Wirtschaftsvölkerrecht. Markus Krajewski
des Völkerrechts deutlich. Die Völkerrechtssubjekte sind keinem Recht unterworfen, das von einer übergeordneten Instanz gesetzt wird. Vielmehr sind die Rechtssubjekte auch die Rechtsetzer. Insofern lassen sich die meisten Völkerrechtsregeln auf den Willen der Staaten zurückführen: Verträge bedürfen der Zustimmung der Vertragsparteien und Gewohnheitsrecht setzt die – wenigstens implizite – Zustimmung der Staaten voraus.[2]
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Im Gegensatz zum nationalen Recht gibt es innerhalb des Völkerrechts grundsätzlich keine förmliche Normenhierarchie, sondern es gelten allenfalls die allgemeinen Kollisionsregeln des „lex specialis derogat legi generali“ (das spezielle Gesetz verdrängt das allgemeine) und „lex posterior derogat legi priori“ (das spätere Gesetz verdrängt das frühere).[3] In der praktischen Anwendung bedeuten diese Grundsätze allerdings, dass ein völkerrechtlicher Vertrag jedenfalls für seine Vertragsparteien dem Gewohnheitsrecht im Allgemeinen vorgeht, da er regelmäßig spezieller als das Gewohnheitsrecht ist und zumeist auch jüngeren Datums.
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Eine gewisse Ausnahme von der Gleichrangigkeit der Völkerrechtsquellen stellt das sog. ius cogens (= zwingendes Völkerrecht) dar. Eine Rechtsregel gilt dann als ius cogens, wenn sie aufgrund ihrer elementaren Bedeutung für die internationale Gemeinschaft nicht mehr abgeändert werden darf. Dazu zählt z.B. das Verbot der Sklaverei und das Verbot des Völkermordes. Vertragsrecht und Gewohnheitsrecht, das gegen ius cogens verstößt, ist unwirksam. Insofern kommt dem ius cogens eine Vorrangstellung gegenüber „einfachem“ Völkerrecht zu. Normen des ius cogens entfalten regelmäßig auch eine sog. erga omnes-Wirkung, mit der Folge, dass ihre Verletzung von allen Staaten gerügt werden kann.
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Ebenfalls von besonderer Bedeutung ist die Charta der Vereinten Nationen. Gem. Art. 103 UN-Charta gehen die Verpflichtungen der UN-Charta allen anderen vertraglichen Verpflichtungen vor. Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Art. XXI lit. c) des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), wonach die Bestimmungen des GATT die Vertragsparteien nicht daran hindern, Maßnahmen aufgrund von Verpflichtungen aus der UN-Charta zu treffen.[4] Dieser Vorrang der UN-Charta gegenüber anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen begründet sich in der fundamentalen Bedeutung der UN-Charta für die Staatengemeinschaft; sie wird daher teilweise auch als die Verfassung der internationalen Gemeinschaft bezeichnet.[5]
Anmerkungen
BGBl. 1973 II, S. 503 = Sartorius II, Nr. 2.
Unten Rn. 84 ff.
Art. 30 WVK.
Dazu Teil 2 Rn. 345.
Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, §§ 89 ff.
a) Völkerrechtliche Verträge
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Völkerrechtliche Verträge sind im modernen Völkerrecht und auch im Wirtschaftsvölkerrecht die praktisch bedeutsamste Rechtsquelle. Die Mehrzahl der völkerrechtlichen Verträge sind zwischenstaatliche (bilaterale oder multilaterale) Verträge. Daneben existieren auch Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und Verträge von internationalen Organisationen untereinander.
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Unter einem völkerrechtlichen Vertrag versteht man jede rechtsverbindliche Übereinkunft zwischen Völkerrechtssubjekten, die völkerrechtliche Rechte und Pflichten zum Inhalt hat. Auf die Bezeichnung („Vertrag“, „Letter of Understanding“, „Memorandum“) kommt es nicht an. Verträge zwischen Völkerrechtssubjekten, die sich nicht auf völkerrechtliche Inhalte beziehen (etwa die Miete von Büros) unterliegen nicht dem Völkerrecht.
Definition:
Völkerrechtliche Verträge sind Vereinbarungen zwischen zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten auf dem Gebiet des Völkerrechts.
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Die Regeln über Zustandekommen, Gültigkeit, Auslegung und Beendigung völkerrechtlicher Verträge werden als allgemeines Völkervertragsrecht bezeichnet, das im Wesentlichen in der Wiener Konvention über das Recht der Verträge von 1969 (Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK) kodifiziert ist.[1] Da die WVK selbst ein völkerrechtlicher Vertrag ist, bindet sie nur ihre Vertragsparteien. Nach allgemeiner Meinung wurden in der WVK jedoch die völkergewohnheitsrechtlich geltenden Regeln über völkerrechtliche Verträge kodifiziert. Daher können die Grundlagen und die wichtigsten Regeln der WVK in einer Falllösung grundsätzlich auch dann angewendet werden, wenn ein beteiligter Staat nicht Partei der WVK ist.
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Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen einen völkerrechtlichen Vertrag sind in der WVK nicht kodifiziert. Sie bestimmen sich nach den Regeln über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten.[2]
Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge
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Völkerrechtliche Verträge können in einem einphasigen oder mehrphasigen Verfahren zu Stande kommen.[3] Von einem einphasigen Verfahren wird gesprochen, wenn zum Inkrafttreten des Vertrags die Zustimmung des Staatsorgans, das den Vertrag ausgehandelt hat, genügt (vgl. Art. 12 WVK). Bei dem – für die meisten multilateralen und inhaltlich bedeutsamen Verträge erforderlichen – mehrphasigen Verfahren sind an Aushandlung und Vertragsschluss mehrere Staatsorgane beteiligt. Im mehrphasigen Verfahren können im Wesentlichen folgende Schritte unterschieden werden:
1. | Die Vertragsverhandlungen werden durch die Vertreter der Staaten (vgl. Art. 7 WVK) geführt. Formal wird die Bundesrepublik durch den Bundespräsidenten vertreten (Art. 59 Abs. 1 GG), der seine Vertretungsbefugnis jedoch stets auf Regierungsmitglieder, Diplomaten oder Ministerialbeamte überträgt. |
2. | Nach Abschluss der Verhandlungen wird der Vertragstext durch Zustimmung der Verhandlungsführer festgelegt und angenommen (vgl. Art. 9 und 10 WVK). Dies geschieht durch Unterzeichnung oder Paraphierung, d.h. Unterzeichnung mit dem Namenskürzel. Die Unterzeichnung führt jedoch nicht zur Bindung an den Vertrag, sondern begründet lediglich die Verpflichtung, den Vertrag dem innerstaatlichen Zustimmungsprozess zuzuleiten. Außerdem sind die Staaten verpflichtet, den Vertragszweck nicht zu vereiteln (Art. 18 WVK). |
3. |
Nach Annahme des Vertragstextes müssen in jedem Vertragsstaat die jeweils zuständigen nationalen Organe zustimmen. Welche dies sind und wann eine Zustimmung erforderlich ist, bestimmt sich nach dem nationalen Verfassungsrecht. Bei wichtigen Verträgen ist regelmäßig eine Zustimmung des Parlaments erforderlich. In der Bundesrepublik muss der Bundestag, ggf. auch der Bundesrat in Form eines Zustimmungsgesetzes zustimmen. In Art. 59 Abs. 2 GG ist festgelegt, dass „Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen“ der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils zuständigen |