Louisianas Eskorts. Georg von Rotthausen
sich Zeit lassen würde und ihre erste Auftraggeberin schätzte sie als Genießerin ein. Mindestens ein Buch würde sie aufmerksam anlesen können, dessen war sie sich gewiß. Ihr war bekannt, daß außer Madame niemand im Haus war und bis zum Abend sein würde. Eine Störung war nicht zu befürchten.
Nach und nach hatte Lou den Bestand durchgesehen. Sie fand viele Klassiker, die auch bei ihren Eltern standen, von denen sie, in neueren Ausgaben, selbst einige besaß. Die Geschichtsabteilung war groß, besonders zu Preußen, und interessanterweise zu Japan. Sie entdeckte dort ein offenbar verstelltes Werk, schon zu Japan gehörig, aber es war ein Kunstbildband. Neugierig nahm sie ihn heraus und blätterte darin.
Sie staunte über die freizügigen Darstellungen körperlicher Qualitäten gerade bei Männern und solcher der Liebeskunst. Ihr wurde warm dabei, als sie sie betrachtete. Unwillkürlich mußte sie daran denken, was in diesem Augenblick nicht weit von ihr entfernt geschah und gestand sich ein, sie würde gern dabei zusehen.
Lou sah sich gern schöne Frauen an, ohne nachhaltig an Frauen sexuelles Interesse zu haben, obschon …, aber es erregte sie, sich vorzustellen, wie Konstantin …
Sie schlug das Buch zu und stellte es wieder an den Platz, an den es wohl aus Versehen gelangt war. Sie sah sich weiter um. Ihr kam der Gedanke, es könnte mehr Erotica vorhanden sein. Lou begann, danach zu suchen. Und sie wurde fündig. Es war − natürlich − der unvermeidliche Marquis de Sade, der ihr als erster ins Auge fiel. Der Name war ein allzu deutliches Signalwort. Aber der interessierte sie nicht, obwohl …
Einen ihrer Galane hätte sie nur allzu gern gepeitscht, aber es war mehr dessen intellektueller Unterbelichtungsfaktor, denn sexueller Lustgewinn, der sie beinahe dazu getrieben hätte, ihn mit einer neunschwänzigen Katze aus dem Haus zu jagen, wenn sie nur eine griffbereit gehabt hätte.
Karl-Detlev Freiherr von Lundbach-Apfelhausen-Sinnenfeldt.
Wenn jemand schon Karl-Detlev hieß! Um Himmelswillen! Fünf weitere unmoderne Vornamen hingen außerdem an ihm, vermutlich allesamt von seinen längst zu Staub zerfallenen Groß- und Urgroßvätern zusammengewürfelt. An ihm war nur sein Name lang gewesen, er selbst gerade einmal zwei Zentimeter größer als sie selbst, aber er hatte ein unanständig hübsches Gesicht. Darauf war sie hereingefallen. Sein Sex war mäßig, sein Humor grenzwertig, aber sein Gesprächspotential war der absolute Rohrkrepierer: es erinnerte sie fatal an die Qualitäten einer blätterkauenden grünen Raupe. Sie muß von Sinnen gewesen sein, vermutlich in einem akuten sexuellen Notstand, daß sie sich mit diesem Etwas eingelassen hatte. Lou konnte es sich nicht mehr erklären.
Nach vier Wochen, vier unendlich öden Wochen hatte ein Glas warmen Champagners ihr den Rest gegeben. Er konnte nicht einmal Getränke rechtzeitig in die Kühlung stellen. Sie hatte ihm die Brühe einfach ins Gesicht geschüttet und war dem Langweiler wortlos entflohen. Daß der überhaupt die Erlaubnis hatte, frei herumzulaufen, ließ sie mit der Polizei hadern. Sie benötigte eine ganze Woche, ihre Empörung loszuwerden, hatte sich nach dem Champagnerschock in ihrer kleinen Studentenwohnung zwei Stunden unter die Dusche gesetzt und abgeschrubbt. Alles von Karl-Detlev mußte weg, ihr Körper gründlich desinfiziert werden.
Sie schalt sich selbst über das ihr immer noch rudimentär anhaftende, sogenannte Standesbewußtsein. Auch ihre Eltern traktierten sie damit. Sie solle ihnen nur ja nicht mit einem Bürgerlichen kommen, am Ende gar katholisch! Als sie ihrem Vater in Erinnerung rief, was ein Prinz in einer Talkshow, die es nicht mehr gab, einmal gesagt hatte, drohte er ihr fast eine Ohrfeige an. Dieser Prinz hatte unter dem Beifall des Publikums bekannt, daß ein Prozent aller Fräulein adlig sei, neunundneunzig Prozent seien aber bürgerlich. Warum sollte er so dumm sein, sich von neunundneunzig Prozent aller Fräulein freiwillig abzuschneiden? Und die meisten Gräfinnen seien so dumm, daß es knalle.
Bei mangelnder genetischer Vielfalt lasse es meist beim Gehirn zuerst nach, davon war sie überzeugt, und genau an solch eine Fehlkonstruktion war sie geraten.
Danach hatte sie kurzentschlossen gehandelt und sich einen gutgebauten Bodybuilder aus ihrem Fitness-Center geschnappt. Durch die zufällig offene Tür des Umkleideraumes der Männer hatte sie ihn gesehen.
Er war nicht übertrieben muskulös; diese durch Anabolika aufgeblähten Typen konnte sie nicht ausstehen. Er hatte einen schönen, klassisch-griechisch definierten Körper, einen Monsieur Bouchon, daß sie leise durch die Zähne pfiff, und als er sie entdeckte und frech anlachte, da machte sie die Tür von innen zu.
Die folgenden drei Nächte erlebte sie einen erotischen Sturm wie schon lange nicht mehr. Christian Müller, so sein guter, alter deutscher Name, den schon der Soldatenkönig als den echten Uradel bezeichnet hatte, war liebenswürdig, auf eine herrliche Weise frech und er nahm sie als weibliches Wesen wahr. Sie konnte sich gut mit ihm unterhalten − in den Pausen − und danach hatte sie den Namen dieses freiherrlichen Mißgriffs vergessen. Er war einfach weg, und sie fühlte sich sauwohl dabei. Und was war Christian gewesen? Ein einfacher Busfahrer von 25 Jahren. Doch warum eigentlich „einfach”? Er hatte eine verantwortungsvolle Aufgabe: Menschen sicher von A nach B zu transportieren. Sie bedauerte aber, daß er eine Freundin hatte, die nur auf einem Kurzurlaub gewesen war, doch sie hatte drei Tage lang ein wundervolles Gegengift gehabt und war es zufrieden.
Lou suchte weiter. Und dann entdeckte sie eine Reihe einheitlich gebundener, roter Ledereinbände mit Goldprägung. Es waren private Nachbindungen, offensichtlich von einem mit ästhetischem Sinn und diskreter Vorsicht begabten Vorbesitzer veranlaßt, denn sie fand, daß dahinter die Originaltitel noch vorhanden waren. Und die entpuppten sich zum Teil in ihrer Eindeutigkeit als nicht überbietbare erotische Darstellungen.
Bei deren Betrachtung und weiteren Illustrationen empfand Louisiana eine tiefe Wärme, ganz unabhängig von der Raumtemperatur, die sehr angenehm war, und ihr Schoß wurde feucht.
Sie fand unter anderem „Ovids Liebeskunst” und entdeckte etwas, von dem sie noch nie gehört hatte: „Wakashudo − der Weg der Jünglinge”. Eine deutsche Ausgabe. Lou überflog die Inhaltsangabe, etwas Text und die Illustrationen. Es war eine Schilderung der homoerotischen Beziehungen im altjapanischen Militär, weit verbreitet unter den Samurai, diesen Männlichsten der Männlichen, die offenbar bis zum Ende der Ausbildung mit etwa 19 bis 20 Jahren sexuell mit ihren Lehrmeistern verkehrten. Danach wurde es wohl beendet. Davon würde sie Michael berichten, aber der kannte das vielleicht sogar. Sie wußte von seiner Beziehung zu Lord Branbury, der nach Michaels Beschreibung über eine weitaus größere Bibliothek verfügte und sicher einschlägige Literatur besaß. Lou staunte über die offensichtliche Toleranz der Japaner.
Bald aber hatte sie einen Lesestoff gefunden, der sie persönlich reizte. Sie ließ sich in einem bequemen Sessel nieder und begann zu lesen.
*
„Warum quälst Du mich so?”
Madame seufzte tief. Hätte sie die Augenbinde nicht getragen, sie würde Konstantin vermutlich mit einem flehentlichen Blick angesehen haben. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Ihr Körper bebte noch von der letzten Explosion.
Konstantin hatte seinen meisterlichen Cunnilingus unterbrochen, um die Spannung zu erhöhen, blickte nun auf und leckte seine Lippen. Wortlos erhob er sich, um sich gleich danach links neben Madame niederzulassen. Monsieur Bouchon war anzusehen, daß er nach Beschäftigung lechzte, aber sein Herr blieb trotz aller schmerzhaften Spannung gnadenlos.
Konstantin betrachtete stumm die schöne Erscheinung seiner Liebesgefährtin. Mit seiner rechten Hand nahm er eine erneute Probe ihres nassen Schoßes und hielt sie ihr wie zu einer Parfümbeurteilung unter die Nase. Sie schnupperte, lächelte, nahm Konstantins Hand, hielt sie fest und leckte sie ab.
„Darum!”
Sie verstand.
Konstantin begann, den Schweiß von ihrer Stirn abzulecken. Dabei brummte er leise.
„Und darum!”
Sie verstand.
Er beugte sich zu ihrer Herzbrust hinüber und küßte sie zärtlich. Ihre Brustwarze, die fest aus ihrem süßen, nicht zu großen Hof herausragte, stimulierte er und war erstaunt,