Internationales Franchise-Recht. Dagmar Gesmann-Nuissl
ff) Nachvertragliche Ausgleichs- und Ersatzansprüche
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Gesetzliche Regelungen zu Ausgleichs- und Ersatzansprüchen nach Beendigung des Franchisevertrags sind nicht vorhanden. Insofern wird weitgehend auf die Regeln zum Vertragshändlervertrag zurückgegriffen (analoge Anwendung des Ley 12/1992). Insofern gilt, dass dem Franchise-Nehmer Ausgleichs- und Ersatzansprüche zukommen, wenn ein Vertrag, der auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, vom Franchise-Geber entgegen Treu und Glauben aufgekündigt wird. Denkbar sind in diesem Zusammenhang z.B. ein Ausgleich des entgangenen Gewinns für den Zeitraum der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist sowie die Entschädigung für noch nicht abgeschriebene Investitionen. Der vertragliche Verzicht auf Ausgleichs- und Ersatzansprüche wird im spanischen Vertragshändlerrecht für zulässig erachtet39 – dies gilt dann wohl auch für den Franchisevertrag.40
2. Gesetzliche Sonderregelungen zu den vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten
a) Vorvertragliche Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers
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Wie bereits erkennbar wurde, existiert in Spanien kein spezifisches Franchisegesetz. Die einschlägigen Regelungen finden sich in Ley 7/1996 sowie in dem dazugehörigen Real Decreto 201/2010.
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Ley 7/1996 ist ein allgemeines Gesetz, das in Art. 62 Abs. 3 die vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten normiert. Ausschließlich Art. 62 des Ley 7/1996 beinhaltet Regelungen zum Franchise. Die Norm ist als einzige dem Kapitel 4 (Wirtschaftliche Tätigkeit als Franchise) untergeordnet und fällt unter die Kategorie der Sonderverkäufe (Titel 3). In der einführenden Definition der Sonderverkäufe in Art. 36 Ley 7/1996 sind verschiedene Typen von Sonderverkäufen genannt, nicht jedoch Franchise. Dies lässt sich dadurch begründen, dass Art. 62 Ley 7/1996 verhältnismäßig spät in das Gesetz aufgenommen wurde und die allgemeine Definition keine weitere Ergänzung mehr erfuhr.41
Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996
Mindestens zwanzig Tage vor der Unterzeichnung eines Franchisevertrages oder Vorvertrages oder der Lieferung durch den Franchise-Geber gegen Zahlung des Franchise-Nehmers ist der Franchise-Geber verpflichtet, dem zukünftigen Franchise-Nehmer alle notwendigen Informationen in Schriftform zukommen zu lassen, damit dieser eine freie und bewusste Entscheidung über das Franchisegeschäft treffen kann, insbesondere die wichtigsten Kenndaten des Franchise-Gebers, die Beschreibung der Geschäftstätigkeit, den Inhalt und die Eigenschaften des Franchisebetriebes, die Struktur und Verbreitung des Franchisenetzwerks und die wesentlichen Elemente der Franchisevereinbarung.
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Die in Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996 normierten vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten werden durch das Real Decreto 201/2010 detaillierter ausgestaltet.
b) Gesetzgeberische Zielsetzung
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Der Gesetzgeber beabsichtigte 1996 den Schutz des Franchise-Nehmers als der vermeintlich schwächeren Partei in einem Franchiseverhältnis.42 Letzteres wurde darauf gestützt, dass der Franchise-Nehmer meist als unerfahren galt.43 Außerdem hätte der Franchise-Nehmer im Vergleich zum Franchise-Geber höhere Kosten für die Beschaffung der notwendigen Informationen, sodass die gesetzlichen Regelungen auch auf die Herstellung von Vertragsparität zwischen den Parteien abzielen sollten.44 Als weiterer Grund für die Schutzbedürftigkeit des Franchise-Nehmers wurde vorgebracht, dass dieser keinen Schutz aus Verbraucherschutzvorschriften ableiten könne, da sie für Gewerbetreibende keine Gültigkeit entfalten.45 Der Franchise-Nehmer ist kein Verbraucher und kann sich sonach nicht auf verbraucherschützende Vorschriften berufen.46 Gerade deshalb sah es der spanische Gesetzgeber für erforderlich an, ein Äquivalent zu schaffen und setzte die vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers (Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996) in Kraft.
c) Anwendungsbereich: Arten von Franchiseverträgen
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Der Anwendungsbereich der vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten richtet sich nach den einführend genannten Definitionen aus Art. 62 Abs. 1 Ley 7/1996 und Art. 2 Abs. 1 Real Decreto 201/2010. Danach gelten die vorvertraglichen Informationspflichten aus Art. 3 Real Decreto 201/2010 für sämtliche Arten von Franchiseverträgen. Dazu gehört auch das MasterFranchise, sodass den MasterFranchise-Geber die gleichen Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber seinen MasterFranchise-Nehmer treffen.47 Das spanische Franchise-Recht sieht keine Ausnahmen für die Informations- und Aufklärungspflichten vor, sodass sie von den Franchise-Gebern gegenüber allen potenziellen Franchise-Nehmern wahrgenommen werden müssen.48
d) Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers im Einzelnen
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Die vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers manifestieren sich in Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996 und Art. 3 Real Decreto 201/2010, der dessen Ausgestaltung vornimmt. Es sei angemerkt, dass es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, in welcher Sprache die vorvertragliche Information- und Aufklärung zu verfassen ist.49
aa) Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996
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Die Regelung zu den vorvertraglichen Informations- und Aufklärungspflichten aus Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996 ist an das französische Gesetz – Loi Nº89-1008 (sog. Loi Doubin) vom 31.12.198950 – angelehnt und führt eine nicht abschließende Auflistung der notwendigen Angaben auf.51 Danach hat der (potenzielle) Franchise-Geber wenigstens 20 Tage vor der Unterzeichnung eines Vertrages oder Vorvertrages, Lieferung oder jeglicher Zahlung des künftigen Franchise-Nehmers diesem schriftlich alle notwendigen Informationen zukommen zu lassen, sodass ihm eine freie und informierte Entscheidung über das Franchise ermöglicht wird.
Art. 62 Abs. 3 Ley 7/1996
Mindestens zwanzig Tage vor der Unterzeichnung eines Franchisevertrages oder Vorvertrages oder der Lieferung durch den Franchise-Geber gegen Zahlung des Franchise-Nehmers ist der Franchise-Geber verpflichtet, dem zukünftigen Franchise-Nehmer alle notwendigen Informationen in Schriftform zukommen zu lassen, damit dieser eine freie und bewusste Entscheidung über das Franchisegeschäft treffen kann, insbesondere die wichtigsten Kenndaten des Franchise-Gebers, die Beschreibung der Geschäftstätigkeit, den Inhalt und die Eigenschaften des Franchisebetriebes, die Struktur und Verbreitung des Franchisenetzwerks und die wesentlichen Elemente der Franchisevereinbarung.
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Im Wesentlichen sind somit Angaben zur Identifizierung des Franchise-Gebers, eine Beschreibung der Aktivitäten im Rahmen des Franchise, Inhalte und Merkmale des Franchisebetriebs, Struktur und Umfang des Franchisenetzes sowie die wesentlichen Inhalte des Franchisevertrages zu tätigen.52
bb) Art. 3 lit. a)–g) Real Decreto 201/2010
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Die nähere Ausgestaltung der vorvertraglichen Informationspflicht erfolgt durch Art. 3 Real Decreto 201/2010.
Art. 3 Real Decreto 201/2010. Vorvertragliche Informationen für potenzielle Franchise-Nehmer.
Mindestens zwanzig Werktage vor Unterzeichnung des Franchisevertrages oder Vorvertrages oder der Entrichtung einer Zahlung seitens des zukünftigen Franchise-Nehmers an den Franchise-Geber muss der Franchise-Geber oder der Master-Franchise-Geber die folgenden Informationen schriftlich wahrheitsgemäß