Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
als Grenzgebiet zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht muss von größeren Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft beachtet werden; hier sitzen die Arbeitnehmer mit im Aufsichtsrat und bestimmen über Fragen der Geschäftsführung mit (MitbestG, Drittelbeteiligungsgesetz). Das Wettbewerbsrecht regelt das Verhalten des Unternehmers gegenüber seinen Konkurrenten. So verlangt einmal das UWG (Gesetz zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb) faires Verhalten und schützt andererseits das Kartellrecht, geregelt im GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), den Wettbewerb insgesamt. Selbstverständlich hat sich der Unternehmer bei allem, was er tut, an das allgemeine Zivilrecht des BGB zu halten; ist er – wie regelmäßig – Kaufmann, gilt noch dazu das Handelsrecht des HGB. Man sieht, an Gesetzen herrscht kein Mangel.
Die genannten Regeln gelten im Prinzip für jeden Unternehmer, auch die Regeln des Kapitalmarktrechts muss er jedenfalls dann kennen und beachten, wenn er sich an einer börsennotierten AG nicht nur geringfügig beteiligen will. Ist der Unternehmer selbst kein Einzelkaufmann, sondern eine Gesellschaft, so kommen noch zusätzliche Regeln hinzu, die insbesondere die Geschäftsleitung der Gesellschaft zu beachten hat. Bei einer Personengesellschaft sind dies die Regeln des Personengesellschaftsrechts, bei den hier behandelten Kapitalgesellschaften geht es namentlich um die Regeln des Kapitalgesellschaftsrechts. Diese dienen einerseits dem Schutz der Gläubiger und behandeln andererseits die Probleme, die sich eben aus dem Zusammenwirken mehrerer Personen ergeben, also insbesondere Verteilungsfragen, z.B. die Frage danach, wer wann wie viel Gewinn des Unternehmens ausbezahlt erhält. Kurz zusammenfassend kann man sagen, das Kapitalgesellschaftsrecht beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander, mit dem Verhältnis der Gesellschafter zur Geschäftsleitung und mit dem Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern.
Teil 1 Einleitung › § 1 Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im System des Rechts › III. Einführung in die Problematik der verdeckten Vermögensverlagerungen
1. Verdeckte Vermögensverlagerung als zentrales Problem
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Kapitalgesellschaften existieren in aller Regel nicht um ihrer selbst willen, sondern dienen der Gewinnerzielung ihrer Gesellschafter durch den Betrieb eines Unternehmens. Eine der Grundregeln für das Zusammenwirken der Gesellschafter in einer Kapitalgesellschaft ist die gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilung. Das GmbHG (§ 29 Abs. 3) und das AktG (§§ 11, 60) sehen insoweit vor, dass im Zweifel (vorbehaltlich der Satzung) der Gewinn je nach dem Kapitalanteil jedes Gesellschafters aufgeteilt wird. Diese Gewinnverteilungsregel kann nur unter erschwerten Umständen (Satzungsänderung) wieder abgeändert werden. Ein zentrales Problem, das sich wie ein roter Faden durch das Kapitalgesellschaftsrecht zieht, ist nun das der verdeckten Vermögensverlagerung durch Austauschgeschäfte. Worum es dabei geht, lässt sich am besten anhand eines Beispielsfalls erläutern:
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Beispiel:
In einer GmbH hat A eine Stimm- und Kapitalmehrheit von 55%, während B 25% und C 20% der Stammeinlage geleistet haben. Wird die Ausschüttung eines Gewinns beschlossen, erhalten die drei Gesellschafter ihren Anteil entsprechend dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. A meint nun (etwa, weil er einen besonders fähigen Geschäftsführer für die Gesellschaft gesucht hat und sich auch sonst seiner Meinung nach mehr für die Gesellschaft eingesetzt hat als B und C), ihm stünden 20.000 € zusätzlich von dem im Jahr erwirtschafteten Gewinn zu. Er fragt, ob er einfach mit seinen Stimmen mehrheitlich eine solche Sondergewinnausschüttung an sich beschließen kann.
Die Frage ist zu verneinen. Der erwirtschaftete Gewinn ist im Verhältnis 55:25:20 zu verteilen. Eine Änderung der Gewinnverteilungsregel kann A nicht durch einfachen Beschluss bewirken, sondern nur durch eine Satzungsänderung, der die übrigen Gesellschafter zustimmen müssen, weil die Änderung ja zu ihren Lasten ginge (§ 53 Abs. 3 GmbHG).
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Abwandlung des Beispiels:
Da A nicht mit der Zustimmung seiner beiden Mitgesellschafter rechnet, greift er zu anderen Mitteln: Er nimmt sich zwar nicht einfach die ihm (wie er ja glaubt) zustehenden 20.000 € aus der Kasse der Gesellschaft, aber er schlägt dem Geschäftsführer X der GmbH ein Austauschgeschäft vor. Geplant ist, dass A der Gesellschaft eine Leistung erbringt, z. B. einen Pkw verkauft, und die GmbH ihrerseits die Leistung des A mit 20.000 € über dem Marktwert des Pkw vergütet.
A hat die Mehrheit der Stimmrechte und kann mit seiner den Geschäftsführer der GmbH abbestellen und entlassen. Diese Möglichkeit verleiht seinen Wünschen Nachdruck. X wird sich daher möglicherweise für die GmbH auf das Geschäft einlassen. B und C dagegen wird das Geschäft nicht gefallen: Das wirtschaftliche Ergebnis des Vorgangs ist das gleiche, wie wenn A das Geld einfach aus der Kasse der Gesellschaft genommen hätte oder aber die Gewinnverteilungsregel im Sinne des A abgeändert worden wäre. Das Austauschgeschäft verschleiert also nur die durchgeführte Vermögensverlagerung von der GmbH hin zu A (sog. verdeckte Vermögensverlagerung oder verdeckte Gewinnausschüttung).
a) Verbot von Austauschgeschäften?
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Mit dem dargestellten Austauschgeschäft wird also die geltende Gewinnverteilungsregel umgangen. Wie aber soll das Recht nun darauf reagieren? Man könnte etwa auf den Gedanken kommen, Austauschgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern vollständig zu verbieten. Wären diese Geschäfte verboten, so könnte es zu der dargestellten Umgehung gar nicht erst kommen. Das würde allerdings zu weit gehen. Denn es ist durchaus auch denkbar, dass in einer konkreten Situation die (Gegen-)Leistung des Gesellschafters ihren Preis wert ist und für die Gesellschaft notwendig oder sogar vorteilhaft ist.
Abwandlung des Beispielsfalles:
A verfügt über ein Grundstück, auf das die Gesellschaft momentan angewiesen ist, da sie ihren Produktionsbetrieb erweitern will und das Grundstück günstig liegt.
In einem solchen Fall werden die anderen Gesellschafter gegen den Vertrag mit A nichts einzuwenden haben, soweit er zu einem vernünftigen Preis zustande kommt. Ein vollständiges Verbot von Austauschgeschäften ist deshalb abzulehnen.
b) Veto-Recht der anderen Gesellschafter
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Erforderlich ist aber, dass, wegen der beschriebenen Gefahr einer Vermögensverlagerung, der A über den Kaufvertrag nicht nur mit dem von ihm abhängigen und daher erpressbaren Geschäftsführer „verhandelt“ (dieser wird sich gegen einen unfairen Preis kaum wehren, da er weiß, dass A ihn entlassen könnte). Vielmehr müssen die beiden anderen Gesellschafter ein Veto-Recht gegen das Austauschgeschäft besitzen, so dass A nicht ohne ihre Zustimmung den Vertrag mit der GmbH abschließen kann. Folglich muss er mit ihnen verhandeln. B und C können also den problematischen Vertrag verhindern. Sie werden es freilich nicht tun, wenn er zu Bedingungen zustande kommt, die für beide Seiten (d. h. für A und die Gesellschaft) vorteilhaft sind. Auf diese Weise können sinnvolle Geschäfte dieses Kontrollverfahren passieren, während eine verdeckte Vermögensverlagerung praktisch ausgeschlossen ist.
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Diese hier angebotene grundsätzliche Lösung des Problems besteht also darin, die Minderheitsgesellschafter als Kontrollinstanz für die Frage heranzuziehen, ob sogenannte In-Sich-Geschäfte rechtlich akzeptiert werden oder nicht. Der Mehrheitsgesellschafter soll nicht auf beiden Seiten des Geschäfts