Wirtschaftsvölkerrecht. Markus Krajewski
– | Zunächst kann ein Staat eine einseitige, obligatorische Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut abgeben. Damit erklärt er generell seine Anerkennung der Zuständigkeit des IGH. Allerdings hat nur eine Minderheit der Staaten eine solche Erklärung abgegeben. Zudem werden Unterwerfungserklärungen oft mit Vorbehalten versehen (Art. 36 Abs. 3 IGH-Statut). Die Zuständigkeit des IGH wird im Übrigen erst dann begründet, wenn beide Streitparteien eine Unterwerfungserklärung abgegeben haben. |
– | Häufiger ist, dass sich zwei Staaten für einen aktuellen Streit ad hoc einigen, dem IGH die Beilegung des Streits zu übertragen oder dass eine Partei Klage beim IGH erhebt und die andere Partei der Zuständigkeit des IGH im Laufe des Verfahrens zustimmt bzw. sich rügelos auf das Verfahren einlässt (forum prorogatum), Art. 36 Abs. 1 IGH-Statut. |
– | Die Zuständigkeit des IGH kann sich auch aus einer speziellen Klausel in einem völkerrechtlichen Vertrag ergeben (kompromissarische Klausel). Oft ist die Zuständigkeit dann auf die Materie des jeweiligen Vertrags beschränkt. Denkbar ist aber auch, dass Staaten alle Streitigkeiten zwischen ihnen generell dem IGH übertragen (so z.B. Art. 1 des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Streitbeilegung von 1957).[1] |
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Im Wirtschaftsvölkerrecht sind die speziellen Streitbeilegungsmechanismen der multilateralen und regionalen Wirtschaftsorganisationen (z.B. WTO und NAFTA) von erheblicher praktischer Bedeutung. Diese z.T. gerichtsförmig ausgestalteten Verfahren werden von den beteiligten Staaten rege genutzt und treten an die Stelle der allgemeinen völkerrechtlichen Streitbeilegungsmittel. Insbesondere das Streitbeilegungsverfahren der WTO[2] hat bereits eine beeindruckend hohe Zahl von Streitfällen beigelegt. Anders als die Zuständigkeit des IGH ist die Zuständigkeit des WTO-Streitbeilegungsverfahrens nicht von der Zustimmung der Streitparteien abhängig. Im internationalen Investitionsschutzrecht werden in erster Linie ad hoc Schiedsgerichte genutzt.[3] Schiedsgerichte werden jeweils für einen speziellen Streitfall gebildet. Die Parteien haben durch die Auswahl der Schiedsrichter und die Begrenzung des Streitgegenstandes hier größere Einflussmöglichkeiten als in einem gerichtlichen Verfahren.
Anmerkungen
BGBl. II 1961, S. 82 = Sartorius II, Nr. 112.
Näher Teil 2 Rn. 239 ff.
Dazu Teil 3 Rn. 653, 658.
c) Völkerrechtliche Verantwortlichkeit
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Verletzt ein Staat eine Regel des Völkerrechts, begründet dies seine völkerrechtliche Verantwortlichkeit. Daraus leiten sich die Verpflichtungen des verletzenden Staats (z.B. zu Wiedergutmachung und Schadensersatz) und die Rechte des verletzten Staats (z.B. zur Forderung von Reparationen oder zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen) ab. Die Grundsätze der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten wurden von der International Law Commission der Vereinten Nationen im Jahr 2001 in sog. Draft Articles festgehalten.[1] Die Draft Articles kodifizieren zu einem großen Teil Gewohnheitsrecht, so dass sie ähnlich wie die WVK in der Fallpraxis angewandt werden können.
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Voraussetzung für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit ist nach Art. 2 Draft Articles das Vorliegen eines einem Staat zurechenbaren Tuns oder Unterlassens und die daraus resultierende Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung. Rechtsfolge ist nach Art. 30 und 31 Draft Articles die Beendigung der Rechtsverletzung und die Wiedergutmachung der Rechtsverletzung. Wiedergutmachung soll primär durch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (restitution) erfolgen (Art. 35 Draft Articles). Wenn dies nicht möglich ist, soll Schadensersatz (compensation) geleistet werden. Ist auch dies nicht möglich, sind andere Formen der Genugtuung (satisfaction), wie z.B. eine förmliche Entschuldigung, denkbar, Art. 36 und 37 Draft Articles. Unabhängig von den Rechtsfolgen der Staatenverantwortlichkeit besteht in jedem Fall die Pflicht zur Beachtung der verletzten Norm weiter, Art. 29 Draft Articles.
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Leistet ein verantwortlicher Staat keine Wiedergutmachung, ist der verletzte Staat zu Gegenmaßnahmen berechtigt, Art. 49 Draft Articles. Gegenmaßnahmen bestehen regelmäßig in der Aussetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen gegenüber dem verletzenden Staat. Eine Aussetzung des Gewaltverbots, fundamentaler Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und von Normen des zwingenden Völkerrechts ist allerdings nicht gestattet, Art. 50 Draft Articles. Zudem müssen Gegenmaßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, Art. 51 Draft Articles.
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Im Wirtschaftsvölkerrecht werden diese allgemeinen Prinzipien teilweise von Sonderrechtsordnungen überlagert. So enthält das Streitschlichtungsübereinkommen der WTO detaillierte Regeln über die Rechtsfolgen einer festgestellten Rechtsverletzung.[2]
Anmerkungen
Anlage zur Resolution der Generalversammlung 56/83 (2001) = Sartorius II, Nr. 6.
Dazu unten Teil 2 Rn. 280 ff.
d) Diplomatischer Schutz
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Einige Normen des Völkerrechts bewirken faktisch den Schutz individueller Rechtspositionen, auch wenn sie formal nur Staaten berechtigen. Dazu zählen z.B. die Regeln über konsularischen Schutz im Ausland und zahlreiche wirtschaftsvölkerrechtliche Prinzipien wie der Nichtdiskriminierungsgrundsatz, Marktzugangsrechte oder der Enteignungsschutz. Häufig kann die Verletzung dieser Normen durch einen Staat von den tatsächlich betroffenen Individuen oder Unternehmen nicht selbst geltend gemacht werden, da völkerrechtliche Normen grundsätzlich nur Staaten berechtigen oder verpflichten. Daher können Staaten „im Namen“ ihrer Staatsangehörigen die Rechtsverletzung geltend machen und ggf. Wiedergutmachung verlangen. Diese Art der Geltendmachung von Rechten und Interessen gegenüber einem anderen Staat wird als diplomatischer Schutz bezeichnet.
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Voraussetzungen für die Ausübung des diplomatischen Schutzes ist neben der Rechtsverletzung und der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs (local remedies rule) vor allem die Berechtigung zur Schutzgewährung, die bei natürlichen Personen durch die Staatsangehörigkeit und bei juristischen Personen durch die Zugehörigkeit zu dem Schutz ausübenden Staat begründet wird. Das Völkerrecht enthält keine Vorgaben darüber, wie die Staatsangehörigkeit natürlicher Personen zu erwerben ist. Allerdings muss eine tatsächliche Beziehung (genuine link) zwischen dem Individuum und dem Staat bestehen. In der Praxis wird die Staatsangehörigkeit zumeist durch Abstammung (ius sanguinis), durch Geburt im Land (ius soli) oder durch Einbürgerung erworben.
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Die Staatszugehörigkeit juristischer Personen bestimmt sich nach dem jeweils geltenden