Rechtsgeschichte. Stephan Meder

Rechtsgeschichte - Stephan Meder


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Kapitel 1, S. 27.). Als die Ständekämpfe im 3. Jahrhundert v. Chr. ein Ende finden, beginnen sich die inneren Verhältnisse der Republik zu stabilisieren. Dies schafft die Voraussetzungen für eine neue, auf Expansion gerichtete Außenpolitik. Schon bald erstreckt sich der römische Machtbereich auf ganz Italien und zahlreiche große griechische Handelsstädte, die ihrerseits mit den wichtigsten Handelszentren des gesamten Mittelmeerraumes verbunden sind. Die bäuerlichen Verhältnisse weichen zunehmend urbanen Lebensformen, deren wirtschaftliche Struktur von Handwerk, Gewerbe, Handel und Geldverkehr geprägt ist. Der gesellschaftliche Wandel stellt das Recht vor Aufgaben, die auf Grundlage des Zwölftafelgesetzes nicht mehr adäquat zu lösen sind. Immer häufiger werden den Gerichten Sachverhalte zur Entscheidung vorgelegt, für deren rechtliche Bewertung sich keine passenden Regeln ausfindig machen lassen. Da die Rechtspflege im alten Rom nicht juristischen Sachkennern, sondern Laien übertragen war, die an spezialrechtlichen Fragen wenig Interesse zeigten, werden Fachleute (iuris consulti) zu Rate gezogen. Man wendet sich an Juristen, die das Recht den wechselnden Bedürfnissen der Praxis anpassen, indem sie es von Fall zu Fall weiterentwickeln (S. 67). Dieses in erster Linie von Juristen geschaffene Recht tritt zunehmend an die Stelle des alten Gesetzesrechts und gewinnt in der klassischen Epoche schließlich eine dominierende Rolle.

      Die Juristen sind die eigentlichen Schöpfer der römischen Privatrechtsordnung, die in der klassischen Zeit zur vollen Blüte gelangt (3. Kapitel 2, S. 82.). In der sich anschließenden nachklassischen Periode kommt es zu einem dramatischen Niedergang der wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, der auch im juristischen Bereich deutliche Spuren hinterlässt. An die Stelle des gemäßigten Kaisertums tritt in der Nachklassik das absolute Kaisertum. Dem Kaiser muss nun göttliche Verehrung gezollt werden. Er erhebt sich zum alleinigen Gesetzgeber und engt den für die Herausbildung von Juristenrecht notwendigen Spielraum zunehmend ein. Die Entwicklung mündet in den spätantiken Zwangsstaat mit einem umfassenden bürokratischen Apparat. Gegen Ende des [<<19] 4. Jahrhunderts (395) erfolgt die Teilung des römischen Imperiums in ein west- und oströmisches Reich. Auf Grund des anhaltenden Niedergangs endet das weströmische Reich, und mit ihm die Antike, im Jahre 476 n. Chr. Dagegen haben sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände im oströmischen Reich auf einem ungleich höheren Niveau gehalten. Seine Auflösung erfolgte erst 1453 nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken. In neu gegründeten Rechtsschulen, unter denen vor allem die von Berytos (Beirut im Libanon) und Konstantinopel (auch Byzanz, heute Istanbul) hervorragen, wird der überlieferte Stoff auf anspruchsvolle Weise weiterhin bearbeitet (4. Kapitel, S. 99).

      Es mussten fast 600 Jahre vergehen, bis das römische Recht die praktische Bedeutung erlangte, die Justinian sich erhofft hatte. Eine Schlüsselrolle spielt die Gründung einer Rechtsschule durch die Glossatoren in Bologna um die Wende zum 12. Jahrhundert (8. Kapitel, S. 191). Aus dieser Rechtsschule, die sich zum Ziel setzte, das justinianische Werk auf Grundlage einer von der frühscholastischen Theologie entwickelten Methode wissenschaftlich zu bearbeiten, ist die moderne Universität hervorgegangen. Durch Abstraktion aus den Einzelfallentscheidungen der Digesten suchten die Bologneser Legisten allgemeine Rechtssätze herauszupräparieren, die im praktischen Rechtsleben als Leitfaden dienen konnten. Parallel zu den Legisten begannen ebenfalls in Bologna die Kanonisten kirchliche Rechtsquellen mit ähnlichen Methoden wissenschaftlich zu bearbeiten (6. Kapitel 3, S. 153.). Im 14. und 15. Jahrhundert wurden die Glossatoren von der stärker auf praktische Ziele ausgerichteten Schule der Kommentatoren abgelöst. Beide Schulen haben auf die Rechtskultur der kontinentaleuropäischen Länder entscheidenden Einfluss ausgeübt. Dies gilt im Prinzip auch für England. Doch hat sich hier schon bald eine eigene hochstehende Rechtswissenschaft entwickelt, die der Aufnahme des Rechts einer fremden, untergegangenen Kultur zunehmend Widerstand leistete (8. Kapitel 4, S. 202.). Eine selbständige Erscheinung der Bearbeitung des römischen Rechts bildet der juristische Humanismus, wie er sich – ausgehend wiederum von Italien – vor allem in Frankreich und den Niederlanden entwickelt hat. Die textkritischen Forschungen der humanistischen Juristen verleihen dem justinianischen Werk im Laufe des 16. Jahrhunderts eine deutlich veränderte Gestalt. Den Endpunkt einer Reihe gedruckter Ausgaben bildet eine Edition von 1583, in der die einzelnen Teile des Werkes erstmals unter dem Titel Corpus iuris civilis zusammengefasst sind (S. 218). [<<21]

      In Deutschland ist zu dieser Zeit die Rezeption des römisch-kanonischen Rechts bereits in vollem Gange (11. Kapitel, S. 243). Die Übernahme insbesondere des an den italienischen Universitäten fortgebildeten Rechts des Corpus iuris war die Folge einer zunehmenden Verwissenschaftlichung des Rechtslebens. Universitär ausgebildete Spezialisten verdrängten die juristisch gebildeten Laien aus ihren Positionen in Rechtsprechung und Rechtsetzung. Unterrichtet wurden die angehenden Juristen an den seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auch nördlich der Alpen in großer Zahl gegründeten Universitäten im römischen und kanonischen Recht, was ihnen nach erfolgreichem Studienabschluss den Titel doctor utriusque iuris, Doktor beider Rechte, einbrachte. Das römische Recht hat im Laufe der Zeit vielfache Veränderungen erfahren. In seiner veränderten Gestalt bezeichnete man es als das gemeine, d. h. das allgemein geltende Recht (ius commune). Das Verhältnis des aus römisch-kanonischem Recht gewachsenen ius commune zum einheimischen Stadt- oder Landrecht bestimmte die sogenannte Statutentheorie. Danach galt im Grundsatz der Vorrang des besonderen gegenüber dem allgemeinen Recht, so dass das ius commune im Verhältnis zu den örtlichen statuta (Vorschriften) zurücktreten musste. Das partikulare Recht war allerdings häufig lückenhaft und seine Existenz oft nur unter großen Schwierigkeiten oder überhaupt nicht beweisbar. So kam es, dass die in der Theorie vorgegebene Hierarchie der Rechtsquellen in der Praxis unterlaufen wurde. Bald schon ist die Dogmatik der Glossatoren und Kommentatoren auch auf die Partikularrechte angewandt worden, was diese vor einer Verdrängung durch das römische Recht bewahrte.

      Die Verschmelzung römisch-rechtlicher, kirchenrechtlicher und partikularrechtlicher Elemente führt im 17. Jahrhundert zum sogenannten Usus modernus pandectarum (11. Kapitel 3, S. 252.). Darunter versteht man die zeitgemäße Praxis des römischen Rechts, das von einem universitär gebildeten Juristenstand logisch nachvollziehbar gehandhabt wird. Das Merkmal der Rechtsquellenvielfalt prägt den Charakter dieser Epoche, die sich vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erstreckt. Mit den großen Naturrechtskodifikationen im 18. und 19. Jahrhundert kam das über Jahrhunderte gewachsene europäische ius commune zunächst außer Geltung (12.


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