Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth

Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften - Ulrich Wackerbarth


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Initiator des Unternehmens, meist selbst einer der Gesellschafter, findet leichter Investoren (Mitgesellschafter), weil diese wegen der Haftungsbeschränkung nur ein begrenztes Risiko eingehen. Daher kommen als Investoren auch solche Personen in Betracht, die für den eigenen Konsum nicht erforderliches Kapital besitzen und nach einer Anlagemöglichkeit suchen, ohne die Investition selbst zu ihrem Hauptberuf zu machen und darauf zu achten, dass das Unternehmen der Gesellschaft floriert.

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      b) Die juristische Persönlichkeit schafft die rechtliche Unabhängigkeit des betriebenen Unternehmens von den Gesellschaftern. Sie vereinfacht die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr. Der Fortführungswert (going concern value) des Unternehmens der Gesellschaft kann über den Tod der Gesellschafter hinaus erhalten werden, weil im Zeitpunkt des Todes oder sonstigen Ausscheidens keine Auflösung der Gesellschaft mit Liquidation und entsprechender Besteuerung erforderlich ist. Auch dies stärkt die Kapitalsammelfunktion der Kapitalgesellschaft. Denn die Aussicht darauf, ein Investment wegen des Todes oder einer Kündigungsmöglichkeit anderer Investoren zwangsweise zu verlieren, schwächte die Bereitschaft zum Investment.

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      c) Das Mehrheitsprinzip nach Kapitalanteilen bindet grundsätzlich unternehmerischen Einfluss an die in das Unternehmen geflossene Investition. Wer mehr Geld eingebracht hat, will auch mehr zu sagen haben. Ein Gesellschafter würde in eine Kapitalgesellschaft keinen größeren Geldbetrag als seine Mitgesellschafter investieren, wenn er wüsste, dass

(bei Geltung des Einstimmigkeitsprinzips) er sich mit den anderen Gesellschaftern wie bei einer Personengesellschaft stets einigen müsste oder
(bei Abstimmung nach der bloßen Mehrheit der Köpfe) eine höhere Investition ihr Geld nicht wert wäre, weil die Grenzinvestition (zusätzliche Anlage) keinerlei zusätzlichen Einfluss vermittelte.

      Das Mehrheitsprinzip hat weitere Vorteile. Es reduziert den Einigungszwang unter den Gesellschaftern. Bei Entscheidungen über umstrittene Probleme setzt sich die Mehrheit eben durch. Wenn einige wenige – oder gar einer der Gesellschafter allein – die Mehrheit der Stimmrechte besitzen, bleibt die Gesellschaft stets führbar.

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      Die Hauptprobleme des Kapitalgesellschaftsrechts bestehen in den spiegelbildlichen Missbrauchsmöglichkeiten der Hauptmerkmale der Kapitalgesellschaft.

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      Die Bedingungen der Haftungsbeschränkung können missachtet werden, indem einer Gesellschaft, deren Krise für die Gesellschafter bereits absehbar ist, die noch vorhandenen Mittel entzogen werden. Die Gläubiger müssen vor derartigen Verhaltensweisen geschützt werden. Dies ist Gegenstand des Kapitalerhaltungsrechts einschließlich des Rechts der Gesellschafterdarlehen (früher: sog. Kapitalersatzrecht) sowie der Insolvenzanfechtung, der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags bei Überschuldung, des Bilanzrechts sowie der Durchgriffshaftung bzw. des Rechts des sog. existenzvernichtenden Eingriffs. Dies alles wird unten in den §§ 5, 6 und 7 unter dem Stichwort Gläubigerschutz erörtert.

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      Rechtspolitisch spielen die volkswirtschaftliche Effizienz bzw. Sinnhaftigkeit des Rechtsinstituts der Haftungsbeschränkung und ihrer Grenzen eine Rolle. Dies hat mit „Gesellschaftsrecht“ wenig zu tun, weil sich die Frage des Schutzes der Gläubiger auch in der Einmann-GmbH oder Einmann-AG stellt. Es geht also bei der Haftungsbeschränkung mehr um Unternehmensrecht oder Organisationsrecht als um Gesellschaftsrecht. Das zeigt sich auch daran, dass neben dem Recht der Kapitalerhaltung, geregelt im AktG und GmbHG, auch die Insolvenzordnung und das Bilanzrecht des HGB eine bedeutende Rolle für den Gläubigerschutz spielen.

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      Die Anthropomorphisierung der juristischen Person, d.h. ihre umfassende rechtliche Gleichbehandlung mit natürlichen Personen durch das Recht, birgt eine weitere Hauptgefahr: Das, was ursprünglich als rechtliche Hilfskonstruktion zur Vereinfachung komplexer Rechtsbeziehungen gedacht war, verselbstständigt sich und kann dann möglicherweise nicht mehr beherrscht werden. Bezeichnend dafür ist die Verwendung des Begriffs des Rechtsträgers durch viele Gesellschaftsrechtler. Nicht die Funktion der Erfindung „juristische Person“, nämlich das Unternehmen der Gesellschafter unter einer rechtlichen Einheit, eben der Rechtsperson, zusammenzufassen und damit die Durchsetzung von Ansprüchen aus der unternehmerischen Tätigkeit (gegen und für die Rechtsperson) zu vereinfachen, wird mit diesem Begriff betont, sondern es wird die „Abschirmfunktion“ der juristischen Person gegenüber den Gesellschaftern in den Vordergrund gestellt. So soll etwa die Zusammenfassung mehrerer Beteiligungen einer Person in einem eigens dafür gebildeten Rechtsträger (sog. Zwischenholding) Haftungs- oder Besteuerungsfolgen haben, obwohl vor und nach der Transaktion sich wirtschaftlich-tatsächlich an dem Unternehmen nicht das Geringste geändert hat.

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      Die im täglichen Geschäftsverkehr – bislang jedenfalls – fehlende Information über die Konzernzugehörigkeit von Rechtsträgern kann außerdem dazu missbraucht werden, den hinter ihr stehenden Menschen als Versteck zu dienen. So können etwa Insidergeschäfte hinter sog. special purpose vehicles (deutsch: Zweckgesellschaften) versteckt werden. Das sind Kapitalgesellschaften, die nur als Hilfsmittel für einen bestimmten Zweck gegründet werden und die vom Insider kontrolliert werden. Nach außen tritt nur die juristische Person auf, so dass der hinter ihr stehende Insider nicht namentlich genannt wird und so unbemerkt bleibt. Ebenso beruhen etwa Verschleierungstaktiken bei der Rechnungslegung oft auf derartigen „Zweckgesellschaften“. Prominentestes Beispiel dafür ist der Fall Enron, der sich Anfang des neuen Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten abgespielt hat. Auch die sogenannten Holzmüller-Fälle (dazu näher § 11) sind Beispiele, da das Management einer Gesellschaft versuchen kann, durch die Übertragung von Unternehmensteilen auf Zweckgesellschaften diese Unternehmensteile „weiter weg“ von den Gesellschaftern zu bringen und so die Kontrolle durch die eigenen Gesellschafter zu verringern.

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      Wer mehr Geld für das Unternehmen gegeben hat, will auch mehr zu sagen haben als die Gesellschafter, die weniger Geld investiert haben (das ist das Prinzip des Kapitalismus, das in der Kapitalgesellschaft seinen sichtbarsten Ausdruck gefunden hat). Diesem Wunsch trägt das Kapitalgesellschaftsrecht Rechnung, indem es das Stimmrecht in der Gesellschaft nach dem eingezahlten Kapital gewichtet. Freilich kann die Mehrheit auf den Gedanken kommen, sich noch mehr als den ihr danach zustehenden Anteil zu nehmen und die Minderheit auszubooten. Das ist das Kardinalproblem des Kapitalgesellschaftsrechts, das in Rn. 18 ff. bereits angesprochen wurde, nämlich das der verdeckten Vermögensverlagerungen. Ein Mehrheitsgesellschafter kann sich über seine Leitungsmacht (Rn. 471 ff.) unter Umständen mehr als den ihm nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung zustehenden Anteil an dem durch das Unternehmen erwirtschafteten Gewinn verschaffen (Sondervorteil). Das zu verhindern, gebietet in erster Linie der Gesellschaftsvertrag selbst. Dieser sieht ja im Vorhinein eine bestimmte Verteilung der erwirtschafteten Gewinne vor. Den Gesellschaftsvertrag notfalls auch gegen die Macht des Mehrheitsgesellschafters durchzusetzen,


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