Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente. Thomas Weck
aus bloß wahrgenommenen Korrekturen anderer Finanzmarktteilnehmer ableiten, dass auch sie selbst Korrekturen zur Risikominimierung vornehmen müssen. Die Marktteilnehmer sind dann tatsächlich möglicherweise keinen Risiken ausgesetzt, doch ist dies für sie nicht erkennbar.
Ein Hauptproblem in Bezug auf mögliche Ansteckungseffekte folgt schließlich aus dem Umstand, dass die Effekte entlang der Distributionskette eintreten und die Marktteilnehmer hintereinander reagieren. Dies kann dazu beitragen, dass die Marktteilnehmer lange keine Notwendigkeit sehen, für bestimmte Risiken vorzusorgen. Sie können sogar die Kosten für eine solche Vorsorge bewusst einsparen und hoffen, dass andere Marktteilnehmer oder der Staat im Krisenfall ausreichende Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung treffen werden.
2. Andere makroökonomische Risiken
Makroökonomische Risiken können auch in einem Umfang bestehen, bei dem es im Fall einer Realisierung noch zu keiner Systemgefährdung kommt. Im Kontext dieser Arbeit sind solche Risiken dann relevant, wenn hiermit eine Gefährdung der aufsichtsrechtlichen Rechtsgüter einhergeht.
Die Einschätzung solcher makroökonomischer Risiken ist schwierig. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sie sich wahrscheinlich auch schon in Zeiten entwickeln können, in denen von einer Krise (noch) nichts zu spüren ist. Denn gerade in solchen Zeiten können riskante Finanzgeschäfte attraktiv sein, in deren Rahmen sich Finanzmarktteilnehmer möglicherweise übernehmen.91 So hat auch die jüngste Finanzkrise eindrücklich gezeigt, dass viele Marktteilnehmer in komplexe Finanzinstrumente investiert hatten, ohne die damit verbundenen Risiken zu überblicken. Dies ermöglichte es den Anbietern solcher Finanzinstrumente, für sich selbst Gewinnchancen zu realisieren und die Verlustrisiken zu verlagern. Aber auch die Nachfrager konnten Gewinnchancen anstreben, indem sie auf ein angemessenes Risikomanagement unter Ausnutzung vorhandener Regulierungslücken verzichteten und dafür sorgten, dass die sich in der Krise realisierenden Verluste vorrangig andere Marktteilnehmer oder den Staat trafen (sog. „Finanzalchemie“).92
Im aufsichtsrechtlichen Zusammenhang ist zu beachten, dass die Ansammlung potenziell makroökonomisch relevanter Risiken nur begrenzt hingenommen werden kann, da sie schwer zu überblicken und dementsprechend, wenn sie sich realisieren, auch schwer zu beherrschen sind. Diesem Umstand wird im Rahmen des gegenwärtigen Aufsichtsrechts aber auch Rechnung getragen, worauf noch zurückzukommen ist.93
58 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1. Aufl. 1994, S. 12f. 59 Henssler (Fn. 58), S. 13. 60 Zum Begriff der „Gefahr“ im privatrechtlichen Kontext (§§ 270 Abs. 1, 300 Abs. 2 BGB) siehe Omlor in: von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Aufl. 1993ff. (Neubearbeitung 2016), Vorbemerkungen zu §§ 244–248 BGB Rz. B34ff.; Bittner, ebenda (Neubearbeitung 2014), § 270 BGB Rz. 23ff., insb. Rz. 26; Feldmann, ebenda (Neubearbeitung 2014), § 300 BGB Rz. 16ff., insb. Rz. 16. 61 Siehe näher zu den wirtschaftlichen Mechanismen: Hens/Rieger, Financial Economics, 2. Aufl. 2016, S. 277ff.; Jones, Financial Economics, 1. Aufl. 2008, S. 8f., 149, 161ff.; Duran/Lozano-Vivas, Agency Problems in Banking: Types and Incentives for Risk Shifting, in: Rossi/Malavesi, Financial Crisis, Bank Behaviour and Credit Crunch, 1. Aufl. 2016, S. 53ff. (speziell zu moralischen Risiken); allgemeiner auch: Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 10. Aufl. 2018, S. 130ff.; Bolton/Dewatripont, Contract Theory, 1. Aufl. 2005, S. 11ff., 14ff. 62 Henssler (Fn. 58), S. 115f. 63 Die schuldrechtliche Risikoverteilung eines Vertrags ist nur auf die Herstellung einer subjektiven Äquivalenz ausgerichtet; vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I. Band, 14. Aufl., München 1987, S. 203; C. Hirsch, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2018, Rz. 134. 64 Dazu Monopolkommission, XX. Hauptgutachten, Eine Wettbewerbsordnung für die Finanzmärkte, 1. Aufl. 2014, Tz. 2107. 65 Dazu vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 7. Dezember 1995, 5 U 58/95, Rz. 67 (zit. nach Juris): Zivilrechtliche Aufklärungspflicht setzt Informationsgefälle voraus. 66 Dazu siehe unten Kap. 3.F.I.2.b) (S. 85). 67 Vgl. Utset, Transitive Counterparty Risk and Financial Contracts, 78 Brooklyn L. Rev. 1441, 1462, 1465ff. (2013). 68 Grundlegend Akerlof, The Market for Lemons: Quality Uncertainty and the Market Mechanism. 84 Q. J. Econ. 488 (1970); zu dem hier gewählten Beispiel Franke in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 209 (220); ferner Gorton/Pennacchi, 45 J. Financ. 49, 55ff., 65 (1990); Sinn, Wenn Banken mit „Zitronen“ handeln, Börsen Zeitung vom 26. April 2008, S. 7. 69 Franke in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 209 (220). Die dort angesprochene Möglichkeit der Risikostreuung (S. 221) dürfte in Anbetracht der Informationsasymmetrie nur für die Bank und nicht für die Investoren nutzbar sein. 70 Allen u.a., Moral Hazard and Government Guarantees in the Banking Industry, 1 J. Financ. Regul. 30 (2015); Black/Hazelwood, The Effect of TARP on Bank Risk-Taking, International Finance Discussion Paper 1043, März 2012; Nier/Baumann, Market discipline, disclosure and moral hazard in banking, 15 J. Financ. Intermed. 332 (2006). 71 Siehe näher unten Abschn. IV.1 (S. 29). 72 Ausführlich Monopolkommission, XX. Hauptgutachten (Fn. 64), Tz. 1400ff. 73 Dazu Monopolkommission, XX. Hauptgutachten (Fn. 64), Tz. 1395. 74 FDIC, Risk Management Examination Manual for Credit Card Activities, März 2007, S. 187; Utset, Transitive Counterparty Risk and Financial Contracts, 78 Brooklyn L. Rev. 1441, 1465ff. (2013); Thurner/Poledna, DebtRank-transparency: Controlling systemic risk in financial networks, veröffentlicht: 28. Mai 2013, doi:10.1038/srep01888. 75 Zum Begriff der Hebelfinanzierung siehe Art. 4 Abs. 1 lit. v RL 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen 1060/2009 und 1095/2010, ABl. L 174 vom 1. Juli 2011, S. 1, wonach es sich um Methoden handelt, mit denen „das Risiko von AIF [= Alternativen Investmentfonds] durch Kreditaufnahme, Wertpapierleihe, in Derivate eingebettete Hebelfinanzierungen oder auf andere Weise erhöht“ wird. Das deutsche Gesetz spricht von „Leverage“; siehe § 1 Abs. 19 Nr. 25 KAGB. 76 In diesem Risiko (negative Externalität) spiegelt sich der Vorteil, den A dadurch hat, dass B im Falle der ordnungsgemäßen Kreditrückzahlung mit Zinsen durch C in der Lage ist, seinerseits Zinsen an A zu zahlen (positive Externalität); siehe Utset, Transitive Counterparty Risk and Financial Contracts, 78 Brooklyn L. Rev. 1441, 1466ff. (2013). 77 Utset, Transitive Counterparty Risk and Financial Contracts, 78 Brooklyn L. Rev. 1441, 1470ff. (2013). 78 Dazu siehe Knüppel/Schultefrankenfeld (Bundesbank), Evaluating macroeconomic risk forecasts, Discussion Paper Series 1: Economic Studies, No 14/2011 (zu Risikoprognosen); Weltbank, Managing macroeconomic risk in: World Development Report 2014: Risk and Opportunity?Managing Risk for Development, S. 225ff. (insb. 227; zu makroökon. Unsicherheiten in den Industriestaaten); Ahrend/Arnold/Moeser, The Sharing of Macroeconomic Risk: Who Loses (and Gains) from Macroeconomic Shocks, OECD Economics Department Working Paper No. 877 (zur Risikoteilung bzw. -tragung); Chen/Manso, Macroeconomic Risk and Debt Overhang, 6 RCFS 1 (2017) mit Korrektur in 6 RCFS 293 (2017); Gertler/Hubbard, Corporate Financial Policy, Taxation,