Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz
55f. 359 Vgl. Rosbach, CCZ 2008, 101; zu den Vorteilen effektiver Compliance ferner Poppe, Begriffsbestimmung Compliance: Bedeutung und Notwendigkeit, in: Inderst/Bannenberg/Poppe, Compliance, 3. Aufl. 2017, 1, 11f. m.w.N. 360 Vgl. Nezmeskal-Berggötz, Integritätsmanagement und Social Compliance bei Deutsche Post DHL Group, in: Wieland/Steinmeyer/Grüninger, Handbuch Compliance-Management, 3. Aufl. 2020, 709, 710f. unter Hinweis auf die PWC-Studie „Millennials at work, Reshaping the Workplace“, 2012, https://www.pwc.com/m1/en/services/consulting/documents/millennials-at-work.pdf (zuletzt abgerufen am 29.9.2020). 361 Vgl. hierzu Liese/Schulz, BB 2011, 1347ff. 362 Bürkle, in: Bürkle, Compliance in Versicherungsunternehmen, 3. Aufl. 2020, § 1 Rn. 77. 363 Vgl. v. Marnitz, Compliance-Management für mittelständische Unternehmen, 2011, 74f.; Schulz/Renz, BB 2012, 2511, 2514. 364 Schulz, CB 2015, 309, 313; siehe auch v. Marnitz, Compliance-Management für mittelständische Unternehmen, 2011, 75. 365 Vgl. Hauschka, Compliance im Gesellschaftsrecht, in: Hadding/Hopt/Schimansky, Verbraucherschutz im Kreditgeschäft – Compliance in der Kreditwirtschaft 2008, 103, 111; Schulz/Galster, in: Bürkle/Hauschka, Der Compliance Officer, 2015, § 4 Rn. 16. 366 Hauschka, Compliance im Gesellschaftsrecht, in: Hadding/Hopt/Schimansky, Verbraucherschutz im Kreditgeschäft – Compliance in der Kreditwirtschaft 2008, 103, 111. 367 Siehe oben unter Rn. 15.
2. Kapitel Compliance Management und Strafrecht
I. Einführung in die Criminal Compliance
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Die Notwendigkeit sowie die rechtliche Verpflichtung zur Installation eines Compliance Managements entstammt zumindest ursprünglich nicht der Sorge um die strafrechtliche Gesetzmäßigkeit des unternehmerischen Handelns bzw. der Sorge um die Wirkung strafrechtlicher Verfehlungen auf das Unternehmen. In der „Vor-Compliance-Zeit“ (bis 1998)1 bestand vielmehr ein Zielkonflikt zwischen einer Verpflichtung zu ethischem und damit auch einem strafrechtskonformen Handeln auf der einen Seite sowie der Verpflichtung zur Ertragsoptimierung im Sinne des Shareholder-Value-Gedankens auf der anderen Seite. Hier konnte sogar eine strafrechtliche Grenzüberschreitung als opportun bzw. jedenfalls hinnehmbar in eine Kosten-Nutzen-Abwägung Eingang finden. Je weniger „ehrenrührig“ die strafrechtliche Grenzüberschreitung in den relevanten Kreisen, so etwa der sog. „Deutschland AG“, erschien und je geringer das Entdeckungsrisiko war, desto eher ist ein solches Risiko durch die Unternehmensverantwortlichen in Kauf genommen worden, wenngleich auch seinerzeit bereits penibel darauf geachtet wurde, dass im Falle der Entdeckung eine Verstrickung nicht bis in den Vorstand oder ggf. sogar den Aufsichtsrat nachgewiesen werden konnte.
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Gerade im Bereich der heutigen Kern-Compliance-Risiken, etwa der Korruption, der Untreue, der Steuerhinterziehung sowie der Verstöße gegen das Kartell- oder auch Datenschutzrecht, sah die Welt noch völlig anders aus. Bis 1998 waren die Tatbestände der Inlands-Korruption ein relativ stumpfes Schwert, bei der Vorteilsgewährung musste die Justiz den Abschluss einer konkreten Unrechtsvereinbarung nachweisen und die Anforderungen der Rechtsprechung waren hoch, die Auslands-Korruption war schlichtweg in Deutschland noch gar nicht strafbar. Im Gegenteil, der Staat hat die Auslands-Korruption deutscher Unternehmen vielmehr als mögliches Akquisitionsinstrument angesehen und den Einsatz der dafür erforderlichen Mittel, die sog. „nützlichen Aufwendungen“ (NA), steuerlich sogar als Betriebsausgaben anerkannt.
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In diesem Umfeld hat der Gesetzgeber dann im Jahre 1998 durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)2 die für die Compliance als grundlegend angesehene Norm des § 91 Abs. 2 AktG eingeführt, nach der der Vorstand der Aktiengesellschaft „geeignete Maßnahmen“ zu treffen, „insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten“ hat, mit dessen Hilfe „den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt“ werden können. Ein solches Überwachungssystem war bereits von seinem Wortlaut her seinerzeit nur zur Früherkennung betriebswirtschaftlich existenzgefährdender Risiken bestimmt. Dass sich innerhalb weniger Jahre die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass auch strafrechtliche Compliance-Risiken ein existenzgefährdendes Ausmaß für das Unternehmen annehmen könnten, war damals kaum absehbar.
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In den Jahren ab 1998 hat der Gesetzgeber jedoch insbesondere im Strafrecht einen dramatischen Kurswechsel vollzogen, der heute an dem Erfordernis einer insbesondere strafrechtsbasierten Compliance keinen Zweifel mehr lässt.
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Nachdem die bis dato unzureichende Korruptionsbekämpfung im Jahr 1996 Gegenstand des 61. Deutschen Juristentages war, und obwohl die geplanten Maßnahmen dort in hohem Maße umstritten waren, schaffte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 (KorrBekG)3 zunächst einschneidende Verschärfungen im Korruptionsstrafrecht, mit welchen die bis dato bestehenden Lücken geschlossen und Verfolgungsprobleme beseitigt werden sollten. Neben einer deutlichen Verschärfung der Strafandrohung für die Korruptionsdelikte des Kernstrafrechts waren die Kernpunkte der Veränderung die Erfassung des sog. „Drittvorteils“, also die Strafbarkeit der Zuwendung an einen dem Amtsträger nahestehenden Dritten, sowie die bis heute umstrittene und nachwirkende Lockerung der sog. „Unrechtsvereinbarung“, mithin der inhaltlichen Verknüpfung von Dienstausübung und Vorteilszuwendung. Schließlich ist der Abschnitt „Straftaten gegen den Wettbewerb“ in das StGB aufgenommen worden, der nicht nur den neu gefassten Straftatbestand des § 298 StGB (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen), den ehemaligen „Submissionsbetrug“, umfasst, sondern insbesondere auch die aus dem Nebenstrafrecht (UWG) stammenden Delikte der Nicht-Amtsträger-Bestechung (ugs. Privat-Korruption), der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr neu gefasst und in das StGB eingefügt hat (§§ 299, 300 StGB). Zwar enthielt § 12 UWG bis dato eine vergleichbare Strafvorschrift, diese war jedoch gem. § 22 UWG a.F. als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet und führte dieserhalb eher ein Schattendasein im UWG. Seit der Aufwertung dieses Tatbestandes durch Aufnahme in das Kernstrafrecht erfreut sich insbesondere die Regelung des § 299 StGB, also der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, einer stark zunehmenden Beliebtheit bei den Ermittlungsbehörden. Durch ein weiteres Gesetz zur Bekämpfung der Korruption4 mit Wirkung ab dem 26.11.2015 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 299 StGB noch einmal erweitert und das sog. Geschäftsherrenmodell in den Tatbestand aufgenommen. Strafbar soll nunmehr auch derjenige sein, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen schlichtweg „seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt“ Ziel der durchaus unbestimmten Neuregelung soll, so der Gesetzgeber, ein erweiterter „Schutz der Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten“ sein. Zu befürchten ist jedoch, dass hier mittelfristig auch die Verletzung selbstgesetzter Compliance-Vorgaben des Unternehmens u.U. sogar als strafbarkeitsbegründend angesehen wird.
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Sodann hat der Gesetzgeber weitere Spezialtatbestände im Bereich der Korruption neu geschaffen bzw. reformiert. Im Jahr 2014 hat der Gesetzgeber nach über 11 Jahren internationalen Drucks den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) reformiert und an die Anforderungen der UN-Konvention angepasst.5 Die Neuregelung des § 108e StGB erfasst nunmehr unter dem Titel „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“ nicht nur Bundestags- und Landtagsabgeordnete, sondern auch kommunale Mandatsträger.
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