Kettenwerk. Georgian J. Peters

Kettenwerk - Georgian J. Peters


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bekam er keine zufriedenstellende Antwort.

      Wieder ging sein Blick zur Tür. Er lauschte, dann wiederholte er seine Frage: „Hey! Wo, verdammt noch eins, ist Matjes?“

      „Hoh, hoh!“, erschrocken richtete sich Ulli auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, „Ich weiß nich’ genau, Mann. Er ist Ochsenzoll ausgestiegen.

      Er wollte etwas nachsehen und dann nachkommen.“

      „Na toll, und warum verdammt noch mal Ochsenzoll? Konntest du ihn denn nicht daran hindern?“

      „Ja, Mann“, sprang Kessie ein, weil Ochsenzoll die U-Bahnstation war, wo er wohnte, „sonst hat er nichts gesagt?“

      „Warum zum Teufel Ochsenzoll?“, überlegte Georgie laut.

      „Was weiß ich denn?“, wehrte Ulli ab, „Ihm wird schon nichts passieren!“

      „Über was habt Ihr denn vorher noch geredet?“

      „Also, jetzt wo du mich so fragst“, antwortete Ulli, „wir haben eigentlich gar nicht geredet.

      „Er war die ganze Zeit still“, aber dann grinste er verschmitzt und kniff dabei ein Auge zusammen, „ich hab’ ihm von unserer Nachbarin erzählt, die mir letztens etwas anvertraute …“, befriedigt registrierte er, dass alle Augen an seinen Lippen klebten, „na ja, sie erzählte mir, dass sie nun schon seit Jahren zu jeder Theaterpremiere in Hamburg gehe, um mitreden zu können“, er stockte für Sekunden, „… Ich hab’ sie dann nur gefragt, ob das denn die anderen Besucher nicht unnötig stören würde?“, für einen Augenblick blieb er noch todernst, bis er dann in schallendes Gelächter ausbrach und sich auf die Schenkel schlug.

      Die anderen lachten nicht.

      „Ooh, Scheiße noch mal!“, stieß Georgie aus, obwohl seine Mundwinkel sich ein schmales Lächeln erkämpfen konnten.

      „Nein, im Ernst“, lenkte Ulli ein, „ihm wird schon nix passieren. Er wird nicht so blöd sein und allein dorthin gehen.“

      „Und was ist, wenn doch“, kam Holmis berechtigter Einwand.

      Mit einer beschwichtigenden Geste senkte Georgie den Kopf und sagte: „Er soll noch mal über unseren Plan ’rüberschreddern, deswegen brauch’ ich ihn hier!“

      Holmi nahm einen Schluck aus seinem Glas und meinte zustimmend, dass ein guter Plan jetzt absolut notwendig wäre und dass Matjes bestimmt gleich kommen würde. Er sagte das, da er plötzlich das Gefühl hatte, etwas Derartiges sagen zu müssen, aber etwas Passenderes fiel ihm so schnell nicht ein.

      Verunsichert stellte er das Glas zurück auf den Schreibtisch.

      Die Situation beanspruchte sein Nervenkostüm aufs Ärgste.

      „Leute, das geschah doch alles vor vier Jahren, okay!“ Georgie war Holmis Unsicherheit nicht entgangen. Daher wollte er ablenken: „Ich habe gehört, dass dort in den vergangenen Jahren verdammt viel gebaut wurde“, wobei er Holmi, der hektisch an seinen Fingernägeln kaute, aus dem Augenwinkel beobachtete.

      Er fuhr fort: „Was ist, wenn die Bunker längst weg sind?“, ging sein Blick fragend zu Kessie, „Wir waren vor vier Jahren das letzte Mal dort … ich zumindest!“, dabei suchten seine Augen mehr, als sie sehen konnten.

      „Das stimmt allerdings“, pflichtete ihm Kessie bei, „gebaut worden ist sehr viel, aber komischerweise haben sie die Bunker nicht angerührt.“

      „Die haben nur viele neue Hallen gebaut“, fügte Kessie noch hinzu.

      Tommi erhob sich vom Stuhl: „Aber vielleicht haben sie dadurch die Gänge freigelegt!“, spekulierte er skeptisch.

      „Genau, was ist, wenn sie die ganzen Gänge entdeckt haben“, sagte Ulli mit einer flüchtigen Handbewegung in Georgies Richtung.

      „Nein, nein!“, winkte Kessie mit beiden Händen ab, „die Gebäude haben keine Keller. Sie haben nur den Boden begradigt und die Gebäude draufgebaut“, und mit einem unklaren Blick zu Georgie sagte er, „und die Teiche gibt’s auch noch.

      Man hat sie sogar gereinigt und neu umzäunt.“

      Georgie hatte sich nicht wieder an den Schreibtisch gesetzt, stattdessen war er ein paar Schritte auf die Tür zugegangen. Ohne sich nochmal umzudrehen, sagte er: „Na gut, wir treffen uns morgen 22 Uhr vorm Haupteingang.“ Er hatte die Tür erreicht: „Und vergesst Eure Taschenlampen nicht!“

      Fast unmerklich warf er einen flüchtigen Blick auf seine Uhr, die er noch immer so ungewöhnlich umgebunden trug – das Zifferblatt nach unten gerichtet. Er drehte das Handgelenk nach außen vom Körper weg. Viertel nach eins schon.

      Mit einem Ruck öffnete er dann die Tür und sagte: „Nun komm’ schon rein, Betty“, dabei streckte er ihr die Hand entgegen, „du musst da nicht die ganze Zeit warten.“

      Galant griff er nach ihrer Hand und zog sie herein.

      Überrascht sah Kessie sich um und rief erschrocken: „Oh, Betty! Entschuldige. Ich … ich hab’ dich aber nicht vergessen!“ Gleichzeitig schoss er hoch und kam ihr entgegen.

      „Ist schon okay“, versuchte sie das plötzliche Eindringen zu entschuldigen, doch vielmehr war sie vergeblich damit beschäftigt, die eigene Erschrockenheit zu überspielen.

      Es gelang ihr nur schwer.

      Ohne Georgie eines klaren Blickes zu bedenken, schlängelte sie sich auch an Kessie vorbei, um die anderen mit einem geklauten Lächeln zu begrüßen.

      „Nein, nein, du bist bestimmt sauer, oder?“, zog Kessie sie zu sich heran, wobei er zu Georgie hinübersah, der noch bei der offenen Tür stand.

      „Wirklich nicht. Ich hätte doch jederzeit reinkommen können.“ Sie löste sich von Kessie und wandte sich erneut den Jungs am Schreibtisch zu. „Na, und was habt Ihr denn nun so Wichtiges zu bereden?“

      Nicht sofort bekam sie eine Antwort. Nur betretene Blicke.

      Kessie zog sie wieder zu sich heran und flüsterte ihr ins Ohr, dass sie eigentlich nur geplaudert hätten, weil sie sich so lange nicht mehr gesehen hatten. Hilfesuchend sah er zu den anderen: „Na ja, da gibt’s dann eben viel zu quatschen.“

      „Das klang eben aber ein bisschen anders“, überfuhr sie Kessie.

      „Und wie klang es?“, fragte Georgie, der genau wusste, dass sie trotz der lauten Musik draußen an der Tür gelauscht hatte.

      Fast gleichzeitig standen Tommi, Ulli und Holmi auf, um sie zu begrüßen.

      „Na, Kessie …“, Ulli pfiff durch die Zähne, „dein Geschmack in allen Ehren, ich …!“

      Weiter kam er nicht, weil ihm Holmi in die Seite stieß. Abrupt fuhr Ulli herum und drohte mit dem Zeigefinger: „Das machst du genau dreimal, Mann!“ Dabei ließ er jedoch ein weißes Grinsen von den Lippen abtropfen. „Das gibt blaue Flecke, du Arsch!“

      Betty war die Erste, die lachte.

      Schlagartig entspannte sich die Situation und alle fingen an zu lachen.

      Damit war die „Sitzung“ beendet.

      Gemeinsam verließen sie das Arbeitszimmer, mischten sich wieder unter die Gäste.

      Ulli und Georgie verschwanden in Richtung Bowle und Tommi tänzelte ungelenk ins Wohnzimmer, wo getanzt wurde.

      Holmi steuerte geradewegs die Toilette an.

      Nur Betty und Kessie kehrten nach wenigen Schritten um und verriegelten die Tür des Arbeitszimmers von innen.

      Längst waren die Gäste gegangen, auch Ulli, Tommi und Holmi, als Kessie völlig zufrieden dreinblickend den Flur entlanggeschlurft kam. Er warf einen glasigen Blick in die Küche, wo Georgie auf einem Stuhl saß und auf ihn wartete. Tief tauchte er den Blick in den Dampf seines Teebechers.

      „Was denn … alle schon weg?“ Die Frage entwich Kessie


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