Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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Der Betroffene kann das ärztliche Zeugnis selbst beschaffen und einen Arzt seiner Wahl damit beauftragen. Bittet das Gericht einen bereits bestellten Betreuer oder einen Bevollmächtigten schriftlich um die Beschaffung eines ärztlichen Zeugnisses, mit dessen Hilfe beurteilt werden soll, ob eine Einrichtung oder Fortsetzung der Betreuung erforderlich ist, so ist die Vergütung für das Zeugnis von der Gerichtskasse zu tragen. Eine solche Bitte des Gerichts kann als Auftrag an den Betreuer bzw. Bevollmächtigten angesehen werden.[1]
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Jede Begutachtung beinhaltet regelhaft eine Belastung des Betroffenen. Eine Begutachtung ist daher überflüssig bei einer Betreuerbestellung, die lediglich einen geringfügigen Eingriff in die Freiheitsrechte eines Betroffenen darstellt, wie z.B. Antragstellung zur Realisierung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII, Geltendmachen von Renten- oder Unterhaltsansprüchen etc.[2] Gemäß § 294 Abs. 2 FamFG ist die Begutachtung zwingend nachzuholen, wenn der Betreute einen Antrag auf Aufhebung der Betreuung oder Einschränkung des Aufgabenkreises stellt und dieser Antrag erstmalig abgelehnt werden soll.
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Ein ärztliches Zeugnis unterscheidet sich wie folgt von einem Sachverständigengutachten:
– | Die subjektiven und objektiven Voraussetzungen der Betreuerbestellung (psychische Erkrankung, körperliche, geistige oder seelische Behinderung sowie Fürsorgebedürfnis) nebst Anknüpfungstatsachen können verkürzt, müssen aber gleichwohl vollständig[3] und nachvollziehbar aufgeführt werden. Ferner kann auf die Darstellung wissenschaftlicher Methoden verzichtet werden; |
– | geringere Anforderungen an die Qualifikation des ausstellenden Arztes; |
– | vorgängige Untersuchung nicht obligat. Dies gilt für eine laufende Behandlung. Ansonsten ist der Beweiswert zweifelhaft. |
Eine ärztliche Stellungnahme ohne zeitnahe persönliche Untersuchung oder Befragung des Betroffenen nur aufgrund eines telefonischen Gespräches mit diesem zur Vereinbarung eines Untersuchungstermins abgibt, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an ein ärztliches Attest.[4] Mit dem Amtsermittlungsgrundsatz ist es nicht zu vereinbaren, wenn das Betreuungsgericht dem Betroffenen auferlegt, ärztliche Atteste vorzulegen.[5]
Anmerkungen
OLG Brandenburg FamRZ 2011, 400.
Jurgeleit/Bucic Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 676.
OLG Hamm FamRZ 2000, 495; BT-Drs. 11/4528, 174.
OLG Frankfurt/Main BtPrax 2005, 76 (Ls) = FamRZ 2005, 303 = FGPrax 2005, 23.
BGH NJW 2011, 1289 = FGPrax 2011, 118 = FamRZ 2011, 556 = BtPrax 2011, 130 = FuR 2011, 326 = MDR 2011, 428 = RdLH 2011, 90.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › VII. Das Sachverständigengutachten › 11. Verwertung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)
11. Verwertung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)
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Nach § 282 FamFG kann das Gericht in einer weiteren Konstellation von einer Einholung eines Gutachtens absehen.[1] Voraussetzung dafür ist eine vorherige Begutachtung des Betroffenen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse im Rahmen der Feststellung des zu gewährenden Hilfebedarfs nach dem SGB XI – Pflegeversicherung. Erlangt das Betreuungsgericht Kenntnis von einem solchen Gutachten, kann dieses bei der Pflegekasse unter zwingender Angabe des Zwecks angefordert werden, § 282 Abs. 2 S. 2 FamFG. Bei einem Rückgriff auf Gutachten, die für die Pflegeversicherung erstellt wurden, ist jedoch Zurückhaltung angezeigt. Es wird sich lediglich bei einfach gelagerten Fällen bzw. irreversiblen Krankheitsbildern eine Verwendung anbieten. Eine Heranziehung von MDK-Gutachten bei schubförmig verlaufenden bzw. Veränderungen unterliegenden Erkrankungen ist abzulehnen.
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Weiterhin ist das Nachstehende zu bedenken: Den Gutachten des MDK liegt regelmäßig eine andere Fragestellung und Zielsetzung zugrunde. Es wird die Fähigkeit des Versicherten zur Erledigung tatsächlicher Verrichtungen überprüft. Inwieweit der Versicherte überfordert ist, rechtliche Angelegenheiten wahrzunehmen, steht weniger im Vordergrund der Begutachtung. Gleichwohl kann im Einzelfall das MDK-Gutachten in Kombination mit Auskunftsmitteln (Sozialbericht der Behörde, Äußerungen von Angehörigen) ein umfassendes Bild der entscheidungserheblichen Umstände abgeben. Das BetrG entscheidet darüber, ob das Gutachten des MDK ausreicht. Mit Hinblick auf die Qualifikation des Gutachters ist auf § 18 Abs. 7 SGB XI hinzuweisen. Danach erledigt der MDK seine Aufgaben im Rahmen der Pflegeversicherung. Die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit erfolgt von Ärzten in enger Zusammenarbeit mit Pflegefachkräften. Die Pflegebedürftigkeitsrichtlinien konkretisieren in Ziffer 5.5 die Berufsqualifikation des Gutachters. Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Fachkräfte sind dort gleichrangig aufgeführt. In der Praxis wird die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit überwiegend von Pflegefachkräften durchgeführt.[2] Demgegenüber verlangt § 282 Abs. 1 FamFG die Verwendung eines bestehenden ärztlichen Gutachtens des MDK.
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Das MDK-Gutachten muss zudem aktuell sein. Analog § 293 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist ein Gutachten, das älter als sechs Monate ist, nicht mehr als zeitnah zu betrachten. Die Gutachtenanforderung durch das BetrG darf nur zum Zwecke der Vermeidung einer weiteren Gutachteneinholung erfolgen. § 94 Abs. 2 S. 2 SGB XI verpflichtet die Pflegekasse auf Ersuchen des BetrG zur Übermittlung des Gutachtens und der dazu erstellten Befunde als Abschrift oder elektronischen Datensatz. Die datenschutzrechtliche Befugnis resultiert aus §