöd, dass sich darin kein Kleingeld befindet. Bleibt mir wohl nichts anderes übrig als mich an der Theke


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