Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen. Christoph Keller
für die Zwangsmaßnahme ergibt sich aus deren Zuständigkeit für die (ggf. fiktive) StPO-Grundmaßnahme nach § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO (i. V. m. § 1 Abs. 4 PolG NRW95). Die instanzielle Zuständigkeit folgt aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW, die örtliche aus § 7 POG NRW.
zu III. Materielle Rechtmäßigkeit
Zulässigkeit des Zwangs
Die StPO enthält keine expliziten Befugnisse zur Zulässigkeit der Zwangsanwendung. Aus einer Interpretation der jeweils durchzusetzenden strafprozessualen Grundmaßnahme ergibt sich aber der Grundsatz, dass dieser die ungeschriebene Ermächtigung immanent ist, die aus ihr folgenden Duldungspflichten mittels unmittelbaren Zwangs durchzusetzen; vorausgesetzt, die StPO-Grundverfügung war rechtmäßig.96 Die Zulässigkeit der Zwangsanwendung wird auch aus einem Umkehrschluss aus § 81c Abs. 6 StPO hergeleitet: Wenn eine Zwangsanwendung im Einzelfall schon gegen Zeugen möglich ist, so muss diese auch bei einem Tatverdächtigen oder Beschuldigten möglich sein.97
Zulässigkeit des Zwangsmittels
Polizeiliche Strafverfolgungsmaßnahmen erlegen dem Betroffenen ausschließlich Duldungspflichten auf. Handlungspflichten begründen polizeiliche Strafverfolgungsmaßnahmen nicht, da niemand an seiner eigenen Strafverfolgung mitzuwirken braucht. Somit kommt als Zwangsmittel ausschließlich unmittelbarer Zwang in Betracht. Auch aus gesetzessystematischen Gründen kommt eine Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW) respektive Zwangsgeld (§ 53 PolG NRW) nicht in Betracht, wie sich (indirekt) aus § 57 Abs. 1 PolG NRW ergibt („… gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58–66 …“).
Art und Weise der Zwangsanwendung, §§ 57 ff. PolG NRW
Über die Art und Weise der Anwendung von unmittelbarem Zwang enthält die StPO (mit Ausnahme von § 119 Abs. 5 StPO: Fesselung in der Untersuchungshaft) keine Regelungen. Über die Brückennorm des § 57 Abs. 1 PolG NRW gelten die §§ 58–66 PolG NRW.
Anhang: Klausurbearbeitung: Tipps und Hinweise
1. Allgemeines zur Klausurtechnik
Die Mühen, die das Erlernen des umfangreichen Prüfungsstoffs machen, zahlen sich nicht aus, wenn das Handwerkszeug, das Erlernte in überzeugender Form zu Papier zu bringen, fehlt.98 Insofern werden nachfolgend einige Hinweise gegeben, deren Beachtung für das Gelingen einer Klausur von Bedeutung ist. Grundsätzlich gilt, dass lösungstechnische Empfehlungen zur Anfertigung von Klausuren nur allgemeine Hinweise sein können. Sie gelten für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Fälle, keineswegs für alle. Entscheidend sind stets die fallspezifische Problematik bzw. die exakte fallgerechte Bearbeitung des jeweils konkret gegebenen Einzelsachverhalts.99 Insoweit sind die hier dargelegten „Tipps“ keineswegs als abschließend zu verstehen und bilden auch kein „Patentrezept“. Die hier dargelegten Hinweise sind aber weitgehend anerkannt, stellen also im Großen und Ganzen den („kleinsten“) gemeinsamen Nenner dar.100
Verstanden als Stil juristischer Texte hat der Stil des Juristen drei Grundsätze:101
(1) Inhalt vor Schönheit
(2) Klarheit vor Schönheit
(3) Schönheit vor Schund.
Denken Sie an den Leser (Korrektor):102 Man muss also nicht nur selbst wissen, was man meint, sondern sich auch immer fragen, ob ein anderer weiß, was gemeint ist. Die Lesbarkeit der Klausur wird durch eine klare und übersichtliche Diktion erhöht (keine Schachtelsätze);103 allgemein gilt:
– Die Regeln der Grammatik und der Rechtschreibung sind sorgfältig zu beachten104
– Keine Erörterungen im Ich-Stil
Formulieren Sie kurz und prägnant; überflüssig sind etwa folgende Wendungen: „Nun ist zu prüfen, ob …“, „laut Sachverhalt“. Das gilt auch für Füllwörter, wie „zunächst einmal“, ,,schlussendlich“, ,,im Endeffekt“ usw.
– Vermeiden Sie Bekräftigungen bzw. inhaltsleere Verstärkungen („zweifelsohne“, „eindeutig“ usw.), sie können den Anschein erwecken, man wolle sich den Aufwand einer schlüssigen Argumentation ersparen. Ist der Punkt tatsächlich unproblematisch, sind Verstärkungen überflüssig. Ist er dies nicht, wird diese Bekräftigung nicht über das Fehlen einer Argumentation hinwegtäuschen. Schlimmstenfalls wirken sie unsachlich.
– Verwenden Sie nur allgemein übliche Abkürzungen. Ein vermehrter Gebrauch „untypischer Abkürzungen“ beeinträchtigt den Lesefluss und damit die Lesbarkeit ihrer Klausur
– Sie dürfen den Sachverhalt auslegen, aber nicht ausweiten („Tatbestandsquetsche“)
– Vermeiden Sie jegliche Emotionalisierungen („Das kann ja wohl nicht richtig sein…“)
– Hinweise auf Rechtsprechung sind regelmäßig entbehrlich. Bewertet werden Systematik und eigenständige Begründungsarbeit
– Vermeiden Sie anmaßenden Stil („der Ton macht die Musik“), etwa „Die Meinung des BGH ist unhaltbar … „
– Fremdwörter können das Textverständnis erschweren und sind zu vermeiden. Die Gerichts- bzw. Amtssprache ist deutsch (§ 184 GVG, § 23 Abs. 1 VwVfG NRW), es sei denn sie sind treffender oder eleganter
– Streichungen sollten so eindeutig sein, dass der Leser sofort erkennen kann, ob ein Satz oder Absatz nun noch zur Bearbeitung gehört oder nicht
– für Definitionen gilt: Haben Sie einen Begriff schon einmal definiert, bedarf es bei der erneuten Erwähnung des Begriffs in der Regel keiner nochmaligen Definition. Ein Verweis nach oben genügt.
Insgesamt ist auf schlüssige Gedankenfolge und einen logischen Aufbau zu achten. Nutzen Sie den strukturierten Rahmen des Öffentlichen Rechts (Lösungsschemata). Behandeln Sie Probleme erst dann, wenn ihre Lösung zur Bearbeitung ansteht. So fordert der Platzverweis gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Nur diese ist zu prüfen, nicht auch gesteigerte Gefahrengrade (z. B. gegenwärtige Gefahr), auch wenn diese vorliegen. Keine Lösung von Rechtsproblemen auf Vorrat.
Die erfolgreiche Klausurbearbeitung folgt ebenso wie die Lösung einer Hausarbeit, Seminararbeit, Bachelorarbeit usw. bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Die Beherrschung lässt sich durch permanente Übung erlernen. Letztlich gilt natürlich, dass das Klausurschreiben nur der Studierende selbst üben kann. Dass dabei der Grundsatz „Je öfter, desto besser“ gilt, dürfte kaum überraschen.105