Kettenwerk. Georgian J. Peters

Kettenwerk - Georgian J. Peters


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Schnellfeuergewehr, seine Schmeisser MP 40, hielt er seitlich im Anschlag. Nur seine Augen folgten der Fährte seiner Viecher.

      Auf keinem Fall sind sie auf meiner Fährte, redete sich Kessie ein, denn er war von einer ganz anderen Seite über mehrere Dächer gleich auf ihren Beobachtungsturm gelangt. Plötzlich riss Ebling die Schmeisser in die Höhe und feuerte kurze, aber krachende Salven in den stumpfgrauen Nachthimmel. Es war so unermesslich laut, dass Kessie tatsächlich glaubte, er wäre getroffen. Instinktiv ging er in Deckung, presste die Hände vor die Augen, riss den Mund weit auf und schrie, bis die Stimmenbänder vibrierten, doch er hörte keinen einzigen Laut.

      Schützend schlug er die Hände über den Kopf, vergrub ihn tief zwischen den Knien, während sein Atem stoßweise und in Kältewellen entwich. Schrecklichste Bilder brachen über ihn herein. Vor seinem geistigen Auge tanzten wirre Gebilde und hinter seinen Augen begann das Blut zu kochen. In panischer Aufruhr riss er die Augen auf, denn plötzlich kroch noch etwas in ihm hoch, was aber eher von niederer Qualität war. Purer Hass machte sich in ihm breit. Nein, nein, nein, das war nicht Angst, das war nur der erste Schreck!

      Als er schließlich den Kopf hob und zu der Stelle sah, wo Ebling gestanden hatte, war dieser verschwunden. Auch die Hunde waren nicht mehr zu sehen.

      Bleischwer hingen Kessies Worte im Raum, selbst als er sich längst wieder gesetzt, sein Glas genommen und den Inhalt in einem Zug geleert hatte.

      Georgie richtete sich auf.

      Mit dem Sessel zog er sich dicht zum Schreibtisch.

      Erneut schickte er seinen Blick in die dunkle Ecke des Raumes, als ob er dort jemanden stehen sehen würde. Sekundenlang verweilte dort sein Blick, bis er unvermittelt fragte: „Was denkst du?“

      Die Frage war an Ulli gerichtet.

      Betreten sah Ulli ihn an. Er räusperte sich, sagte dann aber: „Na ja, das mag jetzt verdammt blöde klingen, aber ich denke, wir können den Scheißkerl nie erledigen … Ich meine … Wenn wir noch mal so stümperhaft vorgehen!“

      „Ja, er hat recht“, lenkte Holmi ein, „wir wissen ja wohl jetzt alle wieder was damals dabei ‚rausgekommen ist, oder?“, und er fügte hinzu, wobei er den Blick senkte und auf die Zeitung sah, „Scheiße war das, verdammt!“

      „Und was stellst du dir vor?“, Georgie sah zu Ulli auf, „Wir können auf keine Hilfe von außen hoffen. Das ist doch wohl klar! Da wird es niemand geben, der uns glaubt.“

      „Ich rede nicht von Hilfe“, entgegnete Ulli schnell. „Nein, wir müssen uns viel besser vorbereiten“, flüchtig blickte er in die Runde, „wenn wir wieder dorthin zurückkehren, müssen wir ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen … Wenn Ihr wisst, was ich meine.“ Er unterstrich seine letzten Worte mit einer weiteren, gestikulierenden Handbewegung: „Der Kerl kennt uns … was weiß ich, warum … aber das ist schon mal Tatsache!“

      In diesem Augenblick hätte Holmi beinahe sein Glas umgekippt.

      „Meinst du, der ist so richtig hinter uns her?“, regte Tommi irritiert an.

      Ullis altbekannter, zänkischer Blick traf ihn frontal: „Da kannst du einen drauf lassen, Mann!“

      „Was willst du damit sagen?“, lenkte Georgie ein, wenngleich er die Antwort ahnte.

      „Denk’ doch nach! Wie konnte er uns wohl fast bis nach draußen folgen? Der kannte doch jeden unserer Schritte im Werk … Als wenn er immer dicht an unseren Fersen kleben würde … Ja, bin ich denn ein Opfer der Geografie? … Der hätte uns jederzeit kriegen können, also hätte er uns auch jederzeit töten können … aber nee!“

      „Volltreffer, Ulli!“, unterbrach ihn Georgie knapp, „Der Scheißkerl benutzt uns!“

      „Was …? Wieso …? Das ist mir jetzt aber zu hoch!“ Unsicher hob Holmi sein Glas, setzte es aber nicht an. Seine Hände suchten nur irgendwo Halt.

      Ulli hingegen lehnte sich lässig zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.

      Eine zerrende Pause entstand.

      „Irgendwas will Ebling zu Ende bringen“, spekulierte Georgie, doch er spürte, dass seine Freunde mit dieser Feststellung nichts anfangen konnten. Im Gegenteil, sie übergingen den Satz einfach.

      „Die Waffen!“, platzte es aus Tommi heraus, „Wir holen uns einfach die Pistolen und die anderen Waffen.“

      „Zu laut“, kam Ullis spontaner Einwand.

      Georgie stimmte ihm zu: „Genau. Ulli hat recht … Viel zu viel Aufsehen … Hineingehen müssen wir mit lautlosen Waffen.“

      Holmi war anderer Meinung. Er richtete sich auf und sagte: „Wieso denn …? Tommi hat da gar nicht so unrecht … Da liegt doch bestimmt noch unten alles ’rum. Schaden kann’s doch nicht, oder?“

      „Nein, so dürfen wir nicht vorgehen. Wir müssen zuerst lautlos arbeiten, weil wir nicht wissen, was uns wirklich da unten erwartet“, bei diesen Worten waren alle Blicke auf Georgie gerichtet. „Wir haben ihn aufgescheucht … Aus seinem Scheißschlaf gerissen … Und wir hatten dabei verdammt noch mal großes Glück.“

      Langsam erhob er sich und schob den Bürosessel nach hinten. „Wir können mit der Angst jetzt besser umgehen, und das ist unsere Chance.“

      Holmi erhob sich ebenfalls, setzte sich jedoch gleich wieder.

      „Stimmt“, grinste Ulli breit, dabei schnalzte er laut mit der Zunge, „ich muss gestehen, da unten hatte ich mächtig Schiss.“

      „Na ja, ich hab’ ja nicht so viel mitgekriegt“, wandte Tommi zögerlich ein, „Holmi hat mich ja gleich zurückgerufen.“

      Wie nach einem Schlag in den Nacken flog Holmis Kopf herum: „Ja, Mensch“, verteidigte er sich, „sollte ich denn allein’ da oben bleiben?“

      „Okay, ja … so war’s … Kessie, Ulli, Matjes und ich.“ Georgie ging um den Schreibtisch herum, wobei sich sein Oberkörper ins Dunkel tauchte. Kurz blieb er neben dem Tisch stehen und sah wieder zur Tür, dann fuhr er mit belegter Stimme fort: „und Kahli … ja, verdammt. Kahli!“ Betretene Stille schob sich in den Raum und für einen Moment schien selbst das Dröhnen der Musik zu verstummen.

      „Wir werden Waffen brauchen, die keinen Lärm machen“, unterbrach Georgie die Stille. Ein flüchtiger Blick streifte Ulli: „Ich hab’ mir vor ’ner Weile ’ne Armbrust angeschafft … Die ist geräuschlos. Ich schieße damit oft … auf’m … auf’m Übungsplatz natürlich …“

      „Ja, Sportsfreunde!“, lenkte Ulli ein, wobei sich seine Brust aufblähte, als wollte er den Jungs ein Ständchen vortragen, „Ja, Leute, und ich hab’ mir auch so was gekauft.“ Er beugte sich vor, um Georgie besser sehen zu können, da dieser mit dem Oberkörper noch immer im Dunkeln stand. „Ich bin der nächste Wilhelm Tell“, dabei nickte er väterlich und machte eine Bewegung, als hielte er bereits einen gespannten Langbogen in den Händen.

      Ratlos sahen sich die anderen an.

      Sie konnten nicht glauben, was sie da hörten. Deutlich füllte sich ihr Bewusstsein mit der Erkenntnis, dass wirklich vier Jahre vergangen waren.

      „Es gibt da noch andere lautlose Waffen, die wir uns besorgen können“, er blieb stehen und drehte sich um. „Professionelle Katapulte zum Beispiel und diese Indianerschleudern“, Georgie kehrte zu dem zerschlissenen Bürosessel zurück und ließ sich tief hineinfallen, wobei er die Hände hinter dem Kopf verschränkte. „Und dann noch …“

      „Meine bewährten Messingscheiben!“, sprang ihm Holmi ins Wort.

      „Genau. Alle diese Waffen …“, riss Georgie das Wort wieder an sich, „Bei richtiger Anwendung sind sie ebenso tödlich und effektiv … Auch die Messingscheiben … Klar … natürlich, Mann!“

      „Da hast du verdammt Recht“, ging Holmi nochmal dazwischen, da er am besten mit den Dingern umgehen konnte, „die sind todsicher!“ Er hatte


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