Damian - Falsche Hoffnung. Madlen Schaffhauser

Damian - Falsche Hoffnung - Madlen Schaffhauser


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      Jetzt liege ich in meinem Bett und drehe mich um mich selbst. Der Alkohol, den ich in mich gekippt habe, war vielleicht etwas zu viel, was ich morgen auch sicherlich bedauern werde, aber heute war es genau das, was ich brauchte. Für einen ganzen Abend hat mich meine jämmerliche Vergangenheit in Ruhe gelassen. Auch Gedanken an Damian, der bestimmt in den letzten Stunden seinen Gast aus der Schweiz durchgevögelt hat, verbannte ich aus meinem Gehirn. Nur gerade jetzt, wo ich meine Augen schliesse und sich alles um mich herum bewegt, sehe ich ihn ganz genau vor mir, wie er mich heute Morgen vor seinem Büro mit einem kalten Blick ansah und sich sein Gesicht zu einer eisernen Maske verhärtete, während seine Hand auf dem Rücken dieser Susanne lag.

      Endlich lasse ich den Tränen freien Lauf, die schon so lange in mir waren. Sie rinnen über meine Wangen und benetzen mein Kissen, das ich eng umschlungen halte, wie eine Ertrinkende auf hoher See. Ich weine leise in das weiche Polster, bis ich schliesslich in einen unruhigen Schlaf falle.

      In meinem Kopf pocht es immer noch, auch nachdem ich bereits zwei Tabletten gegen Kopfschmerzen eingenommen habe. Allmählich bereue ich es, gestern so tief ins Glas geschaut zu haben. Ich massiere mit sanften Kreisbewegungen meine Stirn, um den stechenden Schmerz dahinter zu vertreiben, obwohl es nichts nützen wird.

      „Hier. Das wird dich auf Touren bringen und deinen Kater im Nu verschwinden lassen.“ Mira streckt mir ein Glas mit einer undurchsichtigen, übelriechenden Flüssigkeit hin.

      Angewidert verziehe ich meinen Mund, als ich daran schnuppere. „Was soll ich damit?“

      „Nach was sieht es denn aus? Trinken, natürlich.“

      „Und du?“

      „Mir geht es blendend. Du hattest wohl etwas nachzuholen?“ Wissend lächelt sie mich an. „Du hast ganz schön viel in dich reingekippt. Das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“

      „War ich so schlimm?“

      „Schlimm? Nein. Wir waren nur etwas überrascht.“

      „Wir.“ murmle ich vor mich hin. Wie peinlich habe ich mich wohl benommen? Ich kann mich nur noch vage an den vergangenen Abend erinnern.

      „Keine Bange, du hast dich nicht blamiert, wenn du dich das soeben gefragt hast. Und jetzt trink das da.“ Sie zeigt auf das Glas in meiner Hand, während sie an ihren Schreibtisch geht und mich nochmals prüfend ansieht. „Aber gegen deine verschwollenen Augen wirkt das Wundermittel leider nicht.“

      Ich war selbst erschrocken über meinen Anblick, als ich heute Morgen in den Spiegel blickte und mein Ebenbild kaum wiedererkannte. Mein Gesicht war ganz rot vom vielen weinen und um die Augen hatte ich schwarze Ringe. Ich verbrachte etliche Minuten im Bad, um mich frisch zu machen und trug dabei so viel Make-up und Schminke auf, dass sich nun mein Gesicht wie eine Maske anfühlt. Doch wenigstens erfüllt das ganze aufpeppen seinen Zweck.

      Ich betrachte abermals die trübe Flüssigkeit, das im Becher, den ich in meiner Hand halte, schwimmt. Dabei denke ich mir, dass es kaum schlimmer werden kann und schlucke das eigenartige Getränk schnell hinunter.

      Tatsächlich geht es mir schon nach wenige Minuten besser, nachdem ich das scheussliche Gebräu runtergewürgt habe. Konzentriert erledige ich meine Arbeiten, die ich erst am Mittag durch eine Pause unterbreche, nach jener ich nun wieder voller Elan ans Werk gehe.

      Noch bevor ich in meinem Büro bin, kann ich ihn riechen. Sein Duft schwebt unverkennbar in der Luft und verstärkt sich noch mehr, als ich an meinen Schreibtisch trete. Mein Herz fängt schneller an zu schlagen, während mir nur ein Gedanke durch den Kopf rast. Damian war hier. Hier an meinem Platz.

      Seit dem gestrigen Vorfall habe ich ihn weder gesehen noch gehört. Und das war gut so. Doch jetzt, wo ich sein Aftershave schmecke, sehne ich mich mehr denn je nach ihm. Ich wünsche mich in seine Arme. Ich möchte seine weichen Lippen auf meinem Mund spüren. Ein jämmerlicher Laut dringt aus meiner Kehle, als ich meine müden Auge reibe und meine Wünsche schnell versuche zu verdrängen.

      Was wollte er hier? Möchte er mich vielleicht auch noch auf meine Unfähigkeit ansprechen, wie es Baker getan hat? Wenn das der Grund ist, warum er sich hier aufhielt, dann kann ich nur froh sein, dass ich ihm nicht begegnet bin.

      Als Erstes prüfe ich meine E-Mails, nachdem ich den Computer entsperrt habe, was ich immer tue, wenn ich meinen Arbeitsplatz verlasse. Bei der Vierten erstarren meine Finger auf der Maus, nachdem ich den Namen des Absenders gelesen habe. Ich lese ihn ein zweites und ein drittes Mal, bis ich die Nachricht schliesslich mit zittrigen Händen öffne.

      Keine Anrede, kein Gruss. Nur ein einzelner Satz, der wie ein Eindringling mitten auf meinem Bildschirm steht.

       Ich erwarte dich in meinem Büro. Sofort!

      Ein Blick auf die Uhr bedeutet mir, dass er die Mail vor nicht einmal fünf Minuten gesendet hatte und in der Zeit in der ich mir den Kopf darüber zermartere, warum er mich zu sich bestellt, kommt Mira an ihren Platz zurück.

      „Da bist du ja. Unser Boss von oben hat dich gesucht.“

      „Was wollte er?“ frage ich sie, wobei ich besonders darauf achte, dass sie das Zittern in meiner Stimme nicht hört.

      „Das hat er mir nicht gesagt. Aber er wollte wissen, wo du bist.“

      „Was hast du ihm geantwortet?“

      „Du wärst in der Pause.“

      „Okay. Ich bin dann mal oben.“

      Als ich mich aus meinem Stuhl erhebe, um mich auf den Weg in die sechsundvierzigste Etage zu machen, entgeht mir ihr besorgter Blick nicht, wodurch ich noch unruhiger werde.

      Kaum habe ich auf den Knopf gedrückt, um den Fahrstuhl zu rufen, öffnen sich schon die Türen. Ich steige in den rechteckigen, engen Raum und klammere mich an dem kühlen Handgriff fest, während mich der Aufzug viel zu schnell nach oben bringt.

      Rose lächelt mir wie immer aufmunternd zu. Dafür bin ich ihr überaus dankbar. Denn genau diese kleine Ablenkung kann ich jetzt gut gebrauchen, weil sie die Fähigkeit besitzt etwas von meiner inneren Anspannung aufzulösen. „Du kannst gleich weitergehen. Damian erwartet dich schon.“

      Ich nähere mich der verschlossenen Tür und bevor ich zaghaft anklopfe, hole ich mehrmals tief Atem.

      „Ja, bitte.“ ertönt seine tiefe Stimme.

      „Du wolltest mich sprechen?“ frage ich ihn, nachdem ich eingetreten bin.

      „Schliess die Tür.“ Er klingt wütend und ich überlege mir, was ich verbrochen haben könnte.

      Ich verriegle den Eingang und wende mich wieder Damian zu, der noch immer aus dem Fenster sieht. Ich betrachte seinen wohlproportionierten Körper, der sich unter seinem massgeschneiderten Anzug abzeichnet. Das Verlangen ihn zu berühren, mit meinen Händen über seine Muskeln zu streifen, überkommt mich derart unvorbereitet, dass ich laut hörbar die Luft einziehe.

      Wie auf ein Zeichen dreht er sich zu mir um, die Hände in den Hosentaschen vergraben, sieht er mich mit seinen wunderschönen braunen Augen an, was meinen Wunsch von ihm besessen zu werden nur noch mehr anstachelt. Der Zwang zu ihm zu gehen und mir einfach das zu nehmen, was ich mir wünsche, ist beinahe so gross, wie die Angst von ihm zurückgestossen zu werden. Was er mit Sicherheit auch tun würde. Ich habe gesehen, welcher Typ Frau seinem Geschmack entspricht. Und in diese Sorte passe ich leider nicht. Das hat er mir nur zu deutlich klargemacht. Ich bin seine Mitarbeiterin. Weiter nichts.

      Abwartend bleibe ich stehen. Mein Brustkorb hebt und senkt sich in schnellen Bewegungen, während ich darauf warte, bis er mir endlich den Grund verrät, warum er mich in sein Büro gerufen hat.

      Es macht mich nervös, wie er mich fixiert. Wie er seinen Blick in meinem versenkt. Sein Gesicht hat einen harten Zug angenommen und seine Augen blitzen mich gefährlich an, als er ein paar Schritte auf mich zumacht.

      „Hast du dich gut amüsiert?“ Er spuckt die Worte regelrecht heraus.

      „Amüsiert?“


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