Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union. Klaus-Dieter Borchardt

Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union - Klaus-Dieter Borchardt


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Der Ausdruck „Gemeinschaft“ wird durchgängig durch den Ausdruck „Union“ ersetzt. Die Union tritt an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft und wird deren Nachfolgerin. Mit dem Vertrag von Lissabon wird außerdem das „Drei-Säulen-Modell“ der EU aufgegeben. Die erste Säule, bestehend im Wesentlichen aus dem Binnenmarkt und den EG-Politiken, wird verschmolzen mit der zweiten Säule, bestehend aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, und der dritten Säule, bestehend aus der Polizeilichen[S. 53] und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Allerdings bleiben die besonderen Verfahren im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der Europäischen Verteidigung, in Kraft; dem Vertrag beigefügte Erklärungen der Regierungskonferenz unterstreichen den spezifischen Charakter und die besondere Verantwortung der Mitgliedstaaten für diesen Politikbereich.

      Weiterführende Literatur: Berg/Karpenstein, Änderungen der rechtlichen Grundlagen der EU durch den Vertrag von Amsterdam, EWS 1998, S. 77; Blanke, Der Unionsvertrag von Maastricht – Ein Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat?, DÖV 1993, S. 412; Bleckmann, Der Vertrag über die Europäische Union, DVBl. 1992, S. 335; Borchmann, Der Vertrag von Nizza, EuZW 2001, S. 170; Breus/Fink/Griller, Vom Schuman-Plan zum Vertrag von Amsterdam. Entstehung und Zukunft der Europäischen Union, 2000; Fischer, Der Vertrag von Nizza. Text und Kommentar, 2001; Fischer, K.H., Der Vertrag von Lissabon, Text und Kommentar zum Europäischen Reformvertrag, 2008; Glaesner, Die Einheitliche Europäische Akte, EuR 1986, S. 119; Henrichs, Der Vertrag über die Europäische Union und seine Auswirkungen auf die Verfassungen der Mitgliedstaaten; DÖV 1994, S. 368; Hilf/Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998, S. 705; Hummer (Hrsg.), Rechtsfragen in der Anwendung des Amsterdamer Vertrages, 2001; Kadelbach (Hrsg.), Europäische Verfassung und direkte Demokratie, 2005; Karpenstein, Der Vertrag von Amsterdam im Lichte der Maastricht-Entscheidung des BVerfG, DVBl. 1998, S. 942; Kuschnik, Integration in Staatenverbindungen vom 19. Jahrhundert bis zur EU nach dem Vertrag von Amsterdam, 1999; Lecheler, Die Fortentwicklung des Rechts der Europäischen Union durch den Amsterdamer Vertrag, JuS 1998, S. 392; Lieb/Maurer, Der Vertrag von Lissabon, Kurzkommentar, 3. Aufl. Berlin 2009; Magiera, Die Einheitliche Europäische Akte und die Fortentwicklung der EG zur Europäischen Union, in GS Geck, 1989, S. 509; Sattler, Die Entwicklung der EG vom Ende der Übergangszeit bis zur Erweiterung auf zwölf Mitgliedstaaten, JöR 1987, S. 365; Schmidt, Europäische Union, 2005; Schuppert/ Pernice/Haltern, Europawissenschaft 2005; Schwarze/Hatje (Hrsg.), Der Reformvertrag von Lissabon, EuR Beiheft 1/2009; Seidel, Zur Verfassung der Europäischen Gemeinschaften nach Maastricht EuR 1992, S. 125; Streinz, Der Vertrag von Amsterdam. Einführung in die Reform des Unionsvertrags von Maastricht und erste Bewertung der Ergebnisse, EuZW 1998, S. 137; Vedder/Heintschel, Europäischer Verfassungsvertrag, 2005; Wittinger, Der Europarat: Die Entwicklung seines Rechts und der „europäischen Verfassungswerte“, 2005.

       I. Die Gründerstaaten der Europäischen Gemeinschaften

      [34] Auch wenn die erste Europäische Gemeinschaft, die EGKS, in erster Linie die institutionelle Vereinigung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlindustrie zum Ziel hatte, war diese Verbindung zu keiner Zeit als ein deutsch-französischer Sonderweg konzipiert, sondern stand allen demokratisch verfassten Staaten Europas offen36. Diese Möglichkeit nahmen Belgien, Italien, Luxemburg und die Niederlande wahr, die zusammen mit der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich 1952 zunächst die EGKS und im Anschluss daran im Jahre 1957 auch die EWG und die EAG gründeten.

      [S. 54]

       1. Der Beitritt des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks

      [35] Bereits im August 1961 stellte das Vereinigte Königreich einen ersten offiziellen Antrag, mit dem es sich um die Vollmitgliedschaft in der E(W)G bewarb. Dänemark, Norwegen und Irland sind diesem Beispiel gefolgt. Der Beitritt dieser Länder scheiterte zunächst jedoch an dem Widerstand des französischen Staatspräsidenten de Gaulle, der mitten in den Verhandlungen im Jahre 1963 aufgrund seines Misstrauens gegenüber der Beitrittskandidatur des Vereinigten Königreichs erklärte, dass er keine Fortsetzung der Verhandlungen wünsche. Auch der zweite britische Antrag auf Mitgliedschaft in der E(W)G aus dem Jahre 1967, dem sich abermals Irland, Dänemark und Norwegen anschlossen, konnte zunächst aufgrund französischen Zögerns nicht positiv beschieden werden. Der endgültige Durchbruch der Frage des Beitritts dieser Länder konnte erst nach dem Rücktritt de Gaulles im April 1969 auf der noch in demselben Jahr abgehaltenen Konferenz der Staats- und Regierungschefs in Den Haag erzielt werden. Nach langwierigen Verhandlungen wurden die Beitrittsverträge schließlich am 22. Januar 1972 unterzeichnet. Der Beitritt des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks konnte nach erfolgreicher Durchführung einer Volksabstimmung (Irland und Dänemark) und der Ratifizierung durch die Parlamente (Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark) zum 1. Januar 1973 vollzogen werden. In Norwegen scheiterte der Beitritt in einer Volksabstimmung, in welcher sich 53,49 % der norwegischen Bevölkerung gegen einen Beitritt ihres Landes zur E(W)G ausgesprochen hatten.

      [36] Nach der Rückkehr zur Demokratie wurden zunächst Griechenland (zum 1. Januar 1981) als zehntes Mitglied und danach Spanien und Portugal (zum 1. Januar 1986) als elftes und zwölftes Mitglied in die EG aufgenommen.

      [37] Die Herstellung der Einheit Deutschlands hat mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 zur Eingliederung der früheren DDR in die EG geführt, nachdem die Staats- und Regierungschefs der EG bereits am 28. April 1990 in Dublin festgestellt hatten, dass hierfür lediglich einige Anpassungen, nicht aber das eigentliche Beitrittsverfahren erforderlich seien.

      [S. 55]

      [38] Im Zuge der Vollendung des europäischen Binnenmarktes hatte die EG weiter an Attraktivität gewonnen. Das Binnenmarktkonzept und die mit dem Vertrag über die EU eingeleitete Entwicklung in Richtung auf eine politische Union haben den anderen europäischen Staaten die Überzeugung vermittelt, dass das europäische Einigungswerk in eine neue Dimension vorstößt und dass es besser wäre, an der konkreten Ausformung der neuen Ordnung aktiv und gleichberechtigt mitzuwirken, als sich in einem späteren Stadium in bereits verfestigte Strukturen einpassen zu müssen.

      Vor diesem Hintergrund wurden konkrete Beitrittsverhandlungen mit Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen aufgenommen und im Jahre 1994 zu einem Abschluss geführt.

      Im Sommer/Herbst 1994 wurden in den Ländern der Beitrittskandidaten Volksabstimmungen über die Frage des Beitritts durchgeführt. Während sich die Bürger in Österreich, Finnland und Schweden mehrheitlich für einen Beitritt ihrer Länder zur EU ausgesprochen haben, lehnte die Bevölkerung Norwegens – wie bereits im Jahre 1972 – die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU mit 52,4 % der Stimmen ab.

      Mit dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens am 1. Januar 1995 erhöhte sich die Zahl der Mitgliedsländer in der EU auf 15.

      [39] Am 1. Mai 2004 traten der EU zehn neue Länder bei: die baltischen Staaten und ehemaligen Sowjetrepubliken


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