Klausurenkurs im Arbeitsrecht II. Matthias Jacobs
und Vertiefung:
Das BAG hat die vorgenannte Streitfrage ausdrücklich offen gelassen. § 612a BGB finde jedenfalls keine Anwendung auf die Auslobung von Prämien für den Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage, da es – jedenfalls nach Ausspruch der Kündigung – im Arbeitsrecht „üblich“ sei, auf Kündigungsschutz und damit auch auf Erhebung einer entsprechenden Klage zu verzichten. Wie sich an zumindest der überwiegenden Zahl von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen zeige, sei es auch nicht unüblich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Kündigungsschutz mit Zahlung einer Abfindung „abkauft“. Es sei nicht Zweck von § 612a BGB, gütliche Einigungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu verhindern.[29]
Diese Argumente zeigen, dass § 612a BGB richtigerweise auf Vereinbarungen, die der in Frage stehenden Rechtsausübung vorangehen, keine Anwendung finden sollte. Ebenso verhält es sich bspw. mit während eines Arbeitskampfs ausgelobten Prämien für die Nichtteilnahme an einem rechtmäßigen Streik; auch sie verstoßen nicht gegen § 612a BGB.[30]
IV. Rechtsfolge der Teilunwirksamkeit von § 3 des Sozialplans
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Fraglich ist, ob die Teilunwirksamkeit von § 3 des Sozialplans zur Vollnichtigkeit führt, wie es § 139 BGB für Rechtsgeschäfte als Regelfall vorsieht, so dass A keinen Anspruch auf die Abfindung hat. Für Betriebsvereinbarungen ist allerdings anerkannt, dass keine Vollnichtigkeit eintritt, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält.[31] Dafür spricht vor allem das Vertrauen der Normunterworfenen in die Geltung der Betriebsvereinbarung.[32] Daneben berücksichtigt das BAG aber auch, welche Regelung die Betriebsparteien getroffen hätten, wäre ihnen der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bewusst gewesen, schließt die durch Teilnichtigkeit entstandene Lücke also im Wege ergänzender Auslegung entsprechend dem hypothetischen Willen der Betriebsparteien.[33]
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Möglicherweise ist der Sozialplan daher dahin gehend ergänzend auszulegen, dass auch den Arbeitnehmern, die Klage erheben, ein Anspruch gewährt wird („Anpassung nach oben“).[34] Dagegen lässt sich auf den ersten Blick einwenden, dass das Sozialplanvolumen eventuell unvorhersehbar ausgeweitet wird und somit nicht von einem entsprechenden Willen des Arbeitgebers auszugehen ist. Doch musste arbeitgeberseitig ohnehin dergestalt kalkuliert werden, dass notfalls auch dann genügend Mittel für den Sozialplan zur Verfügung stehen, wenn sämtliche Arbeitnehmer auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten. Eine mit der Korrektur einer einzelnen Bestimmung eines Sozialplans mittelbar verbundene Ausdehnung des vorgesehenen Finanzvolumens hat der Arbeitgeber im Übrigen solange hinzunehmen, wie die Mehrbelastung durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans nicht „ins Gewicht fällt“.[35] Damit ist der Sozialplan dahin gehend ergänzend auszulegen, dass es für den Erhalt der Abfindung auf die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage nicht ankommt.
V. Ergebnis
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A hat somit einen Anspruch auf Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr gegen die V-GmbH aus § 3 des Sozialplans.
B. Anspruch auf die Sonderprämie nach § 5 BV-O
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Möglicherweise steht A gegen die V-GmbH zudem ein Anspruch auf Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts aus § 5 BV-O zu.
I. Anwendbarkeit
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Die BV-O genügt dem Schriftformerfordernis aus § 77 II 1 BetrVG und findet auf das Arbeitsverhältnis des A als betriebsangehörigem Arbeitnehmer nach § 77 IV 1 BetrVG Anwendung.
II. Erfüllung der Voraussetzungen aus der Betriebsvereinbarung
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Einen schriftlichen Kündigungsverzicht hat A nicht vereinbart und somit diese in § 5 BV-O genannte Voraussetzung nicht erfüllt.
III. Unwirksamkeit des Erfordernisses eines Klageverzichts
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Möglicherweise ist das Erfordernis eines Klageverzichts in der BV-O aber – mit gleicher Folge wie beim Sozialplan – unwirksam.
1. Verstoß gegen § 75 I BetrVG
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In Betracht kommt zunächst, dass die Einschränkung als Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 I BetrVG unwirksam ist. Das setzt voraus, dass eine Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung vorliegt.
a) Ungleichbehandlung
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Durch die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung werden Arbeitnehmer des zu schließenden Betriebsteils (tertium comparationis), die auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht verzichten, hinsichtlich der Abfindung schlechter gestellt als die übrigen Arbeitnehmer, so dass eine relevante Ungleichbehandlung vorliegt.
b) Keine Rechtfertigung
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Diese Ungleichbehandlung könnte allerdings gerechtfertigt sein, weil sie der raschen Bereinigung der mit dem Ausspruch von Kündigungen verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Unsicherheit und somit der Herstellung von Planungssicherheit für den Arbeitgeber dient. Hieran hat V – wie es auch in § 1a KSchG deutlich wird – ein anerkennenswertes Interesse. Fraglich ist aber wiederum, ob dieses Interesse im Rahmen der Betriebsvereinbarung anzuerkennen ist.
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Zwar dürfen Sozialplanleistungen nicht vom Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Umgekehrt kann den Betriebsparteien aber nicht jegliche Regelung verboten sein, durch die im Falle einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, eine Kündigung zu akzeptieren. Die Befugnis der Betriebsparteien zu einer freiwilligen Betriebsvereinbarung folgt aus § 88 BetrVG. Ihre Kompetenz ist nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt („insbesondere“). Sind die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans bereits nachgekommen, spricht somit nichts dagegen, dass sie freiwillig eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit zusätzliche finanzielle Leistungen für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht.[36] Anders als bei Sozialplänen liegt somit keine Funktionswidrigkeit vor, wenn eine freiwillige Betriebsvereinbarung dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit dient, so dass die damit verbundene Ungleichbehandlung in diesem Fall gerechtfertigt ist.
c) Zwischenergebnis
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Die Beschränkung der Abfindung auf Arbeitnehmer, die einen Klageverzicht vereinbaren, ist damit keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S.d. § 75 I BetrVG.
2. Verstoß gegen § 612a BGB
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Da die Betriebsvereinbarung bereits vor der Kündigung des A abgeschlossen wurde, scheidet