Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz
Berichterstattung über neue Produkte durch ausgiebiges Sponsoring, Einladungen oder auch nur die Verknüpfung journalistischer Berichterstattung mit dem Anzeigenvolumen eines Unternehmens zu denken, die sog. „Schere im Kopf“. Trotz des Bemühens des Gesetzgebers, korruptionsrelevante Strukturen weitestgehend strafrechtlich zu erfassen, drängt sich die Erkenntnis auf, dass die Korruption die dunkle, um nicht zu sagen, inkriminierte Kehrseite einer gesellschaftlichen Vernetzung und eines Systems von Abhängigkeiten darstellt, das wiederum Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung ist. Die Überschreitung von Grenzen zum Zwecke der Erlangung eines Vorteils, sei sie strafrechtlich relevant oder nicht, stellt ein globales Phänomen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dar. So wird die Korruption auch ganz grundsätzlich als „Tausch von Vorteilen unter Regelverstößen“ definiert.
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Die Problematik auch des Korruptionsstrafrechts liegt darin, dass die Grenzen zwischen gesellschaftlich erforderlichem und sogar gewünschtem Verhalten im Bereich Beziehungspflege und der strafrechtlich zu beanstandenden inkriminierten Beeinflussung fließend sind. Gerade im internationalen Geschäftsverkehr ist hinlänglich bekannt, dass ohne bestimmte Formen der Zuwendung (sog. „Türöffner“, „Beschleunigungsgelder“, „Bakschisch“43 etc.) kaum ein Geschäftsabschluss zustande kommt bzw. kaum eine Amts- oder Diensthandlung zeitnah erfolgt. Die Zahlung nützlicher Aufwendungen, sog. „NA“, durch deutsche Unternehmen im Ausland war bis in das Jahr 1999 sogar steuerlich absetzbar. Auch in Deutschland war bis in das Jahr 1997 hinein die sog. „Klimapflege“ gegenüber Amtsträgern sowie im politischen Bereich die sog. „Landschaftspflege“ üblich und nicht strafbewehrt. Dies hat sich durch das KorrBekG im Jahr 1997 (s.o.) dramatisch geändert. Bis dahin unbeanstandete Formen der Beziehungspflege mit Amtsträgern bis hin zur schlichten Essenseinladung sind nunmehr unter dem Aspekt des „Anfütterns“ strafrechtlich relevant, nach der Rechtsprechung des BGH44 reicht bereits die Schaffung des „bösen Anscheins möglicher Käuflichkeit“ für die Verwirklichung des Tatbestandes der Vorteilsannahme aus.
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Klassische Compliance-Konflikte ergeben sich hier insbesondere im Bereich des (internationalen) Vertriebs. Zweifelhafte Zuwendungen werden insbesondere in bestimmten ausländischen Märkten als unverzichtbares Akquisitionsmittel angesehen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich deutsche Unternehmen, die sich auf vermeintlich (landes-)übliche Praktiken einlassen, im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen befinden, die zwar ausweislich der Vorgaben der OECD unter ähnlichen Strafandrohungen stehen sollten, die jedoch nicht ansatzweise mit ähnlicher Konsequenz wie durch die deutschen Ermittlungsbehörden kontrolliert werden. „Wenn wir’s nicht machen, macht’s der Franzose“, dieser Satz bringt die Verzweiflung des deutschen Wettbewerbers zum Ausdruck, der insbesondere von den deutschen Ermittlungsbehörden streng kontrolliert wird und vermeintlich nur die Wahl zwischen einem rechtskonformen Verhalten (nach deutschem Recht) und dem Verlust des Auftrags an den ausländischen Wettbewerber sieht. Hier offenbart sich, dass zunächst eine ungleich stringente Strafverfolgung45 zu einem manifesten Wettbewerbsnachteil mutieren kann, andererseits zeigt sich, dass die deutsche Regierung gut daran tut, im internationalen Bereich auf eine gleichförmige Umsetzung der OECD-Vorgaben und eine entsprechende Strafverfolgung zu drängen. Konsequent wird die Auslandsbestechung insbesondere durch die US-amerikanischen Gesetze geahndet und durch die US-amerikanischen Behörden verfolgt. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die US-amerikanischen Behörden „ihren“ Unternehmen im Gegenzug dem Vernehmen nach mit geheimdienstlichen Mitteln Informationen verschaffen, die den Wettbewerbsnachteil der strengen Korruptionsgesetzgebung und deren Umsetzung dadurch quasi kompensieren.46 Ebenso bemerkenswert ist der UK Bribery Act 2010, der nicht nur eine Strafbarkeit von Unternehmen für die unterlassene Verhinderung von Bestechung vorsieht (§ 7), sondern die Anwendbarkeit gleich auch auf ausländische, mithin auch deutsche Unternehmen erstreckt, wenn auch nur ein allgemeiner Bezug zu Großbritannien besteht, etwa ein Bevollmächtigter dort gehandelt hat (§ 12 Abs. 5).
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Strukturell sind bei der Korruption zunächst die beiden großen Bereiche der Amtsträgerkorruption (oder auch der „öffentlichen Korruption“) sowie der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr („Privatkorruption“) zu unterscheiden. Ist der Vorteilsempfänger ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, so finden die weitergehenden und weitaus strengeren Vorschriften der §§ 331ff. StGB (Amtsträgerkorruption) Anwendung. Die Amtsträgerkorruption zeichnet sich insbesondere durch eine Vorverlagerung der Strafbarkeit bereits in den Bereich des „Anfütterns“ oder der Klimapflege aus, Voraussetzung der Strafbarkeit ist insofern nur die schlichte Annahme eines Vorteils für die Dienstausübung, die Vereinbarung einer pflichtwidrigen Diensthandlung als Gegenleistung ist im Rahmen der sog. Vorteilsannahme (§ 331 StGB) bzw. der Vorteilsgewährung durch den Vorteilsgeber (§ 333 StGB) nicht erforderlich.
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Wird mit dem Amtsträger darüber hinaus als Gegenleistung für den Vorteil die Erbringung einer pflichtwidrigen Diensthandlung vereinbart, so liegt der Tatbestand der Bestechlichkeit (des Amtsträgers) gem. § 332 StGB bzw. der Bestechung (durch den Vorteilsgeber) gem. § 334 StGB vor, der über ein deutlich erhöhtes Strafmaß (bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe) verfügt. Durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption (2015) hat der Gesetzgeber durch Schaffung des § 335a StGB auch formal die bislang nur durch Nebengesetze47 erfassten ausländischen Amtsträger ausdrücklich in den Geltungsbereich der Amtsträgerkorruption einbezogen.
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Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden ist der Bereich der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB, die sog. „Angestellten- oder Beauftragtenkorruption“. Strafbewehrt ist hier die Annahme von Vorteilen durch Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr. Die schlichte Annahme (oder spiegelbildlich Gewährung) eines Vorteils reicht hier allerdings nicht aus, erforderlich ist hier – anders als bei der Amtsträgerkorruption – der Abschluss einer konkreten Unrechtsvereinbarung, mithin die Erbringung einer konkreten Gegenleistung, die in einer unlauteren Bevorzugung des Vorteilsgebers liegen muss. Seit der Erweiterung des Tatbestandes um das sog. „Geschäftsherrenmodell“ im Jahre 201548 kann die vereinbarte „Gegenleistung“ neuerdings auch bereits darin liegen, dass der Angestellte oder Beauftragte – im Interesse des Vorteilsgewährenden – seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt.
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Die Spezialvorschriften der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, b StGB), der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e StGB) oder etwa der Beeinflussung von Betriebsratswahlen durch Gewährung von Vorteilen (§ 119 BetrVG) erfassen hierbei bestimmte Empfängerkreise, die weder als Amtsträger noch als Angestellte oder Beauftragte qualifiziert werden können, die aber nach Auffassung des Gesetzgebers einer hohen Korruptionsanfälligkeit unterliegen und deren Unbestechlichkeit eines besonderen Schutzes durch Sondervorschriften bedurfte.
a) Vorteilsgewährung (§ 333 StGB)
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Der Tatbestand der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) – spiegelbildlich die Vorteilsannahme (§ 331 StGB) – ist dazu bestimmt, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und damit zugleich in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen zu schützen.49
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Empfänger des zu gewährenden Vorteils muss damit ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter sein. Entscheidend ist, dass der Empfänger des Vorteils zum Zeitpunkt der Tat schon oder noch Amtsträger im Sinne des Gesetzes ist. Der Begriff des Amtsträgers i.S.d. §§ 331ff. StGB ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der des Europäischen Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB legal definiert.50 Amtsträger ist demnach, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist, wer in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder sonst dazu bestellt ist, einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag