Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz
erlassen. Die neuen Straftatbestände § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) und § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) sind der Struktur des § 299 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) nachgebildet.
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Auch international ist seit Jahren – unter dem starken Einfluss der US-amerikanischen Regierung – eine Verstärkung und Internationalisierung der Korruptionsbekämpfung zu verzeichnen.7 In den USA hat die Korruptionsbekämpfung auch im Rahmen der Auslandsaktivitäten US-amerikanischer Unternehmen bereits eine längere Tradition. Das Auslandsbestechungsgesetz (FCPA) verbietet bereits seit den späten 70er Jahren Zahlungen und Geschenke an ausländische staatliche Amtsträger, die den Zweck haben, einen Geschäftsabschluss zu befördern oder eine Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten.8 Auf Basis des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsbereich vom 17.12.1997 hat dann auch der deutsche Gesetzgeber die internationalen Vorgaben zur Erweiterung der Anwendbarkeit der Korruptionsvorschriften auf den internationalen Bereich umgesetzt und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) verabschiedet.9 Durch das IntBestG wurden zahlreiche ausländische Amtsträger (und Richter) unter bestimmten Voraussetzungen den inländischen Amtsträgern gleichgesetzt, darüber hinaus wurde das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatortes für die Bestechung ausländischer Amtsträger und Abgeordneter im internationalen Geschäftsverkehr für anwendbar erklärt (§ 5 StGB). In Umsetzung des EU-Bestechungsübereinkommens hat der Gesetzgeber mit Schaffung des EU-Bestechungsgesetzes (EUBestG)10 fast zeitgleich die Anwendbarkeit des Amtsträgerbegriffes auch auf die Amtsträger von EU-Mitgliedstaaten sowie auf bestimmte Gemeinschaftsbeamte sowie die Mitglieder der Kommission und des Rechnungshofes der europäischen Gemeinschaften ausgeweitet. Des Verweises auf die Vorschriften des IntBestG sowie des EuBestG bedarf es seit November 2015 nicht mehr, da diese zwischenzeitlich – jedenfalls zum größten Teil – in das StGB (§§ 11 Abs. 1 Nr. 2a, 331ff., 335a StGB) übernommen wurden.11 Auch die Auslandskorruption ist damit zwischenzeitlich fester Bestandteil des Kernstrafrechts geworden.
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Der Wille, Korruption ernsthaft zu verfolgen, wenngleich diese bis dato von deutschen Unternehmen – jedenfalls im Ausland – als kaum verzichtbares Akquisitionsinstrument angesehen wurde, hat sich dann schließlich auch nicht nur darin niedergeschlagen, dass der Gesetzgeber die steuerliche Absetzbarkeit von im Ausland gezahlten Bestechungsgeldern abgeschafft, sondern er auch diverse faktische Maßnahmen zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung umgesetzt hat. So wurden nicht nur „Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Korruptionsbekämpfung“ eingesetzt, die ihr Handwerk wirklich verstehen, sondern auch etwa Hinweisgebersysteme bei den Landeskriminalämtern sowie in einigen Ländern auch Korruptionsregister eingeführt. Auf Bundesebene ist die Einführung eines (bundesweiten) Korruptionsregisters zur Vorbereitung von Vergabeentscheidungen, trotz einer seit Jahren andauernden Diskussion, jedoch immer wieder gescheitert. In einzelnen Bundesländern gibt es jedoch solche „Korruptionsregister“ oder „Vergaberegister“ teilweise auf Erlassbasis, teilweise auf gesetzlicher Basis, so etwa in NRW bei der Informationsstelle für Vergabeausschlüsse NRW, die beim Finanzministerium NRW geführt wird.12
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Gab es dieses umfassende strafrechtliche Normengeflecht zwar schon länger, so hat der Gesetzgeber den Ermittlungsbehörden jedoch darüber hinaus zwischenzeitlich ein Ermittlungsinstrumentarium an die Hand gegeben, das es ihnen nicht nur ermöglicht, die Einhaltung dieser Vorschriften effektiv zu kontrollieren, sondern auch bei dem Unternehmen als solchem die „Daumenschrauben“ derart anzuziehen, dass das Unternehmen selbst ein überragendes Interesse an der Verhinderung derartiger Straftaten, mithin an Compliance, hat. In der Praxis werden Beweisschwierigkeiten nicht nur zunehmend mittels einer systematischen Auswertung des gesamten Datenbestandes des Unternehmens, insbesondere der E-Mails, sondern auch mit dem Instrument der Telekommunikationsüberwachung überwunden. Durch zahlreiche gesetzliche Änderungen wurde die einst dem Bereich der Schwerkriminalität vorbehaltene Telekommunikationsüberwachung auf Bereiche der (vermeintlichen) Wirtschaftskriminalität erstreckt, so insbesondere auf die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung, der (schweren) Angestelltenbestechlichkeit und -bestechung sowie neuerdings auch auf den Tatbestand der Bestechung von Mandatsträgern.
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Beschränkte sich die Strafverfolgung noch vor einigen Jahren fast ausschließlich auf die Überführung der verantwortlichen Straftäter, so hat sich auch dieses Bild zwischenzeitlich fast um 180° gedreht. Regelmäßig begnügen sich Staatsanwaltschaften nicht mehr mit dem verantwortlichen Mitarbeiter des Unternehmens; regelmäßig versuchen die Staatsanwaltschaften von Anfang an, eine Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung nachzuweisen, um dann dort – mit dem Ziel der Generalprävention – Schmerzen zu bereiten. So sehen sich die Staatsanwälte der Schwerpunktstaatsanwaltschaften als „Großwildjäger“, die weniger an dem einzelnen Vertriebsmitarbeiter als vielmehr dem Geschäftsführer oder dem Vorstand selbst interessiert sind. Da die staatsanwaltschaftliche Erfahrung zu zeigen scheint, dass die Verantwortlichkeiten regelmäßig in der Unternehmensleitung zusammenlaufen, wird zielorientiert auf die Feststellung entweder positiver Kenntnis der Unternehmensleitung oder jedenfalls eines sog. „Organisationsverschuldens“ hingearbeitet.
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Aber auch die Feststellung individueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei der Unternehmensleitung reicht den Schwerpunktstaatsanwaltschaften häufig nicht mehr aus. Ziel der Ermittlungsbehörden – dies wird teilweise unverhohlen zugegeben – ist es, das Unternehmen dort zu treffen, wo es „weh tut“, nämlich im finanziellen Bereich. Als Unternehmensvertreter kann man sich häufig des Eindrucks nicht erwehren, dass durchaus auch profiskalische Aspekte hinter einer dahingehenden Forcierung stehen. Teilweise scheint die Ahndung individuellen Verschuldens in den Hintergrund zu treten neben der Absicht, Erträge (häufig) in Millionenhöhe im Wege der Einziehung oder über Unternehmensgeldbußen abzuschöpfen. Da derartige (Millionen-)Erträge dem jeweiligen Landeshaushalt zufließen, entsteht der Eindruck, dass die Staatsanwaltschaften mit teilweise abenteuerlichen Begründungen versuchen, eine dahingehende Kompetenz zu begründen, wo sie vor Jahren noch versucht hätten, entsprechende Zuständigkeiten von sich zu weisen.
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Diese profiskalischen Perspektiven eröffnen sich den Staatsanwaltschaften durch die Instrumente der Einziehung von Taterträgen gemäß § 73 StGB sowie der Unternehmensgeldbuße gemäß § 30 OWiG, die auch im Strafverfahren – neben der persönlichen Schuldfeststellung – Anwendung findet. Kann gem. § 30 Abs. 2 OWiG gegen das Unternehmen bereits eine Geldbuße von bis zu 10 Mio. EUR verhängt werden, so erhöht sich diese bei Vorliegen eines abschöpfungsfähigen Erlöses, der aus der Straftat generiert wurde, gem. § 17 Abs. 4 OWiG schnell auf einen mehrstelligen Millionenbetrag. So hat etwa die Staatsanwaltschaft München I in der causa Siemens bereits mit Bußgeldbescheid vom 15.12.2008 den Abschöpfungsanteil alleine auf einen Betrag i.H.v. 394.750.000,00 EUR festgesetzt und um einen Ahndungsanteil i.H.v. 250.000,00 EUR erhöht, mithin alleine in diesem Verfahren eine Geldbuße in Höhe von 395 Mio. EUR festgesetzt.13 Zuvor hatte bereits das LG München I gegen die Siemens AG eine Geldbuße in Höhe von 201 Mio. EUR verhängt. In der sog. „Diesel-Affäre“ hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen die Volkswagen AG unter dem 13.6.2018 einen Bußgeldbescheid über eine Verbandsgeldbuße in Höhe von 1 Mrd. EUR erlassen. Das gegen die Volkswagen AG festgesetzte Bußgeld umfasste dabei einen sanktionierenden Teil in Höhe von 5 Mio. und einen vermögensabschöpfenden Teil in Höhe von 995 Mio. EUR. Weitere Verbandsgeldbußen im dreistelligen Millionenbereich sind zwischenzeitlich etwa gegen die Audi AG, die Porsche AG sowie die Daimler AG erlassen worden.
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Aber auch die Kartellgeldbußen des Bundeskartellamtes erreichen über das Institut der sog. Mehrerlösgeldbuße gem. § 81 Abs. 4, 5 GWB i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG schnell dreistellige Millionenbeträge. So hat das Bundeskartellamt etwa im Jahre 2014 gegen ein Mitglied des sog. Zuckerkartells eine Einzelgeldbuße in Höhe von 195,5 Mio. EUR verhängt. Die bis dato höchste Einzelkartellgeldbuße des Bundeskartellamtes – 251,5 Mio. EUR