BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
361
Wenn der Erblasser den Bedachten in einer Weise bezeichnet, die auf mehrere Personen passt und sich nicht ermitteln lässt, wer von ihnen bedacht werden sollte, so gelten sie gem. § 2073 als zu gleichen Teilen bedacht.
Beispiel:
Zuwendung an den „Tierschutzverein in C.“, wo es zwei Tierschutzvereine gab[101]; Erbeinsetzung „meines Enkels Kevin“, wenn der Erblasser zwei Enkel dieses Namens hatte und sich auch nicht ermitteln lässt, dass er einen von beiden besonders mochte.
ii) Sonderfall: die Armen
362
Einen Sonderfall stellt § 2072 dar: Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die öffentliche Armenkasse der Gemeinde (der örtliche Träger der Sozialhilfe[102]), in deren Bezirk er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete unter Armen zu verteilen. Eine analoge Anwendung von § 2072 kommt in Betracht, wenn der Erblasser eine Zuwendung zu einem der Sozialhilfe ähnlichen karitativen Zweck angeordnet hat[103], z.B. wenn er „einem Heim für körperbehinderte Kinder in München“ ein Hausgrundstück zugewandt hat[104].
c) Zweifel über die Höhe der Erbteile
363
§§ 2088-2093 enthalten Auslegungs- und Ergänzungsregeln für Fälle, in denen Zweifel über die Höhe der Erbteile bestehen.
364
Hat der Erblasser nicht über seinen gesamten Nachlass verfügt, so tritt gem. § 2088 im Übrigen gesetzliche Erbfolge ein. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Ergänzungsregel, d.h. ein abweichender Wille des Erblassers hat Vorrang.[105] Testamentarische und gesetzliche Erben bilden eine Miterbengemeinschaft (§ 2032 Abs. 1).
365
Sollen die eingesetzten Personen nach dem Willen des Erblassers die alleinigen Erben sein, so werden die Bruchteile, wenn sie das Ganze nicht erschöpfen, verhältnismäßig erhöht (§ 2089) bzw., wenn sie das Ganze übersteigen, verhältnismäßig gemindert (§ 2090).
366
Wenn zwar klar ist, wer Erbe werden sollen, aber die Höhe der jeweiligen Erbteile unbestimmt ist, so erben die eingesetzten Personen zu gleichen Teilen (§ 2091) bzw. den freigebliebenen Teil zu gleichen Teilen (§ 2092 Abs. 1). Wie schon der Verweis auf die §§ 2066 ff. zeigt, ist jedoch zuvor durch Auslegung zu ermitteln, ob nicht die Erben auf verschieden große Bruchteile eingesetzt sind.[106]
367
Der Erblasser kann mehrere Erben auch auf einen gemeinschaftlichen Erbteil einsetzen (§ 2093). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.[107] Maßgeblich ist insoweit insb., ob zwischen den als gemeinschaftlichen Erben zusammengefassten Personen eine persönliche oder sachliche Beziehung besteht.[108] Die bloße Bezeichnung „die Eheleute X“ ist für sich allein noch kein ausreichendes Indiz für die Einsetzung auf einen gemeinschaftlichen Erbteil.[109] In Ansehung des gemeinschaftlichen Erbteils finden gem. § 2093 die §§ 2089–2092 entsprechende Anwendung.
d) Anwachsung
368
Hat der Erblasser durch Einsetzung mehrerer Erben die gesetzliche Erbfolge völlig ausgeschlossen, entspricht es i.d.R. nicht seinem Willen, beim Wegfall eines der Erben im Übrigen gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen. § 2094 übernimmt daher mit der Anwachsung das Prinzip der Erbteilserhöhung (§ 1935) aus dem gesetzlichen Erbrecht. Dazu näher → Rn. 731 ff.
e) Auslegungsregeln für Bedingungen
369
Ebenso wie prinzipiell jedes Rechtsgeschäft können auch letztwillige Verfügungen unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt werden; dies wird im BGB zwar nicht explizit geregelt, aber in den §§ 2074 ff. vorausgesetzt. Diese Vorschriften enthalten eine Reihe von Auslegungsregeln für die Wirkungen solcher Bedingungen.
370
Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung gemacht, so ist gem. § 2074 im Zweifel anzunehmen, dass die Zuwendung nur gelten soll, wenn der Bedachte den Bedingungseintritt erlebt. Die echte Bedingung ist dabei vom bloßen Anlass der Testamentserrichtung, von unverbindlichen Wünschen und von der Auflage gem. § 1940 (→ Rn. 937 ff.) abzugrenzen. Eine echte Bedingung liegt nur dann vor, wenn der Wille des Erblasser erkennbar darauf gerichtet ist, die Wirksamkeit der Verfügung an den Eintritt eines für ungewiss gehaltenen Umstands zu knüpfen.[110] Für eine Befristung gilt nicht § 2074, sondern § 163.[111]
Beispiele:
Die Formulierung „Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Russland wiederkommen“ stellt eine echte Bedingung dar.[112] Wenn in Form eines Konditionalsatzes auf die Umstände der Testamentserrichtung Bezug genommen wird („sollte mir bei der Gallenoperation etwas zustoßen“), so stellt dies regelmäßig nur einen Hinweis auf den Anlass (Motiv) der Testamentserrichtung dar.[113]
371
Wird eine Zuwendung unter der Bedingung eines Tuns oder Unterlassens des Bedachten von unbegrenzter Dauer gemacht, so käme der Bedachte nie in den Genuss der Zuwendung, wenn man eine aufschiebende Bedingung annehmen würde; denn dann stünde erst im Zeitpunkt seines eigenen Todes fest, dass die Bedingung erfüllt ist. § 2075 stellt deshalb die Auslegungsregel auf, dass eine solche Bedingung als auflösende Bedingung zu verstehen ist.[114]
Beispiel:
Eine als „Vereinbarung“ überschriebene Erbeinsetzung bei gleichzeitiger Übernahme einer Pflegeverpflichtung ist, wenn es an einem festen Bindungswillen des Erblassers fehlt, als auflösend bedingte Erbeinsetzung und nicht als Erbvertrag auszulegen.[115]
372
Ist der Eintritt einer Bedingung von der Mitwirkung des Bedachten abhängig, so gilt auch für letztwillige Verfügungen § 162.[116] Diese allgemeine Vorschrift wird durch die Auslegungsregel des § 2076 ergänzt, die den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung zum Vorteil eines Dritten fingiert, wenn dieser die zum Eintritt der Bedingung erforderliche Mitwirkungshandlung unterlässt.
373
§ 2077 betrifft den Fall, dass der Erblasser seinen Ehegatten[117] oder Verlobten bedacht hat und die Ehe bzw. das Verlöbnis vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wird. In diesem Fall ist die letztwillige Verfügung zugunsten des Ehegatten (Abs. 1) bzw. Verlobten (Abs. 2) unwirksam, sofern nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen haben würde (Abs. 3). Das Bestehenbleiben der Ehe bzw. des Verlöbnisses wird also quasi zur auflösenden Bedingung der Verfügung gemacht. Zu § 2077 auch noch → Rn. 391.