Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
besonderes persönliches Vertrauen des Vertragspartners der Gesellschaft in Anspruch genommen hat“.[5] Das wird etwa der Fall sein, wenn der Geschäftsführer einem Vertragspartner der GmbH sagt, er „stehe mit seinem guten Namen für die Erfüllung des Vertrags ein“, nicht ausreichend dagegen: „Geld ist für die Firma kein Problem“.[6] Dann haftet der Geschäftsführer dem Vertragspartner unmittelbar aus §§ 280, 311, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) auf Schadensersatz, sollte seine Zusage nicht eintreffen. Mit solchen selbstständigen Verpflichtungsgründen sollte man freilich sehr vorsichtig sein.
137
Für ihr eigenes Tun können Geschäftsleiter und Gesellschafter ferner deliktisch gem. §§ 823, 830 BGB haften und insoweit ebenfalls unmittelbar von den Gläubigern in Anspruch genommen werden. Daher wird in aller Regel in den Fällen der oben dargestellten Zurechnung gem. § 31 BGB neben der Kapitalgesellschaft auch das handelnde Organmitglied persönlich dem Geschädigten als Gesamtschuldner gem. § 840 BGB haften. Eine wichtige Frage, die sich dann stellt, ist die nach dem Verhältnis der beiden Ansprüche zueinander im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und handelndem Organ.
138
Bei den eben angesprochenen Fragen handelt es sich um Ansprüche einzelner Gläubiger gegen einzelne handelnde Personen und nicht um originär (kapital-)gesellschaftsrechtliche Fragen. Zur Durchgriffshaftung siehe im Übrigen Rn. 303 ff.
3. Die ökonomische Beurteilung des Instituts der Haftungsbeschränkung
139
Ein ökonomischer Vorteil ist die Haftungsbeschränkung naturgemäß zunächst nur für diejenigen, die ihr Geld in ein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft investieren. Das gilt jedenfalls bei mikroökonomischer Betrachtungsweise, wenn der zu erwartende Gewinn aus der Haftungsbeschränkung (= Produkt aus Wahrscheinlichkeit eines ohne die Haftungsbeschränkung eintretenden Verlustes und dessen Höhe abzüglich des eingesetzten Kapitals) höher ist als der zu erwartende Preis, der für die Haftungsbeschränkung zu zahlen ist (der Unterschied zwischen den zu erwartenden Gewinnen aus dem Unternehmen mit und ohne Haftungsbeschränkung).
140
Volkswirtschaftlich betrachtet bleibt dagegen – auch bei einem positiven Ausgang dieser Rechnung für den oder die Unternehmer selbst – ein Nettovorteil nur dann, wenn entweder die mit der Haftungsbeschränkung naturgemäß verbundene Gefahr einer Risikoexternalisierung ausgeschaltet ist oder zumindest ihre Vorteile die Nachteile überwiegen. Soweit nur letzteres der Fall ist, kann das Institut der Haftungsbeschränkung zur Umverteilung (nämlich zwischen Investoren und Gläubigern) führen und wird dann unter Gerechtigkeitsaspekten zweifelhaft.
Teil 3 Gläubigerschutz › § 5 Grundfragen und Prinzip der Kapitalerhaltung › III. Grundfragen des Gläubigerschutzes
1. Gläubigerschutz warum?
141
Durch das Institut der Haftungsbeschränkung soll das Risiko der Investoren, d.h. der Anteilseigner der Kapitalgesellschaft, begrenzt werden. Sie sollen nicht fürchten müssen, mehr als das von ihnen eingesetzte Kapital zu verlieren. Dies ist ein sehr begrenzter Zweck der Haftungsbeschränkung. Keinesfalls sollte den Anteilseignern durch sie erlaubt werden, auf Risiko und Kosten ihrer Gläubiger das Unternehmen zu betreiben oder diese zu schädigen. Das heißt: Ihr Privatvermögen wird zwar grundsätzlich vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Die Anteilseigner sollen aber ihrerseits dieses unternehmerische Vermögen von ihrem Privatvermögen getrennt halten und es nicht zulasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil vermindern. Und ferner muss bei einem absehbaren Scheitern des Unternehmens rechtzeitig ein Verfahren durchgeführt werden, das die Interessen der Gläubiger und das noch vorhandene Vermögen der Kapitalgesellschaft vor weiteren Schäden schützt.
2. Gläubigerschutz wann?
142
Mit dem eben genannten Verfahren ist das Insolvenzverfahren gemeint. Hier kommen sämtliche Gläubiger der Gesellschaft zusammen (deshalb hieß das Verfahren bis 1999 noch „Konkurs“ von lat. concurrere: zusammenlaufen), weil das Unternehmen der Kapitalgesellschaft gescheitert ist. Der Insolvenzverwalter nimmt das Vermögen der Gesellschaft in Beschlag und entscheidet fürderhin über die weitere Zukunft des Unternehmens.
143
Erst in diesem Moment, wenn der Unternehmer also bereits gescheitert ist, wird in der Praxis auch geprüft, ob die Gesellschafter sich zuvor zu Unrecht zulasten der Gläubiger bereichert haben (Kapitalerhaltung). Und ferner wird auch erst in diesem Moment darüber entschieden, ob im Extremfall der Grundsatz der Haftungsbeschränkung ausnahmsweise durchbrochen wird (Durchgriffshaftung). Es ist wichtig, sich diese rechtspraktische Tatsache vor Augen zu halten: Vor einem Insolvenzverfahren sind sämtliche Ansprüche der Gläubiger durch Klage gegen die Gesellschaft und anschließend im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchsetzbar. Es besteht daher bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Gläubiger kein Anlass, sich über die Einhaltung der Regeln der Kapitalerhaltung oder sonstige dem Gläubigerschutz dienenden Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts Gedanken zu machen. In dem Insolvenzverfahren kann sich freilich herausstellen, dass „kaum noch etwas da ist“. Dann beginnt die Suche nach Verstößen gegen den Grundsatz der Kapitalerhaltung. Selbst Fragen der ordnungsgemäßen Gründung der Gesellschaft, soweit sie dem Gläubigerschutz dienen, können noch im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (insbesondere im Fall der sog. verdeckten Sacheinlage[7]) und werden es häufig auch praktisch.
3. Gläubigerschutz vor wem?
144
Nicht nur die Gesellschafter können, auch die Geschäftsleitung kann durch ihre Handlungen einen Schaden der Gläubiger verursachen. Daher betrifft der Gläubigerschutz nicht nur mögliche Ansprüche gegen die Gesellschafter sondern auch Regeln über das richtige Verhalten der Geschäftsleitung und mögliche Ansprüche gegen diese.
4. Gläubigerschutz wie?
145
Dem Recht stehen zum Schutz der Gläubiger grundsätzlich nur zwei Mittel zur Verfügung, nämlich Kompensation (durch Ansprüche auf Schadensersatz) und Verhaltenssteuerung. Der Schaden für die Gläubiger kann zunächst durch bestimmte Ansprüche gegen Geschäftsleitung oder Gesellschafter kompensiert werden. Da niemand gerne haftet, wirkt allein das Bestehen solcher Ansprüche zugleich auch (in begrenzter Weise) verhaltenssteuernd. Gleichwohl kann es sein, dass der verhaltenssteuernde Aspekt des bloßen Haftungsrisikos nicht ausreicht.
146
Es ist dann nach weiteren Mitteln und Wegen zu suchen, die für die Gesellschaft Handelnden von einer Schädigung abzuhalten. Solche Mittel können etwa organisatorische Vorkehrungen sein wie etwa die Pflicht zur Dokumentation des Wertes und des Verbleibs der Vermögensgegenstände der Gesellschaft (Bilanzrecht, allgemein Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten) oder aber auch eine Pflicht der Geschäftsführung oder ein korrespondierendes Recht der Gläubiger, rechtzeitig das Insolvenzverfahren einzuleiten, sowie ferner Strafdrohungen bei Pflichtverletzungen.
Im Folgenden wird eine Übersicht über mögliche Ansprüche gegen Gesellschafter und Geschäftsleitung gegeben, deren bedeutsamste