Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
den satzungsgemäß bestellten Geschäftsführer kann aber zu einer Haftung des Einwirkenden als Anstifter oder Gehilfe führen gem. § 830 Abs. 2 BGB.[27]
a) Aktiengesellschaft
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Praktisch wichtig ist die Möglichkeit, dass die Gesellschaft auf die Haftung des Geschäftsleiters verzichtet. Soweit es nicht um Interessen der Gläubiger geht, der Schaden die Gesellschaft also noch nicht an den Rand der Insolvenz bringt, trifft der Schaden nur die Gesellschaft und damit die Gesellschafter. Also müssen die Gesellschafter auch auf den Ersatzanspruch verzichten oder ihn einschränken dürfen, z.B. weil sie den Geschäftsführer auch künftig noch halten wollen.
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In der AG regelt entsprechendes § 93 Abs. 4 AktG. Ex ante ist gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ein Verzicht auf die Haftung möglich. Den nachträglichen Verzicht auf die Haftung (Verzicht ex post) regelt dagegen § 93 Abs. 4 S. 3 und 4 AktG. Hier kommt erst nach 3 Jahren ein Verzicht durch Beschluss der Hauptversammlung in Frage und auch dann nicht, wenn nur eine 10 %ige Minderheit etwas dagegen hat. Diese Unterscheidung zwischen Verzicht ex ante und ex post rechtfertigt sich durch die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung derartiger Ansprüche (vgl. unten Rn. 119 ff.): Wissen die Gesellschafter vorher, um was es geht, dann ist die Handlung des Geschäftsleiters letztlich ihre eigene Entscheidung und geht damit auf ihr Risiko. Geht die Maßnahme schief, tragen dementsprechend auch sie die Verantwortung (in Form von Verlusten der AG). Wissen sie aber vorher nicht, was der Geschäftsleiter vorhat, dann besteht die Gefahr, dass sie von dem konkreten Fehlverhalten der Geschäftsleitung keine Details erfahren und mit einem Verzichtsbeschluss überrumpelt werden (oder woher sollen die Aktionäre eines großen Telekommunikationsunternehmens wissen, ob, wann und wie genau ein (ehemaliges) Vorstandsmitglied vielleicht durch unsorgfältiges Verhalten die Gesellschaft geschädigt hat?). Deshalb sind in § 93 Abs. 4 AktG eine lange Frist und ein gewisser Minderheitenschutz geregelt.
b) GmbH
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In der GmbH ist die Frage nicht explizit geregelt, es lassen sich aber Rückschlüsse aus § 43 Abs. 3 GmbHG ziehen, der im Interesse der Gläubiger den Ausschluss der und den Verzicht auf die Haftung verbietet. Diese Vorschrift besagt im Umkehrschluss, dass – außerhalb einer Gefährdung der Gläubiger – sowohl ex ante als auch ex post – die Haftung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss unproblematisch ausgeschlossen werden kann. In der GmbH mit ihren weitreichenden Informationsmöglichkeiten (siehe dazu noch unten Rn. 377) für die Gesellschafter besteht das für die AG angesprochene Problem einer Überrumpelung nur in geringerem Umfang; sie müssen sich nach der gesetzlichen Regelung selbst schützen, indem sie den Geschäftsführer ausreichend kontrollieren.
c) Ergebnis
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Die Geschäftsleitung haftet bei Sorgfaltspflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft im Interesse der Gesellschafter nur, (1) wenn die Gesellschafter das wollen (und nicht durch Beschluss nachträglich darauf verzichten) und (2) wenn die Gesellschafter die Maßnahme nicht vorher gebilligt haben, (3) es sei denn es handelt sich um Verstöße gegen gläubigerschützende Vorschriften.
Teil 2 Die Organisation der Kapitalgesellschaft › § 4 Pflichten, Haftung und Überwachung der Geschäftsführung › IV. Überwachung der Geschäftsführung
1. Überwachung durch die übrigen Organe
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Die Kontrolle der Geschäftsleitung ist vor allem die Aufgabe des Aufsichtsrates, zwingend in der Aktiengesellschaft gem. § 111 AktG und in der GmbH, soweit er dort nach § 52 GmbHG freiwillig gebildet wird.[28] Hauptinstrumente der Überwachung durch den Aufsichtsrat sind zum einen die Informationsrechte gem. § 111 Abs. 2 S. 1 AktG einschließlich der Möglichkeit, Berichte anzufordern und (erst seit 1998) dem Recht, den Abschlussprüfer zu beauftragen. Zum anderen sind es Zustimmungsvorbehalte, die gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG durch den Aufsichtsrat oder in der Satzung festgelegt werden.[29] Mit ihrer Hilfe kann der Aufsichtsrat erreichen, dass bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen nicht gegen sein Veto durchgeführt werden. An der Vertretungsbefugnis der Geschäftsleitung ändert das freilich nichts (vgl. die Lösung zu Fall 4 Rn. 63). Auch kann der Aufsichtsrat nicht Maßnahmen der Geschäftsführung an sich ziehen (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG).
Soweit in der GmbH kein Aufsichtsrat besteht, müssen die Gesellschafter selbst durch Wahrnehmung ihrer Rechte die notwendige Überwachung der Geschäftsführer leisten (zu den weitgehenden Rechten der Gesellschafterversammlung vgl. unten Rn. 404 f., zu denen der GmbH-Gesellschafter Rn. 505 f., 692 f.).
a) Einschränkung der Kreditvergabe an Organmitglieder
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§ 43a GmbHG bestimmt für die GmbH ein Verbot von Darlehen an Mitglieder der Geschäftsführung sowie an Prokuristen und bestimmte Handlungsbevollmächtigte. Diese Vorschrift gehört mit zu den umstrittensten im GmbH-Recht. Systematisch findet man sie im Zusammenhang mit der Regelung über die Haftung der Geschäftsführer für unsorgfältiges Verhalten (§ 43 GmbHG). Andererseits ist das Verbot ähnlich wie der Grundsatz der Eigenkapitalerhaltung (§ 30 GmbHG) formuliert. Deshalb gehen einige davon aus, dass mit der Bestimmung vor allem der Schutz der Gläubiger verbessert werden soll, indem in bestimmten Situationen (nämlich der Unterbilanz der Gesellschaft) keine risikobeladenen Geschäfte mit Organmitgliedern mehr gemacht werden sollen. Wie die Gesetzesgeschichte zeigt, hat der Gesetzgeber bei Kreditgeschäften mit den genannten Personen befürchtet, dass sie sich als vertretungsberechtigte Personen den Kredit ohne ausreichende Prüfung ihrer Kreditwürdigkeit oder zu besonders günstigen Zinsen „besorgen“ könnten. Der Normzweck des § 43a GmbHG ist also grundsätzlich die Verhinderung einer verdeckten Vermögensverlagerung von der Gesellschaft auf ein Organmitglied.
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Nach zutreffender Auffassung geht das pauschale Verbot der Kreditgewährung in § 43a GmbHG jedoch einerseits deutlich über das von diesem Normzweck gebotene hinaus, andererseits bleibt es auch dahinter zurück. Zu weit geht sie, weil ein gesellschaftsinternes Kontrollverfahren, z.B. die Pflicht, vor einem solchen Kreditgeschäft die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen, dem Normzweck vollauf genügt hätte.[30] Das beweisen schon die Parallelvorschriften im Aktienrecht, nämlich §§ 89, 115 AktG, mit denen derartige Kredite an Vorstände oder Aufsichtsräte lediglich an einen Beschluss des Aufsichtsrates geknüpft werden.
Nicht weit genug geht § 43a GmbHG, weil er die Unzulässigkeit der Kreditvergabe auf Fälle beschränkt, in denen bereits eine Unterbilanz besteht oder durch die Kreditvergabe entstehen würde. Gegen das Gesellschaftsinteresse können aber auch solche Kredite verstoßen, die außerhalb einer Unterbilanz an die Geschäftsführer ausgereicht werden, also nicht „aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen“. Der Gesetzgeber hat insoweit letztlich eine unverantwortliche Lücke gelassen.