Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
(§§ 164 ff. BGB) wirksam vertreten wird und ihr also das Handeln natürlicher Personen als eigenes Handeln zugerechnet wird. Gesetzliche und unbeschränkbare Vertretungsmacht für die Gesellschaft hat einerseits die Geschäftsleitung, also Vorstand oder Geschäftsführer (§§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG; §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG). Daneben kann anderen Personen, z.B. Prokuristen oder anderen Arbeitnehmern, vertraglich im Wege der Vollmacht Vertretungsmacht eingeräumt werden. Handelt jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht für die Gesellschaft, so wird der Gesellschaft die Willenserklärung des Vertreters gem. § 164 Abs. 1 BGB zugerechnet. Der so zustande gekommene Vertrag besteht (nur) zwischen ihr und ihrem Gläubiger. Aus dem entsprechenden Vertrag kann der Gläubiger die Gesellschaft selbst in Anspruch nehmen, sie etwa in Verzug setzen oder auf Leistung verklagen.
Hinweis:
In einer Klausur prüft man also (sofern keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Entstehung der Kapitalgesellschaft bestehen) lediglich das Zustandekommen eines Vertrages zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner nach den allgemeinen Regeln.
a) Zurechnung erforderlich
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Neben einer Verpflichtung durch die Zurechnung fremder Willenserklärungen kommt auch die Haftung der Gesellschaft für das Fehlverhalten Dritter in Frage. Für eine solche Haftung benötigt man ebenfalls die Zurechnung des Verhaltens des jeweiligen Dritten, da die Gesellschaft selbst eine Pflichtverletzung ebenso wenig begehen kann, wie sie selbst eine Willenserklärung abgeben kann. Weder im Aktien- noch im GmbH-Recht findet man jedoch eine solche ausdrückliche Zurechnungsnorm. Wiederum ergibt sie sich aus dem BGB. Es geht um die §§ 31, 831, 278 BGB. Dabei spielt die für den Verein geltende Vorschrift des § 31 BGB eine besondere Rolle. Nach ihr wird dem Verein eine Handlung des Vorstands, soweit sie zum Schadensersatz verpflichtet, zugerechnet.[1] Diese Vorschrift wird unstreitig auch (analog!) auf die Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften angewendet. Fraglich ist aber ihre inhaltliche Reichweite.
b) Zurechnung von Verschulden im Rahmen vertraglicher Sonderverbindungen gem. § 278 BGB oder § 31 BGB?
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Nach mittlerweile wohl überwiegender Auffassung in der Literatur gilt die Vorschrift des § 31 BGB auch für Pflichtverletzungen aus Verträgen. Wenn also der Vorstand einer AG eine Vertragsverletzung begeht, z.B. verantwortlich für eine nicht rechtzeitige Lieferung ist, so kann nach dieser Meinung etwa ein Verzugsschadensersatzanspruch gegen die AG aus § 31 i.V.m. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begründet sein. Nach anderer Auffassung[2] ist in Fällen vertraglicher Haftung jedoch § 278 BGB die richtige Zurechnungsnorm. Diese Auffassung hat viel für sich, da § 31 BGB nicht auf vertragliche Pflichtverletzungen sondern eher auf unerlaubte Handlungen zugeschnitten ist. Jedenfalls wirkt eine etwaige vertragliche Haftungsmilderung auch zugunsten der Gesellschaft (d.h. der Verschuldensmaßstab richtet sich nach dem zugrundeliegenden Vertrag zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner). Ferner erfolgt eine Zurechnung über § 278 BGB zur Gesellschaft unstreitig dann, wenn es um das Verschulden von Arbeitnehmern der Gesellschaft geht, da auf sie § 31 BGB nicht angewendet werden kann (vgl. im Folgenden c).
c) Zurechnung deliktischer Verantwortlichkeit
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Die Gesellschaft kann selbst keine unerlaubten Handlungen begehen. Sie haftet jedoch für unerlaubte Handlungen, die ihr Vorstand oder Geschäftsführer begeht, gem. § 823 BGB (oder jeder anderen Anspruchsgrundlage aus dem Deliktsrecht) i.V.m. § 31 BGB analog auf den bei einem Dritten eingetretenen Schaden. Damit ist die Haftung der Kapitalgesellschaft für unerlaubte Handlungen jedoch nur unvollkommen beschrieben. Denn nicht nur für ihren Vorstand oder Geschäftsführer, auch für das Verhalten ihrer Aufsichtsratsmitglieder und ihrer Arbeitnehmer kann die Gesellschaft haften. Die Haftung für das Verhalten eines eventuellen Aufsichtsrates ergibt sich ebenfalls aus § 31 BGB. Der BGH hat den Begriff des verfassungsmäßigen Vertreters in dieser Vorschrift sehr weit ausgelegt und versteht darunter sämtliche Personen in leitender Stellung, etwa Prokuristen, sogar solche Personen ohne Vertretungsmacht, soweit ihnen wichtige Funktionen zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Auf diese Weise ist § 31 BGB im Verlauf zu einer Repräsentantenhaftung ausgebaut worden.[3]
Das Verhalten weisungsgebundener Arbeitnehmer der Kapitalgesellschaft kann jedoch im Grundsatz nur über § 831 BGB i.V.m. § 31 BGB zugerechnet werden. Die Haftung aus § 831 BGB ist eine Haftung für vermutetes Auswahl- und Überwachungsverschulden. Letzten Endes wird der Kapitalgesellschaft dann ein solches vermutetes Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters nach § 31 i.V.m. § 831 BGB zugerechnet, falls dieser gesetzliche Vertreter sich nicht nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten kann.
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › II. Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen
1. Was bedeutet „beschränkte“ Haftung?
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Kapitalgesellschaften sind Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung, wie es § 1 GmbHG ausdrücklich sagt, wie es aber auch für die AG gilt. Nach den Grundregeln in § 1 Abs. 1 S. 2 AktG und § 13 Abs. 2 GmbHG haftet den Gläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das Gesellschaftsvermögen. Die Gläubiger müssen sich also aus dem Vermögen der Gesellschaft befriedigen. Sie können, soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände der Durchgriffshaftung[4] (dazu unten Rn. 303 ff.) vorliegt, grundsätzlich die Gesellschafter nicht für die Verbindlichkeiten und sonstigen Pflichten der Gesellschaft in Anspruch nehmen (Trennungsprinzip). Durch die Gründung einer GmbH oder AG erlangt der (bzw. erlangen die) Gesellschafter also eine prinzipielle Aufteilung und Trennung des eigenen Vermögens in ein gesondertes unternehmerisches Vermögen einerseits und ein davon getrenntes Privatvermögen. Diese Trennung bleibt auch dann aufrechterhalten, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr genügt. Auch in einem Insolvenzverfahren haften also weder Gesellschafter noch Geschäftsführer für die Schulden der Gesellschaft. Auch die Gesellschafter selbst müssen sich allerdings an die einmal gewählte Trennung des unternehmerischen von ihrem privaten Vermögen halten, sonst kann es zur Durchgriffshaftung, also der Aufhebung der Trennung, kommen (siehe Rn. 303).
2. Haftungsbeschränkung und besondere Haftungstatbestände für Gesellschafter und/oder Geschäftsleiter
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Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen schließt nicht aus, dass einzelne Gesellschafter oder Geschäftsleiter parallel zur Haftung der Gesellschaft den Gläubigern etwas schulden. Für solche Pflichten bedarf es aber stets eines besonderen Verpflichtungsgrundes, etwa eines gesonderten Vertrages oder einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung.
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Hier zu erwähnen sind einerseits besondere vertragliche und vertrauenshaftungsrechtliche Ansprüche gegen einzelne Gesellschafter oder Geschäftsleiter der Gesellschaft. Sie können nämlich als natürliche Personen selbstverständlich nach den allgemeinen Regeln des BGB aus einer von ihnen abgegebenen Garantie oder Bürgschaft oder