Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
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In den letzten Jahren wird verstärkt über die Frage der Angemessenheit der Vergütung von Mitgliedern des Vorstands einer AG diskutiert.
Insbesondere die spektakuläre Übernahme von Mannesmann durch Vodafone im Jahr 1999, die zu Zahlungen in Millionenhöhe an den ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser führte, hat insoweit Aufsehen erregt. Die Debatten in der Literatur, teilweise auch in der Tagespresse, führten zum sogenannten Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG), das – freilich nur für die börsennotierte AG – eine Veröffentlichung der individuell gezahlten Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder festlegt, um damit möglicherweise den öffentlichen Druck auf das Vergütungsniveau von Vorstandsmitgliedern zu erhöhen.[31] (Die durch das VorstOG eingeführten Regeln finden sich in §§ 285 Nr. 9a S. 5, 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB.)
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In jüngster Zeit hat die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise die Diskussion neu entfacht. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass kurzfristig ausgerichtete Vergütungsinstrumente (z.B. Aktienoptionsprogramme) fehlerhafte Verhaltensanreize schufen, die die Krise begünstigten. U.a. reagierte er mit dem sogenannten Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), welches gleich zu einer Vielzahl von Änderungen im Aktiengesetz führte.[32]
bb) Verfahrensregeln
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Auf der einen Seite wird einer eventuellen Selbstbedienung der Vorstandsmitglieder durch Verfahrensregeln vorzubeugen gesucht. In erster Linie erfolgt dies dadurch, dass gemäß § 87 AktG der Aufsichtsrat über die Vergütung des Vorstands entscheidet. Formal liegt kein In-Sich-Geschäft vor, der Vorstand legt also nicht einfach selbst sein Gehalt fest. Durch das VorstAG hat der Gesetzgeber die bislang bestehende Möglichkeit, die Vergütungsentscheidung einem Ausschuss des Aufsichtsrats zu übertragen, ausgeschlossen. Gem. § 107 Abs. 3 S. 3 AktG muss zwingend das Aufsichtsratsplenum entscheiden. Hierdurch soll der Vorgang der Vergütungsfestsetzung transparenter werden. Rein deklaratorisch ist die Regelung des § 116 S. 3 AktG, nach der Aufsichtsratsmitglieder namentlich auch zum Schadensersatz verpflichtet sind, wenn sie schuldhaft eine zu hohe Vergütung festsetzen.
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Ein Novum ist dagegen die Regelung des § 120 Abs. 4 AktG: Demnach kann bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Hauptversammlung einen Beschluss fassen, mit dem sie das Vergütungssystem billigt. Allerdings begründet dieser Beschluss weder Rechte noch Pflichten und ist zudem unanfechtbar. Den Aktionären wird hierdurch ein Mittel an die Hand gegeben, das allenfalls in rein tatsächlicher Art, nämlich durch seine Öffentlichkeitswirkung, Druck auf die Verwaltungsorgane aufbauen kann.
Im Zuge der Umsetzung der überarbeiteten[33] Aktionärsrechterichtlinie (2007/36/EG) wird sich diese Regelung in Zukunft verändern. Die geänderte Richtlinie enthält zwei wesentliche Elemente: Eine Entscheidung der Aktionäre über die (künftige) Vergütungspolitik (Art. 9a) und einen detaillierten Vergütungsbericht gem. Art. 9b, über den die Aktionäre ebenfalls abstimmen. Insbesondere der jährliche Vergütungsbericht eröffnet den Aktionären künftig die Möglichkeit, nicht nur wie bisher die Gesamtbezüge zu erfahren, sondern ohne die Möglichkeit eines opt out (vgl. im Moment § 286 Abs. 5 HGB) auch detaillierte Angaben zu jedem einzelnen Vorstandsmitglied. Der Bericht muss auch Informationen über die Veränderung der Vergütung, das Verhältnis zur Leistung der Gesellschaft oder zur Vergütung der Beschäftigten enthalten. Die Abstimmung hat empfehlenden Charakter und löst gem. Art. 9b Abs. 4 immerhin eine Begründungspflicht für den nächsten Jahresvergütungsbericht aus.[34]
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In § 87 Abs. 2 AktG n.F. wurde die Möglichkeit, die Bezüge herabzusetzen, erweitert und damit die Rechtslage verschärft: Nunmehr „soll“ (statt früher: „kann“) eine Herabsetzung erfolgen, wenn sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert. Früher hingegen war eine „wesentliche Verschlechterung“ erforderlich, so dass die Weitergewährung der Bezüge eine „schwere Unbilligkeit“ für die Gesellschaft sein würde. Ob und in welchem Umfang der Aufsichtsrat von dieser neu geschaffenen Vorschrift künftig Gebrauch machen wird, bleibt jedoch abzuwarten.
cc) Angemessenheit
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Der Gesetzgeber vertraut freilich der Objektivität und Neutralität des Aufsichtsrates nicht genügend, um nicht noch eine weitere Vorkehrung gegen überhöhte Bezüge vorzusehen: Gem. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG muss die Gesamtvergütung „angemessen“ im Verhältnis zu den Vorstandsaufgaben und Lage der Gesellschaft (das war schon bislang so) sowie neuerdings zu den Leistungen des Vorstands sein. Neu ist weiter insbesondere, dass die Bezüge die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen dürfen. In der Praxis wurde das Kriterium der „Üblichkeit“ der Vergütung ohnehin schon herangezogen. Der Gesetzgeber hat – im Gegensatz zu ursprünglichen Entwurfsfassungen – bewusst die Üblichkeit als Obergrenze angemessener Vergütung gewählt, um einen „Aufschaukelungseffekt“ zu vermeiden.
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Obwohl der Gesetzgeber durch diese Änderungen den Begriff der Angemessenheit präzisieren wollte, kann man über dessen Inhalt nach wie vor füglich streiten. Der „gerechte“ Preis für irgendeine Leistung kann nicht objektiviert werden,[35] weshalb man den Begriff der Angemessenheit auch künftig wohl kaum erfolgreich allgemeingültig definieren können wird. Da jedes Unternehmen individuell ist, wird auch ein Abstellen auf einen „Marktpreis für Manager“ als Vergleichspreis zur Bestimmung der Obergrenze der Angemessenheit häufig nur sehr grobe Bandbreiten liefern. Immerhin wurde durch das VorstOG die Information über die gezahlten Gehälter verbessert. Durch das VorstAG ist der Aufsichtsrat gehalten, die übliche Vergütung zumindest nicht ohne besondere Gründe zu überschreiten, und diese Gründe hat er ggf. zu dokumentieren.
c) Die Problematik verdeckter Gewinnausschüttungen durch Geschäftsführergehälter in der GmbH
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Mit dem Problem der Vorstandsgehälter verwandt, aber im Prinzip viel einfacher zu lösen, ist das Problem überhöhter Gehälter an Gesellschafter-Geschäftsführer in der GmbH. Zunächst muss man sich klarmachen, dass es ein Problem überhöhter Gehälter für Fremdgeschäftsführer in der GmbH – außer in extremen Ausnahmefällen – nicht gibt. Fremdgeschäftsführer werden regelmäßig ausreichend durch die Gesellschafter der GmbH kontrolliert. Diese setzen die Bezüge der Fremdgeschäftsführer mit Sicherheit nicht überhöht an, weil dies ihren eigenen Gewinn schmälert.
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Anders sieht es aber aus, wenn ein Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sich selbst zum Geschäftsführer bestellt. Dann besteht die Gefahr, dass er zugleich seine Vergütung als Geschäftsführer zu hoch ansetzt und zwar aus zwei Gründen: Der eine ist steuerrechtlicher Art und wird vor allem beim Alleingesellschaftergeschäftsführer Motiv für eine überhöhte Vergütung sein. Das Geschäftsführergehalt mindert nämlich unmittelbar den Gewinn der Kapitalgesellschaft. Je nachdem, ob auf den Gewinn der Gesellschaft oder auf das Einkommen des Geschäftsführers der höhere Steuersatz entfällt (der Gewinn der Gesellschaft unterliegt der Körperschaftssteuer, das Gehalt des Geschäftsführers der Einkommensteuer, beide können – wie bekannt sein dürfte – unterschiedlich hoch sein, schon weil die Einkommensteuer mit der Höhe progressiv steigt), kann durch entsprechende Festsetzung der Bezüge die Besteuerung des erzielten Gewinns optimiert werden.
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Der andere Grund kommt nur dann vor, wenn an der GmbH noch Minderheitsgesellschafter beteiligt sind. Dann bedeutet eine Erhöhung des Geschäftsführergehalts