USA. Hannelore Veit
Basis meiner politischen Ansichten.«
Und da sind wir schon beim Thema Donald Trump angekommen. »Nehmen Sie Donald Trump denn ab, dass er religiös ist?«, frage ich John. Trump ist zweimal geschieden, hatte unzählige Affären, brüstet sich, Frauen könnten ihm nicht widerstehen. »I just grab them by the pussy«, ich bin schließlich ein Star, ich kann mir alles erlauben, sagt er in dem inzwischen berühmt-berüchtigt gewordenen Pussygate-Video ins Mikrofon, als er sich unbeobachtet fühlt. Knapp vor der Wahl 2016 taucht dieses Video auf und ist ein gefundenes Fressen für die Presse, besonders für die Anti-Trump-Presse.
Die Trandems haben eine Antwort darauf, die unter Evangelikalen oft zu hören ist: »Trump ist wie wir alle«, sagt John. »Auch ich bin ein sündiger Mensch. Wenn ich jemanden nur dann wählen kann, wenn ich alles, was er in der Vergangenheit getan hat, okay finde, dann könnte ich niemanden wählen. Nicht einmal mich selbst.« Er lacht. »Trump hat vieles falsch gemacht, wie wir alle. Ich glaube ihm, dass er bereut, für mich ist er ein Mann des Glaubens. Davon bin ich überzeugt.«
Trump ist von Gott auserwählt, uns zu führen – das ist die Argumentation vieler konservativ Religiöser in den USA.
Lydia ist es nicht leichtgefallen, Trump zu wählen, das gibt sie zu. Sie lächelt leicht verlegen, als ich sie danach frage: »Eine schwierige Frage«, sagt sie, »ich habe lange gebraucht, bis ich mich mit der Idee anfreunden konnte. Ausschlaggebend für mich war, dass Trump sehr gläubige Menschen in sein Umfeld geholt hat.« In erster Linie war es Ben Carson, der Lydia zum Umschwenken brachte: Mit dem einstigen Trump-Rivalen um die Präsidentschaftsnominierung, dem einzigen Schwarzen unter den Republikaner-Kandidaten, einem hoch angesehenen Chirurgen und Pionier auf dem Gebiet der Trennung siamesischer Zwillinge, hatte sie Gelegenheit, ein Gespräch zu führen, als er 2016 nach North Dakota kam. Carson, der tiefgläubig ist, ist inzwischen Wohnbauminister im Kabinett Trump.
Im Wahlkampf hat Trump immer wieder seine – angebliche – Religiosität hervorgekehrt. Bei den Evangelikalen, einer großen und für die Republikaner wichtigen Wählergruppe, hat er damit punkten können – auch wenn das bei vielen Beobachtern in den USA für Erstaunen gesorgt hat. Es ist eine Sache, Trump zuzuhören, wenn er auf die Bibel seiner Mutter schwört, sich als strikter Abtreibungsgegner gibt oder behauptet, Mitglied einer Kirche in New York zu sein (die das auf unsere Nachfrage abstreitet), eine andere Sache ist es, ihm diese Wandlung vom Saulus zum Paulus auch abzunehmen.
John und auch Lydia tun das. Sie sind strikte Abtreibungsgegner. Trumps Pro-Life-Haltung war gerade für Lydia ein wesentlicher Grund, ihn zu wählen: »Trump steht fest aufseiten der Pro-Life-Bewegung.« Das war nicht immer so, Trump ist in der Vergangenheit sehr wohl für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch eingetreten. Als Neo-Politiker ist er zum Abtreibungsgegner mutiert und setzt voll auf diese Karte: Im Jänner 2020 ist er der erste amtierende US-Präsident, der am alljährlichen Pro-Life-Marsch auf der Mall in Washington teilnimmt. Es ist schließlich Wahlkampf.
John ist überzeugt, dass sich mit Trump als Präsident das gesellschaftliche Klima in den USA verändert hat und sich noch weiter verändern wird. Er glaubt fest, dass die als »Roe gegen Wade« in die Geschichtsbücher eingegangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1973, die die Abtreibung erlaubt, demnächst noch einmal vor dem Obersten Gerichtshof landen wird. »Seit 1973 hat sich die Wissenschaft weiterentwickelt, ist unser Wissen darüber, wann Leben beginnt und was Leben heißt, ein anderes geworden. Ich glaube, die Argumente der Abtreibungsbefürworter werden nicht mehr durch die Wissenschaft unterstützt.« An Argumenten, die seine Meinung unterstützen, fehlt es John nie – was er immer wieder nicht ohne Stolz und mit schelmischem Lächeln betont.
John, der Businessman
John ist auch der Prototyp des »Selfmademan«, des erfolgreichen Kleinunternehmers, ein Businessman wie aus dem Bilderbuch. John und seine Familie leben von der Autowerkstatt, die er am Rande der Stadt aufgebaut hat. Sie ist nicht viel mehr als eine Lagerhalle in einer Industriegegend, aber John nennt sie sein Eigen und die Werkstatt läuft gut. Er ist spezialisiert darauf, Zusatzfunktionen in Autos einzubauen. Im langen und bitterkalten Winter hier im Norden sind das vor allem Fernstarter, um Autos vorzuheizen. Hochsaison ist für ihn im Herbst, weil, wie er grinsend sagt, den Leuten erst dann wieder einfällt, dass der Winter vor der Tür steht. Häufig baut er auch Alkohol-Wegfahrsperren ein: Ein längerer Führerscheinentzug für Lenker, die alkoholisiert gestoppt werden, wäre im ländlichen North Dakota unverhältnismäßig hart. Ohne Auto ist es fast unmöglich, seiner Arbeit nachzukommen oder auch nur die Familie zu versorgen. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum oder gar nicht. Daher erlauben die Behörden oft den Einbau einer Wegfahrsperre statt eines Führerscheinentzugs.
Ich besuche ihn in seiner Werkstatt. Bilder an der Wand im kleinen Büro zeigen John mit Donald Trump, John mit dem republikanischen Senator Ted Cruz, Lydia mit Ben Carson. Ein Bild von Bill und Hillary Clinton gibt es auch, es ist auf die Dart-Zielscheibe geheftet, die an der Wand hängt. Und ziemlich durchlöchert.
Lydia kommt am Nachmittag mit den Kindern vorbei, im kleinen Büro ist eine Spielecke eingerichtet. Es ist leicht zu erkennen, warum Johns Werkstatt gut läuft: Das ist keine Hochglanzwerkstatt, aber John bietet persönlichen Service, freundlich, zuvorkommend, am Telefon und mit Kunden, die ihre Autos abholen. Kundenservice, wie man es nur in einem Kleinbetrieb finden kann. In einer Stunde will ein Kunde seinen Wagen abholen, John legt letzte Hand an, um alles fertigzustellen. Sein dreijähriger Sohn James steht daneben, schaut fasziniert zu, hält das Werkzeug bereit und »hilft«. Auch wenn das »Helfen« ein bisschen bremst, John ist ein geduldiger Vater. Dass er seine Kinder liebt, ist augenscheinlich.
Ganz klein hat John angefangen, erzählt er. Mit sehr, sehr wenig Geld hat er nach der Highschool und während seiner College-Jahre seine Autowerkstatt gegründet. Er war in den ersten Monaten nicht sicher, ob er finanziell überleben wird oder den Traum von der Selbstständigkeit wieder aufgeben und sich einen Job suchen muss. »Aber ich habe hart gearbeitet, habe die richtigen Entscheidungen getroffen – und habe im Lauf der Zeit ein Business aufgebaut, mit dem ich meine Familie erhalten kann.« Er zitiert seine Regeln des Erfolgs, die der Ökonom Walter E. Williams aufgestellt hat: die Highschool abschließen, einen Job annehmen, erst Kinder kriegen, wenn man verheiratet ist, und nicht in die Kriminalität abrutschen. An diese Regeln hat er sich gehalten, sagt John stolz.
Johns konservative Welteinstellung hat sich erst im Erwachsenenalter gefestigt. In seinen Highschool-Jahren war er eher liberal, erzählt er mir, das war die überwiegende Stimmung an den Schulen und Universitäten in den 1980er, 1990er Jahren, er wollte nicht gegen den Strom schwimmen. »Wie die meisten jungen Menschen in meinem Umfeld war ich ein bisschen links.« Aber nach und nach hat er seine Meinung geändert, ganz besonders, als er begonnen hat, für die Republikanische Partei zu arbeiten, anfangs nur des Geldes wegen, aber dann immer mehr auch wegen deren Ideologie. »Da gehöre ich hin, zu dieser Überzeugung bin ich gekommen. Das sind die Ideale, an die ich glaube und die ich eigentlich immer schon hatte.«
Weniger Staat, mehr privat, das ist Johns Credo. »Zu viele erwarten, dass der Staat alles für uns tut, uns alles gibt. In den letzten zehn Jahren haben wir begonnen, vieles als unser Recht zu sehen, was gar nicht in der Verfassung steht, was die Gründerväter der Republik gar nicht so wollten.« Es ist ein klarer Seitenhieb auf die Demokraten und »die Linken« mit ihrer Vorsorgementalität, wie er sagt. Eine Regierung, die den Menschen alles gibt, macht sie abhängig, so seine Philosophie: »Großzügige Unterstützungsprogramme halten viele davon ab, Arbeit zu suchen und Eigeninitiative zu ergreifen. Die Machthabenden schaffen sich damit einen großen Wählerblock, der ihnen den Machterhalt garantiert. Selbstlos ist daran gar nichts, im Gegenteil.«
Hart arbeiten, das ist Johns Motto. Business – das ist für ihn die Essenz des amerikanischen Traums. Er bedauert, dass das protestantische Arbeitsethos verlorengegangen sei. »Die Menschen müssen wieder Initiative zeigen, Ambitionen haben, müssen sich mehr im Job engagieren. Sie müssen den Dollar wieder schätzen lernen, harte Arbeit schätzen lernen. Ich glaube, diese Mentalität existiert nicht mehr in Amerika.«
Es sind republikanische Werte, die John hochhält.
Neben