Rechtsgeschichte. Stephan Meder

Rechtsgeschichte - Stephan Meder


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Senats (Senatus consultum) die Rolle, die vorher das Volksgesetz gespielt hat.

      Nach dem Untergang der Antike wurde das Interzessionsverbot bis in die Neuzeit überwiegend geschlechtsspezifisch legitimiert. Nicht selten hat man dabei auf angebliche Dummheit (imbecillitas) und Schwäche (infirmitas) des weiblichen Geschlechts rekurriert, die es erforderten, Frauen vor Geschäften in Schutz zu nehmen, deren Vermögensrisiken sie nicht überblicken können. Erklärtes Ziel war es zudem, den Rechtsverkehr vor der Unzuverlässigkeit weiblicher Geschäftspartner zu bewahren. In der Epoche des Naturrechts (12. Kapitel, S. 261) hat man weniger auf Verstandesdefizite abgestellt und mehr Erziehung oder Wirkungskreis der Frau als Ursachen für ein spezielles Rechtsschutzbedürfnis angeführt. Daneben hat man sich aber weiterhin auf angebliche Charaktereigenschaften wie Leichtsinn, Weichheit oder Sinnlichkeit berufen. Demgegenüber argumentierten die Kritiker des Interzessionsverbots: Man wisse gar nicht mehr, ob das Wort einer Frau noch bindende Kraft habe oder nicht. Außerdem sei es ein Widerspruch, den Frauen einerseits die Vertragsfreiheit und andererseits einen Schutz vor dieser Freiheit anzubieten. Sie dürften nicht daran gehindert werden, eigene Erfahrungen mit [<<91] den Folgen freien Handelns zu sammeln. Im Übrigen seien die – auch „weibliche Freiheiten“ genannten – „Rechtswohltaten“ dem Geschäftsverkehr hinderlich, weil sie die Rechtssicherheit gefährdeten. Die Kritiker des Interzessionsverbots haben die alten Frauenstereotypen überwiegend zurückgewiesen. Sie neigten zu der Ansicht, dass rechtliche Privilegien dem weiblichen Geschlecht eher zum Nachteil als zum Vorteil gereichten.

      Ein scharfer Kritiker der „Rechtswohltaten“ war auch Theodor Gottlieb von Hippel (1741 – 1796), der 1792 sein Buch „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ veröffentlichte. Als Vorreiter des modernen Emanzipationsgedankens wollte Hippel „das Verhältnis der Geschlechter dem natürlichen Zustand wieder nahe bringen“. Die angebliche körperliche und geistige Minderwertigkeit der Frau sei nicht durch die Natur gegeben, sondern Folge von Konvention, Lebensart und Sitte. Das angebliche Übergewicht von Sinnlichkeit beruhe darauf, dass Frauen von Dingen, die der Überlegung bedürfen, ferngehalten werden. Die „Rechtswohltaten“, zu denen er auch das Interzessionsverbot rechnete, empfand er als tiefste Erniedrigungen des weiblichen Geschlechts. Er hielt es für eine unnatürliche Härte, die rechtliche Handlungsfähigkeit eines Geschlechts zu beschränken, um dieses „recht geflissentlich bis an sein Ende als ein Häuflein großer Kinder“ zu behandeln. Die Skepsis gegenüber Frauenprivilegien ist auch ein gemeinsamer Nenner, auf den sich die rechtlichen Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert bringen ließen (dazu näher S. 350).

      Die letzten dem antiken Interzessionsverbot entsprungenen Regelungen sind erst vor kurzem beseitigt worden. Bevormundung erschien angesichts der Bemühungen um eine Gleichstellung der Geschlechter nicht mehr zeitgemäß. Nun zeigt sich aber, dass mit Aufhebung des Verbots auch dessen Schutzwirkung beseitigt worden ist. Daher kommt die moderne Rechtsordnung Interzedenten wieder zu Hilfe, wenn diese sich einer übermäßigen Haftung ausgesetzt haben. Im Unterschied zu früher wird der Schutz heute nicht mehr geschlechtsspezifisch legitimiert. Ein Blick auf die in der Rechtspraxis relevanten Fälle lässt jedoch rasch erkennen, dass es – neben (volljährigen) Kindern – in erster Linie Frauen sind, um deren Schutz es geht. Infolge der Rechtsprechung zu den Angehörigenbürgschaften gehört die Interzession heute zu den meist diskutierten Problemen des [<<92] Schuldrechts (S. 467). Die Kontrolle erfolgt über § 138 BGB. Sittenwidrig können Bürgschaften sein, wenn die „strukturelle Unterlegenheit“ des Bürgen sich in „Unerfahrenheit“ und „wirtschaftlicher Überforderung“ niederschlägt (BVerfG NJW 1994, 36). Das Bundesverfassungsgericht hat seine Bürgschaftsrechtsprechung neuestens auch auf den Bereich der Eheverträge übertragen. Danach sollen unter bestimmten Umständen Vereinbarungen zum Nachteil von Frauen, etwa über nachehelichen Unterhalt, Kindesunterhalt, Zugewinn- oder Versorgungsausgleich durch die Gerichte inhaltlich kontrolliert und nachträglich für unwirksam erklärt werden können (BVerfG NJW 2001, 957). Auch bei dieser Rechtsprechung zeigt sich die Ambivalenz von Schutz und Bevormundung: Sozialen Elementen finanzieller Absicherung treten geschlechtsspezifisch motivierte Beschränkungen der Vertragsfreiheit gegenüber (S. 474).

      Wer die Frage aufwirft, was „Recht“ eigentlich sei und woher es komme, stößt auf zwei Grundvorstellungen, die bis heute spannungsreich geblieben sind. Nach der ersten breitet eine allgegenwärtige, über der Gesellschaft stehende Autorität ihre zur Regelung des sozialen Lebens erdachten Normen von oben her aus. Davon zu unterscheiden ist der Gedanke, dass das Recht unabhängig von irgendeinem dominierenden Willen, gleichsam spontan, von unten herauf aus der Gesellschaft wächst. Beide Standpunkte beruhen auf verschiedenen Vorstellungen über die Entstehung von Recht. Bis heute pflegen Juristen diese Differenz mit der Einteilung in geschriebenes (scriptum) und ungeschiebenes (non scriptum) Recht zu veranschaulichen, wobei das ius scriptum dem Willen eines staatlichen Gesetzgebers und das ius non scriptum den Kräften der Gesellschaft Ausdruck verleihen soll.

      Auf den ersten Blick bereitet diese seit der Antike gebräuchliche Einteilung des Rechts in scriptum und non scriptum keine Schwierigkeiten. Ihre Bedeutung scheint sich in der Form zu erschöpfen, in welcher das Recht jeweils seinen Ausdruck findet. Danach wäre Recht, das in einem Dokument schriftlich niedergelegt ist, „geschrieben“ und z. B. [<<93] gewohnheitsrechtlich erzeugtes, nur mündlich überliefertes Recht „ungeschrieben“. Tatsächlich ist diese Auffassung in der Literatur, zum Teil auch von namhaften Autoren immer wieder vertreten worden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass die Dinge so einfach nicht liegen. Gewohnheitsrecht wird auch dann als ius non scriptum qualifiziert, wenn es – etwa in einer Sammlung von Rechtstexten – schriftlich niedergelegt oder aufgezeichnet wurde. Die Bedeutung der Einteilung liegt daher nicht in der Form, sondern darin, dass sie über die Entstehung von Recht Auskunft gibt. Um ius scriptum handelt es sich, wenn „irgend ein Rechtssatz durch Ausspruch der gesetzgebenden Gewalt Auctorität bekommen habe“ (Savigny). Bei nichtstaatlichen Rechtsquellen mangelt es an dieser Voraussetzung, sie sind daher als ius non scriptum einzuordnen.

      Allerdings


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