Little Pearl. Madlen Schaffhauser

Little Pearl - Madlen Schaffhauser


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schüttle ich die Gedanken an ihn ab und schließe vorsichtig die Tür. Ich hasse es, wenn Türen laut ins Schloss krachen.

      Mehrere Frauen stehen auf Laufbändern oder sitzen auf Hometrainern und strampeln sich fit. Weiter hinten entdecke ich einen Mann, der einer Frau bei den Sit-ups hilft. Wozu braucht man Hilfe bei Sit-ups? Ich verdrehe die Augen.

      Trotzdem kann ich den Blick nicht von ihnen lassen. Ich nehme an, er ist sowas wie ein Personaltrainer. Sein Tanktop hat die Aufschrift des Fitnesscenters. Also ist er mit Sicherheit ein Angestellter oder so.

      Seine Haare sind ganz kurz – vier, fünf Millimeter vielleicht - und schwarz. Wenn ich es richtig erkenne, starrt er soeben auf die Brüste seiner Kundin, die in einem rosa Sport-BH stecken. Ich schüttle den Kopf. Doch dann kommt mir der Gedanke, dass es seine Freundin sein könnte. Ich tadle mich für meine voreiligen Schlüsse. Sie wären ein schönes Paar, beide wahnsinnig durchtrainiert. Sie straffe Beine und Po, von ihrer Oberweite will ich jetzt lieber nicht reden. Er einen irrsinnigen Body, der sich unter seinem enganliegenden Tanktop genau abzeichnet. Mannomann diese Oberarme. Beim Anblick läuft mir gleich das Wasser im Mund zusammen.

      Eigenartig, das ist so untypisch für mich.

      Ich will gerade wegsehen, als er den Kopf hebt und in meine Richtung sieht. Seine Augen nageln mich fest. Sie wirken dunkel, haben etwas Freches, Faszinierendes, aber auch etwas ... Anziehendes. Etwas das einem die Sprache verschlägt. Ich kann kaum noch klar denken, geschweige denn, mich bewegen, als sich unsere Blicke treffen.

      Mir wird warm im Gesicht. Ich fühle, wie sich meine Wangen langsam mit Röte überziehen. Sein Blick macht mich ganz verlegen. Außerdem sollte ich nicht so glotzen, besonders nicht, wenn seine Eventuell-Freundin mich ansieht, als würde sie mich am liebsten mit ihren Blicken erdolchen wollen.

      Kapitel 4

      Evan

      Lucy macht gerade Sit-ups. Mein Blick schweift unterdessen durch das Fitnessstudio. Kyle sitzt am Butterfly-Gerät und schwitzt wie ein Schwein, während er seinen Bizeps stärkt.

      Zwei Frauen wärmen sich auf dem Laufband auf. Quasseln jedoch mehr, als dass sie laufen. Meine Augen bleiben bei einer Brünetten hängen, die vorne beim Eingang steht. Sie wirkt etwas verloren, während sie sich umsieht. Als wäre sie auf der Suche nach jemandem oder etwas. So viel ich mich erinnern kann, habe ich sie hier noch nie gesehen. Sie sieht hübsch aus.

      Gordon betritt hinter ihr den Raum. Er winkt mir zu und die Tür fällt mit einem krachenden Knall ins Schloss. Die Kleine zuckt dermaßen zusammen, ich glaube schon, sie werfe sich zu Boden. Ich muss Lachen, doch als ich in ihr verängstigtes Gesicht sehe, bleibt es mir im Hals stecken.

      Mein Gott, bricht sie etwa gleich in Tränen aus? Ich schüttle den Kopf, doch dann tut sie mir irgendwie leid, weil sie anscheinend nicht mehr weiß, wo vorne und wo hinten ist.

      Als die Kleine rückwärts auf die Tür zugeht, stehe ich auf.

      »Wo gehst du hin?«, fragt mich Lucy und hält mich am Arm fest.

      »Entschuldige mich kurz, ich bin gleich wieder da. Mach in der Zwischenzeit noch zwanzig normale Sit-ups, danach fünfzig seitliche, indem du die Knie zu deinen Ellbogen ziehst.«

      Lucy will noch etwas sagen, doch ich bin bereits auf den Füßen und auf dem Weg zur Unbekannten, die schon fast aus der Tür ist.

      »Geht es dir gut?« Die Braunhaarige dreht sich erschrocken um. Sie ist aschfahl im Gesicht. Ihre stechend grünen Augen zucken hastig umher. Ziellos und doch so, als würde sie etwas suchen. Bei jeder anderen würde ich jetzt einen Schritt auf sie zugehen, meine Arme ausstrecken und sie ihr auf die Schultern legen. Aber bei diesem Mädchen, das über einen Kopf kleiner ist als ich, und am ganzen Körper zittert, als würde jemand hinter ihr her sein, bleibe ich wo ich bin. »Suchst du etwas? Oder irgendwen?« Ich weiß nicht, was ich sie sonst fragen soll. »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«

      Sie scheint mich erst jetzt richtig wahrzunehmen. Ihre Augen bleiben auf meinem Gesicht und erwidern irgendwann meinen Blick. Ihr Mund öffnet sich mehrmals, ohne dass ein Ton dabei herauskommt. Ich sehe ihr an, dass sie fieberhaft nach Worten sucht.

      Obwohl sie zusammenzuckt, als ich nun doch auf sie zugehe und meine Arme ausstrecke, lege ich ihr meine Hände an die Arme. Ich gehe etwas in die Knie, damit ich auf Augenhöhe mit ihr bin. »Brauchst du einen Arzt?« Weder schüttelt sie den Kopf, noch nickt sie, sondern schaut mich nur mit großen Augen an. »Sag doch etwas?« Meine Stimme hat fast etwas Flehendes. Als sie noch immer nicht reagiert, lege ich meine Finger um ihr Handgelenk und stütze sie, während wir das Studio durchqueren. Auf dem Weg in mein Büro winke ich Logan, der gerade aus dem Kraftraum kommt, und gebe ihm ein Zeichen, sich um Lucy zu kümmern.

      Als ich mich mit der Unbekannten auf die Umkleide und den Flur, der zu meinem Büro führt, zubewege, zittert sie wie Espenlaub. »Ich bringe dich nur in einen Raum, wo es leiser ist«, beruhige ich sie. »Du kannst dich dort solange aufhalten, wie du willst. Wenn du ein Telefon brauchst, ich kann dir eins geben.« Ich rede einfach weiter, bis wir an der Tür zu meinem Büro sind. »Erschrick nicht, mein Büro gleicht mehr einer Abstellkammer als einem Arbeitsraum. Aber es hat eine bequeme Couch, wo du dich ausruhen kannst.«

      Ich öffne die Tür und zeige ihr auf die abgewetzte Ledercouch. Außer dem Zweiersofa stehen noch ein schmaler Schrank, ein alter Küchenstuhl und eine dunkelbraune Holzplatte auf zwei Böcken, die mir als Schreibtisch dient im Raum. Und eine Menge Kartons mit Unterlagen, die ich mal in ein Regal packen sollte, nachdem ich sie eingeordnet habe - und nachdem ich ein Regal gekauft habe.

      »Ich hole dir schnell etwas zu trinken.« Bevor ich aus dem Raum gehe, nehme ich die Wolldecke, die auf der Couchlehne liegt und breite sie über dem Mädchen aus, in das langsam wieder Leben zu kommen scheint. »Bin gleich zurück.«

      Ich renne fast zur Bar. Weil ich mich nicht entscheiden kann, nehme ich eine Flasche Wasser und ein Glas Orangensaft, den ich vorhin frisch gepresst habe, aus dem Kühlschrank. Eben will ich mich wieder Richtung Büro aufmachen, da kommt Lucy zu mir. Ihr Schmollmund passt mir gerade gar nicht.

      »Hast du mich etwa vergessen?«

      Ich setze mein Entschuldigungslächeln auf. »Nein, bestimmt nicht. Nur habe ich da ein Mädchen im Büro, das irgendwie völlig neben der Spur ist.«

      Lucy zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Na und? Du kannst ja Logan oder Sophia schicken. Die können sich um sie kümmern. Schließlich bezahle ich dich dafür, dass du mich trainierst.«

      Ich unterdrücke ein Seufzen. »Tut mir leid. Wir werden natürlich diese Stunde nachholen.«

      Als ich mit den Getränken an ihr vorbeigehen will, legt sie ihre Finger an meine Brust. »Versprochen?«

      Vielleicht hatte meine Schwester recht damit, als sie meinte, es wäre ein Fehler, etwas mit den Kundinnen anzufangen. Ich wollte nicht hinhören. Jetzt glaube ich aber langsam, dass ich womöglich doch auf sie hätte hören sollen.

      »Versprochen«, antworte ich und mache einen Schritt zur Seite, um ihrer Hand zu entkommen. »Mach mit Logan einen neuen Termin aus.« Ohne ihre Worte abzuwarten, laufe ich schnell in mein Büro zurück.

      Das Mädchen mit den langen dunkelbraunen Haaren sitzt noch genau in derselben Position auf dem Sofa, wie ich sie zurückgelassen habe. Die Hände hat sie in die bunte Wolldecke gekrallt. Ihr Blick ruht auf den farbigen Vierecken.

      »Die hat meine Mutter gemacht.«

      Erschrocken reißt sie den Kopf hoch. Als sie mich erkennt, zuckt ganz leicht ihr linker Mundwinkel. Sie wirkt nicht mehr ganz so blass wie noch vor wenigen Minuten.

      »Geht’s besser?«, frage ich sie und strecke ihr die Getränke hin. »Ich wusste nicht, was dir lieber ist.«

      »Danke«, sagt sie mit leiser Stimme und greift nach dem O-Saft. Es ist das erste Wort, das sie zu mir gesagt hat. Obwohl ihre Stimme leise und zerbrechlich klang, so geht mir ihr zarter Klang dennoch ziemlich unter die Haut.

      »Gern


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